Die Bundesregierung macht Ernst mit den Ankündigungen ihres Koalitionsvertrages zum Versicherungsbereich und will ein Gesetzespaket auf den Weg bringen, das wichtige Änderungen für die deutschen Lebensversicherer ins Auge fasst. Hauptbestandteil ist eine Neuregelung des Umgangs mit den Bewertungsreserven der Versicherer. Seit 2008 steht den Versicherten daran eine hälftige Beteiligung zu. Dies soll nun geändert werden.
Zwar betont das Finanzministerium, noch seien in dieser Sache keine Festlegungen getroffen worden. "Wir befinden uns noch in der Vorbereitungsphase", erklärte Ministeriumssprecherin Marianne Kothé. "Wir haben schon angekündigt, dass wir an einem Gesetzentwurf arbeiten." Ziel dieses Entwurfes sei es, "insgesamt zu einem ausbalancierten Paket verschiedener Maßnahmen zu kommen, um langfristig die Lebensversicherungen zu stabilisieren".
Das Gesetz könne Versicherte, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen oder die kündigen, insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro kosten, berichtet aber die Süddeutsche Zeitung. Denn die hälftige Beteiligung an den Bewertungsreserven soll demnach in der jetzt geltenden Form abgeschafft werden. Gleichzeitig sollten die Garantieverzinsung gesenkt, die Aufsicht über die Versicherer verschärft und die Verteilung der Gewinne zwischen Aktionären und Kunden der Lebensversicherer zu Gunsten der Kunden geändert werden.
Die Branche stellte klar, Versicherungsunternehmen profitierten nach ihrer Einschätzung anders als behauptet keineswegs mit Milliardenbeträgen von einer solchen Gesetzesänderung. "Bei der Änderung der Beteiligung an den Bewertungsreserven geht es darum, für die Lebensversicherung Brücken über die Niedrigzinsphase zu bauen", sagte der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland.
Es gehe nicht darum, die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven insgesamt abzuschaffen. "Wir setzen uns ausschließlich für eine Änderung bei festverzinslichen Papieren ein", betonte Erdland. Auch solle die veränderte Regelung nur so lange gelten, wie das künstliche Niedrigzinsumfeld anhalte.
Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, sie werde auf das derzeitige Niedrigzinsumfeld reagieren und Maßnahmen zur Stabilisierung von Versicherungen treffen. "Wir wollen Lösungsvorschläge zum Umgang mit den Folgen eines lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes erarbeiten und im Interesse der Versichertengemeinschaft geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversicherungen treffen", erklären CDU, CSU und SPD in der Vereinbarung.
Ministeriumssprecherin Kothé wies allerdings Behauptungen zurück, das Gesetz solle noch im März vom Kabinett beschlossen werden. "Einen konkreten Zeitplan kann ich nicht nennen", sagte sie bei einer Pressekonferenz. Noch befinde man sich in der Vorphase eines Referentenentwurfes. Erst einmal gehe es um die Inhalte und daraus folge dann der Zeitplan. "Wir rechnen verschiedene Optionen durch und sind in einem Stadium, in dem es noch keine Festlegungen gibt."
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bereits mehrfach angekündigt, er wolle einen weiteren Anlauf zur Neuregelung der Bewertungsreserven der Lebensversicherer starten, nachdem eine von der alten Regierung geplante Kürzung der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven in der abgelaufenen Legislaturperiode scheiterte.
Doch auch gegen einen neuen Versuch hatten sich bereits Widerstände im Bundesrat angedeutet, denen der neue Entwurf nun Rechnung tragen soll. Von den Grünen hatte es geheißen, sie wollten möglicherweise auch eine Kürzung der Auszahlungen an die Aktionäre verlangen.
