Rund 80 Prozent der mittelständischen Unternehmen erkennen eine klare Kausalität zwischen einem gelebten Risikomanagement und einer nachhaltigen Sicherung bzw. Steigerung des Unternehmenswertes, so das Ergebnis einer empirischen Erhebung zum Verbreitungsgrad von Risiko- und Compliancemanagement im Mittelstand.
Josef Scherer – Professor und Studiengangsleiter im Masterprogramm Risiko- und Compliancemanagement der HDU Deggendorf – begleitete die breit angelegte Studie. Im Mittelpunkt der Studie stand die Frage, wie intensiv das Thema Risiko-, Chancen- und Compliancemanagement in mittelständischen Unternehmen im ostbayerischen Raum bereits umgesetzt und gelebt wird. 1.300 Unternehmen, die zwischen 100 bis 1.500 Mitarbeiter beschäftigen, erhielten einen standardisierten Fragebogens. 143 Unternehmen haben sich an der Studie beteiligt. Um zusätzlich Aufschluss bezüglich des Antwortverhaltens halb-offener Fragen zu eruieren, wurden im Weiteren mit 16 Entscheidern ausgewählter Unternehmen ein vertiefendes Interview geführt.
Relevanz des Themas verstanden – Umsetzung noch nicht erfolgt
Ein gewissermaßen passiver Erkenntnischarakter lässt sich in der Gegenüberstellung der Fragen nach dem Interesse an Risikomanagement und der Umsetzung eines systematisch aufgebauten Risiko- und Chancenmanagements ableiten. So bekundet die Mehrheit (78 Prozent) Interesse am Thema und darüber hinaus auch ein Verständnis in Bezug auf die Kausalität zwischen einem gelebten Risikomanagement und der nachhaltigen Sicherung des Unternehmenswertes. Interessanterweise – jedoch ebenso inkongruent – verhält sich die mehrheitliche Verneinung (60 Prozent) auf die Frage der Implementierung eines entsprechenden Systems, etwas basierend auf dem internationalen Risikomanagement-Standard ISO 31000:2009.
Abbildung 1/2: Interesse am Thema RCM sowie tatsächliche Implementierung RCM
Während das Risikomanagement in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise einen neuen Stellenwert im Mittelstand erfahren hat, erfährt die Compliance-Diskussion eine noch deutlich zurückhaltende Annäherung. Mit einer großen Mehrheit (84 Prozent) besteht auf der einen Seite Einigkeit darüber, dass sich die rechtlichen Anforderungen an Unternehmen und Manager in den vergangenen fünf Jahren stark verschärft haben. Lediglich eine Minderheit (16 Unternehmen) verneint eine erlebte Veränderung hinsichtlich ihres Unternehmensumfeldes. Auf der anderen Seite scheint das Thema in einem dissoziativen Charakter betrachtet zu werden und fehlt in der Folge die Bewusstwerdung in Hinblick auf das eigene Unternehmen: 33 Prozent der Geschäftsführer empfinden die Compliance Diskussion als rein theoretisch, während eine Mehrheit von 49 Prozent einen förderlichen Charakter für ihr Unternehmen ableiten können.
Entsprechend plausibel erscheint die dezente Handlungsbereitschaft das Thema aktiv und bewusst durch ein systematisch aufgebautes Compliancemanagementsystem in das eigene Unternehmen zu integrieren (1 Prozent). Überwiegend wird eine Einführung eines derartigen Systems verneint (63 Prozent), während im Weiteren 25 Unternehmer keinen Aufbau planen. Lediglich 13 Wirtschaftsakteure befassen sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung mit dem Thema.
Abbildung 3: Implementierung Compliancemanagementsystem
Fazit und Ausblick
Immer mehr mittelständische Unternehmen erkennen, dass sie Chancen und Risiken in ihrer Unternehmenssteuerung zeitnah berücksichtigen und ihr Risiko-Chancen-Profil optimieren müssen, um am Markt überleben zu können und den Unternehmenswert zu steigern. Die Fähigkeit, bei unternehmerischen Entscheidungen Chancen und Gefahren abzuwägen, ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Diese Fähigkeit auszubauen ist das zentrale Anliegen des Risikomanagements.
Zusammenfassend zeigt die Studie eine Sensibilisierung für das Thema Risiko- und Compliancemanagement. Daher stellt sich die Frage, warum die Unternehmen nicht den weiteren Schritt gehen und ein entsprechendes System im Unternehmen umsetzen. Die Studie hat auch aufgezeigt, das in den Unternehmen eine gewisse Antipathie gegen Risiko-, Chancen und Compliancemanagement besteht. Genährt wird dies durch den Gedanken, ein neues, vielschichtiges und möglicherweise bürokratisches Managementsystem einzuführen.
Risiko- und Compliancemanagement sollten jedoch keine neuen "Managementsysteme" sein, die neben den vorhandenen Systemen "herarbeiteten". Zielsetzung eines leistungsfähigen Risikomanagements, das die Unternehmensführung bei ihren Entscheidungen unterstützt und die Zukunft des Unternehmens absichert, muss es sein, möglichst zu einem integralen Bestandteil der gesamten Managementsysteme zu werden. In dieser Hinsicht bietet es sich an, vorhandene Managementsysteme für das Risikomanagement soweit möglich mit zu nutzen. Damit werden die Fähigkeiten in Unternehmen gestärkt, Erträge und Risiken bei Entscheidungen abzuwägen.
Und eines haben die stürmischen Zeiten verdeutlicht: Rettungsboote werden nicht erst im Sturm gebaut. Unternehmen, die frühzeitig und umfassend auf die neuen gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren und Risiko- und Compliancemanagement-Systeme verwenden, werden den Unternehmenswert nachhaltig steigern können. Das vorausschauende Bauen von Rettungsboten sichert das Unternehmen in stürmischen Zeiten.
Master Risiko- und Compliancemanagement
Der Weiterbildungs-Masterstudiengang soll berufserfahrene Hochschulabsolventinnen und -absolventen, vermitteln, wie Risikomanagement- und Compliancemanagementkompetenzen erlangt werden können. Dieser Studiengang konzentriert sich auf die Gebiete des Risiko- und Compliancemanagements, mit denen nahezu jedes Unternehmen inklusive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichen Abteilungen und Branchen konfrontiert werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen dabei auch, ihren Verantwortungsbereich zukünftig risiko- und chancenorientiert zu steuern. Im Rahmen Compliancemanagement erfolgt eine Sensibilisierung für die vielzähligen Vorgaben, Regelungen und Normen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unternehmen zu kennen, zu beachten und deren Befolgung sie zu dokumentieren haben. Durch einen ganzheitlichen Ansatz wird gewährleistet, Probleme nicht nur aus einer fachspezifischen Sicht anzugehen, sondern den Gesamtnutzen für das Unternehmen zu optimieren und gleichzeitig bestandsbedrohende Gefahren abzuwehren. Dieses Studium soll die Absolventinnen und Absolventen für eine Position als Führungskraft qualifizieren.
- Nächster Start: März 2013, eine Bewerbung ist bereits möglich
- 18-monatiges Programm, davon nur 10 Monate mit Präsenzphasen
- Deutschlandweit einzigartiger integrierter Ansatz
- Vorlesungen in München und Deggendorf
- Kleine Studiengruppen und seminaristische Lehre
- Kooperation mit dem Kompetenzportal RiskNET sowie TÜV Süd Akademie
Weitere Informationen:
www.hdu-deggendorf.de/de/weiterbildung/master/risiko
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