Angesichts der oftmals von wenig Sachverständnis geprägten öffentlichen Anfeindungen gegen die großen Ratingagenturen im Gefolge der Finanzkrise sind die Analysten mehr und mehr in Erklärungsnot geraten, was Ratings eigentlich bedeuten bzw. was Ratings nicht bedeuten. Zuletzt hatten Marktteilnehmer sehr viel mehr in Ratings hineininterpretiert, als diese eigentlich aussagen. Ratings bieten bekanntlich keine Einschätzung über mögliche Marktpreisrisiken, sie geben keine Beurteilung von Anleihepreisen relativ zu deren Ratings und sie sind nicht mit einer Abschlussprüfung gleichzusetzen. Ratings verifizieren auch nicht die Richtigkeit von öffentlichen oder nicht-öffentlichen Informationen. Sie stellen keine Anlageberatung und keine Empfehlung zum Kauf, Halten oder Verkauf bestimmter Anlagen dar. Ratings sind lediglich ein Kriterium, das Investoren als Orientierungshilfe im Rahmen ihrer Investmententscheidung berücksichtigen können. Letztlich sind sie Meinungsäußerungen über relative Kreditrisiken, geben aber beispielsweise keine Hinweise auf die Liquidität oder den Preis einer Schuldverschreibung am Sekundärmarkt. Sie sind auch keine Garantie für die Bonität oder für künftige Kreditrisiken.
Viele Vorwürfe gegen die Ratinganalysten lassen sich deshalb auf diese und ähnliche Falschinterpretationen zurückführen. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat deshalb einen Leitfaden vorgelegt, der erläutert, was Ratings sind und was nicht, wer sie verwendet und warum sie für die Kapitalmärkte von Nutzen sein können. Das Heftchen bietet überdies einen Überblick über die verschiedenen Geschäftsmodelle und Methoden von Ratingagenturen. Es beschreibt außerdem ganz allgemein, wie Standard & Poor’s zu ihren Ratingmeinungen über Emittenten und Emissionen gelangt, wie die daraus resultierenden Ratings überwacht und angepasst werden, und wie sie Ratingänderungen im Zeitverlauf untersucht. Zudem weist der Leitfaden auf einige zentrale Merkmale von Ratings hin, die Investoren und andere Marktteilnehmer kennen sollten. Nutzer von Ratings sollten dagegen diesen Leitfaden kennen.
Ratings sind Meinungsäußerungen
Ratings sind Meinungsäußerungen über Kreditrisiken. Mit ihren Ratings bringen Ratingagenturen ihre Meinung über Fähigkeit und Bereitschaft eines Emittenten zum Ausdruck, seine finanziellen Verpflichtungen vollständig und fristgerecht zu erfüllen. Emittenten sind beispielsweise Unternehmen, Staaten oder Kommunen. Ratings können sich auch auf die Kreditqualität einer bestimmten Anleiheemission, wie beispielsweise von Unternehmens- oder Kommunalanleihen, und deren relative Ausfallwahrscheinlichkeit beziehen.
Ratings werden von Ratingagenturen erstellt, die auf die Beurteilung von Kreditrisiken spezialisiert sind. Neben internationalen Ratingagenturen wie Standard & Poor’s gibt es regionale und auf Nischensegmente spezialisierte Agenturen, die den Schwerpunkt eher auf einzelne Regionen oder Branchen legen. Jede Agentur greift bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit auf ihre eigene Methodik zurück und verwendet eine spezielle Ratingskala zur Veröffentlichung ihrer Ratings.
Ratings sind auf die Zukunft ausgerichtet
Als Teil ihrer Ratinganalyse sichten Ratingagenturen verfügbare aktuelle und historische Informationen und bewertet potenzielle Auswirkungen vorhersehbarer zukünftiger Ereignisse. So können beispielsweise bei der Erstellung eines Emittentenratings für ein Unternehmen die erwarteten Höhen und Tiefen im Konjunkturzyklus berücksichtigt werden, von denen die Agentur annimmt, dass sie die Kreditwürdigkeit des Emittenten bzw. Unternehmens beeinflussen könnten. So können die zukunftsgerichteten Meinungsäußerungen der Ratingagenturen Investoren und Marktteilnehmern als Orientierungshilfe bei ihren lang- oder kurzfristigen Anlage- und Geschäftsentscheidungen dienen. Ratings sind jedoch weder eine Garantie für die künftige Wertentwicklung einer Anlage noch dafür, dass es zu keinem Zahlungsausfall kommt.