Schäubles frühere Pläne zu Kürzungen bei der Ausschüttung von Lebensversicherungen waren Anfang 2013 im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gescheitert. Der Bundestag hatte dem Gesetzesvorhaben zuvor zugestimmt - selbst der Bundesparteitag der CDU hatte die Regierung kurioserweise aber dazu aufgefordert, den Plan in der damaligen Form rückgängig zu machen.
Hintergrund ist, dass Versicherer ihre Kunden nach gültiger Rechtslage seit 2008 zu 50 Prozent an der sogenannten Bewertungsreserve teilhaben lassen. Diese Reserven bestehen insbesondere aus nicht realisierten Gewinnen bei festverzinslichen Wertpapieren. Die Bundesregierung und die Branche sehen Handlungsbedarf, weil die Versicherer sonst möglicherweise nicht mehr ausreichend stille Reserven aus festverzinslichen Papieren erwirtschaften könnten.
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Das Bundesfinanzministerium will Aktionäre und Eigner von Versicherern zur Kasse bitten, um den leidenden Markt für Lebensversicherungen zu stützen. Damit die versprochenen Leistungen für die Kunden auch im Niedrigzinsumfeld gewährleistet sind, sollen die Versicherungsunternehmen notfalls auf die Auszahlung von Dividenden verzichten. Das verkündete Staatssekretär Michael Meister (CDU) am Dienstag in Berlin. "Es geht darum, zugesagte Garantien an die Versicherungsnehmer zu erfüllen", sagte Meister. Konkret plant er, die Kunden stärker an den Risikogewinnen der Lebensversicherer zu beteiligen.
In der Versicherungsbranche meint der Begriff nicht riskante Investitionen, sondern Buchgewinne aus zu konservativ geschätzten Risiken. Das heißt zum Beispiel, dass eine Assekuranz mit höheren Schäden kalkuliert als sie tatsächlich ausgleichen muss - die Differenz davon ist der Risikogewinn. Meister hat hier ein Volumen von 800 Millionen Euro identifiziert, das den Versicherten zu Gute kommen soll. Das entspricht ziemlich genau der Summe der 2012 von allen Lebensversicherern in Deutschland ausgezahlten Dividende. En Detail sollen an die Kunden künftig 80 Prozent der Risikogewinne ausgezahlt werden. In der Praxis würden also die Eigentümer zu Gunsten der Kunden auf Geld verzichten müssen.
Neben den Aktionären sollen auch die Unternehmen ihren Beitrag leisten, in dem die Provisionen bei Abschluss von Policen begrenzt werden. "Wir haben das heute ja schon bei den Riester-Verträgen", sagte Meister. Er will die Unternehmen außerdem dazu verpflichten, die Provisionen auf den Euro genau auszuweisen. Die Stabilität der Branche will er zusätzlich dadurch erhöhen, dass die Versicherer mehrjährige Risikoabschätzungen und Saldierungspläne für die Aufsicht erstellen müssen. "Das wird sicher keine Beifallsstürme auslösen", erklärte der CDU-Politiker.
Um die Krise der Lebensversicherer abzufedern, werden nach den Plänen der Bundesregierung aber auch die Versicherungsnehmer Einschnitte verdauen müssen. So soll der Garantiezins von derzeit 1,75 auf 1,25 Prozent sinken. Er gibt an, wie hoch die eingezahlten Beträge mindestens verzinst müssen. Bereits am Wochenende wurde außerdem bekannt, dass der Branche bei den Bewertungsgewinnen auf Staatsanleihen entgegen gekommen werden soll. Vorgesehen ist, dass die Assekuranz weniger auszuschütten hat. Bisher geht die Hälfte der Bewertungsgewinne an die Klienten.
Auf die kritische Lage der Lebensversicherer hat die Bundesbank bereits in ihrem Finanzstabilitätsbericht 2013 hingewiesen. Die Währungshüter gehen davon aus, dass auf über 30 Unternehmen beachtliche Finanzrisiken zukommen. Sie stehen für mehr als ein Drittel der eingezahlten Beiträge im Markt für Lebensversicherungen.