Das Kölner Institut für Wirtschaftsforschung (IW) kritisiert die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse scharf. IW-Direktor Michael Hüther schreibt in einem Kommentar: "In Zeiten niedriger Zinsen und eines großen Investitionsbedarfs nimmt sie der Politik die nötigen Spielräume." Hüther weist darauf hin, dass die Schuldenbremse vor zehn Jahren verabschiedet worden sei, als die Verschuldung des Staats bei 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gelegen habe.
Inzwischen sei der Maastricht-Wert von maximal 60 Prozent fast erreicht, und nun bremse die Schuldenbremse vor allem Investitionen und Steuersenkungen. "Wir haben uns eingemauert", konstatiert IW-Direktor Michael Hüther und fährt fort: "Die Verteufelung der Schulden ist nicht mehr zeitgemäß." Abhilfe könnte seiner Meinung nach ein Sonderhaushalt für Investitionen schaffen.
Mit der Schuldenbremse wird die konjunkturunabhängige staatliche Neuverschuldung für die Bundesländer verboten und für den Bund auf 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschränkt. Ausnahmen für Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen sind ebenso vorgesehen wie ein konjunktureller Finanzierungssaldo, der im Aufschwung positiv und im Abschwung negativ ist.
Hüther argumentiert aber, dass diese Regeln in Zeiten niedriger Zinsen und eines unübersehbar großen Investitionsbedarfs den politischen Handlungsspielraum mindern. "Die Zinsen auf langlaufende deutsche Staatsanleihen sind niedriger als das BIP-Wachstum - eine intergenerative Umverteilung zulasten künftiger Generationen ist deshalb nicht mehr mit einer Kreditaufnahme verbunden", so der IW-Direktor.
Deshalb sei auch nicht erkennbar, weshalb Steuergelder für die Schuldentilgung verwendet werden sollten, während zugleich wichtige Zukunftsinvestitionen ausblieben.
Eine denkbare Lösung wäre laut Hüther, die Schuldenbremse zu öffnen, ohne dabei jedoch die mühsam etablierte Disziplin zu opfern. Es brauche klar definierte Investitionsspielräume, innerhalb derer ein gesamtstaatlicher Sonderhaushalt mit Finanzierungsplan geschaffen werden könnte.
Dieser sollte auf eine föderale Infrastruktur abzielen und die notwendigen Investitionen und Innovationen garantieren - beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz. "Wir sind mitten in einem technologischen Sprung und drohen wegen der Schuldenbremse den Anschluss zu verlieren", warnt Hüther.