Ratings liefern keine absoluten Kenngrößen für Ausfallwahrscheinlichkeiten
Da es künftige Ereignisse und Entwicklungen gibt, die sich nicht vorhersagen lassen, ist der Ratingprozess keine exakte Wissenschaft. Daher sollen Ratings weder als Garantie für die Kreditqualität noch als exakte Messgrößen für die Ausfallwahrscheinlichkeit eines bestimmten Emittenten oder einer bestimmten Emission dienen, so die Autoren von Standard & Poor’s im aktuellen Leitfaden "Kreditrating".
Innerhalb des Kreditrisikouniversums stellen Ratings vielmehr relative Meinungsäußerungen zur Kreditwürdigkeit eines Emittenten bzw. zur Kreditqualität einer speziellen Emission dar, von der stärksten bis zur schwächsten Kreditwürdigkeit. So weist beispielsweise nach Ansicht der Ratingagentur eine Unternehmensanleihe mit dem Rating 'AA' eine höhere Kreditqualität auf als eine Unternehmensanleihe mit dem Rating 'BBB'. Doch 'AA' ist keine Garantie dafür, dass die Anleihe nicht ausfällt, sondern besagt lediglich, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit nach Meinung der Ratingagentur geringer ist als bei einer Anleihe mit ‘BBB’-Rating.
Abbildung: Ratingsymbole, Die Ratings von ‘AA’ bis ‘CCC’ können durch Hinzufügen eines Plus- (+) oder Minuszeichens (-) modifiziert werden, um die relative Stellung innerhalb der Hauptratingkategorien zu verdeutlichen. [Quelle: Standard & Poor’s]
Die Ratingsymbole bieten dabei eine einfache und effiziente Möglichkeit, Informationen zu Kreditwürdigkeit und Kreditqualität zu kommunizieren (vgl. Abbildung). Diese weltweit einheitliche Ratingskala dient dabei als Benchmark zur Bewertung des relativen Kreditrisikos von Emittenten und Emissionen in aller Welt. Früher bezeichnete der Begriff "Investment Grade" Anleihen und sonstige Schuldtitel, die von Bankenaufsichtsbehörden und Marktteilnehmern als geeignete Investments für Finanzinstitute erachtet wurden. Heute wird der Begriff allgemein für Emittenten und Emissionen mit einer relativ hohen Kreditwürdigkeit bzw. Kreditqualität verwendet. Im Gegensatz dazu beziehen sich die Begriffe "Non-Investment Grade" oder "Speculative Grade" auf Schuldtitel, bei denen der Emittent zurzeit zwar über die Fähigkeit zur Bedienung seiner Verbindlichkeiten verfügt, er sich aber erheblichen Unsicherheiten wie ungünstigen wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen gegenübersieht, die sich auf das Kreditrisiko auswirken könnten.
In Standard & Poor’s Langfrist-Ratingskala für Emittenten und Emissionen wird ein Rating ab 'BBB–' oder höher von Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmern im allgemeinen als "Investment Grade" eingestuft. Solche mit einem niedrigeren Rating als 'BBB–' hingegen gelten generell als "Non-Investment Grade" oder "Speculative Grade".
Download des Leifadens "Kreditratings":
[Bildquelle oben: iStockPhoto]
Kommentare zu diesem Beitrag
"Ratings sind auf die Zukunft ausgerichtet": Das ist eine Lachnummer!!! Schon in der Finanzkrise waren Ratings Monate hinter der realen Entwicklung zurück. Da wurden Emittenten kurz vor dem Kollaps immer noch mit besten Ratings ausgezeichnet, ein Schenkelklopfer sozuagen. Ratings sind nicht mal an der Gegenwart dran, da von Zukunft zu sprechen ist ein Scherz. Noch heute sind sich Händler einig dass Ratings "nachlaufend" sind ... ... ...
"Daher sollen Ratings weder als Garantie für die Kreditqualität noch als exakte Messgrößen für die Ausfallwahrscheinlichkeit eines bestimmten Emittenten oder einer bestimmten Emission dienen, so die Autoren von Standard & Poor’s im aktuellen Leitfaden "Kreditrating". "
=> Tja, wenn die Ratingagenturen dass schon nicht annähernd schaffen (und es ist deren Geschäftsmodell das sie sich gut bezahlen lassen), wie soll es denn der Invester auf dem anderen Kontinent machen?
"...und sie sind nicht mit einer Abschlussprüfung gleichzusetzen. "
=> Und selbst da gibt es seit Jahren die bekannte "Erwartungslücke" ... Wenn Ratings von der Qualität noch schlechter sind, dann ....
Mal eine Frage an die Sachverständigen: Wenn Ratings das Alles nicht können, trotzdem so viel Geld und Aufwand kosten, wofür sollen braucht man die überhaupt? Fazit des Leitfadens ist doch wohl: Ratings sagen nichts aus, sind unverbindlich, sind Meinungen einzelner, garantieren nichts und sollten auch nicht ernst genommen werden. Na wenn da niemand für verantwortlich sein will, dann weg damit!
Die drei großen Agenturen können auf eine etwa hundertjährige Historie zurückblicken (S&P stieg 1926 ins Ratinggeschäft ein, "The Fitch Publishing Company" wurde 1913 gegründet und seit 1909 versorgte John Moody Investoren mit standardisierten Bewertungen amerikanischer Wertpapiere). Und häufig lagen die Ratingagenturen mit ihren Einschätzungen sehr gut. Schließlich kann man die Qualität der Ratings über ein Backtesting sehr wohl überprüfen. Und der Track-Record aller drei Agenturen kann sich sehen lassen. Empfehle die Lektüre von: Backtesting der Ratingqualität als ein Selektionskriterium für Ratingagenturen (Christoph R. Kley)
=> Die Macht und das Ansehen der Ratingagenturen war in den vergangenen Jahren viel zu hoch. Die Frage ist ob es sich hier um eine "self fulfilling prophecy" handelt?
Die Rating-Agenturen waren einer der wesentlichen Verursacher der Finanzkrise. Sie haben das große Vertrauen in ihre Urteilsfähigkeit missbraucht und den Markt in die Irre geführt, verbunden mit historisch einmaligen Milliardenverlusten.
Sich heute hinzustellen mit einer Hochglanz-Image-Broschüre (Leitfaden?) alle Schuld von sich zu weisen ist sehr vermessen. Viel mehr gehört deren Arbeit deutlich stärker kontrolliert. Wie entstehen Ratings, wie sauber und objektiv wird da recherchiert? Wenn die auf ähnlichen "Expertenschätzungen" wie andere Ratingverfahren im Bankenbereich beruhen, dann ist hier mehr als Vorsicht geboten.
Fazit: Die Ratingagenturen haben das Vertrauen des Marktes tief enttäuscht, dafür werden sie nun abgestraft und das ist auch gut so. Wo Aufsicht nicht funktioniert muss sich der Markt selbst regulieren!!! Und da helfen auch keine PR-Leute mehr.
Auch die Ratingagenturen haben Fehler gemacht. Erstens haben sie viel zu wenig erklärt, welche Aussagen in einem Rating NICHT enthalten sind (aber eben häufig hineininterpretiert werden).
Zum zweiten haben Sie (analog übrigens zu den Wirtschaftsprüfern) permanent mit dem Interessenkonflikt des Beratunggeschäfts und der neutralen Bonitätseinschätzung zu kämpfen "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing". Gefälligkeitsgutachten sind da vorprogrammiert - schließlich zahlen die Unternehmen für ihre eigenen Ratings.
Drittens wurden Finanzprodukte, die sich später als Herd der Krise oder deren Brandbeschleuniger entpuppt haben, mit Bestnoten (AAA) bewertet. Schließlich hatten die Agenturen damit auch gut Geld verdient ... und zwar mit der Strukturierung der Papiere und deren Bewertung!