Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sehen die Wirtschaft trotz eines schwierigeren internationalen Umfeldes dieses und nächstes Jahr weiter auf Wachstumskurs - aber mit geringerer Dynamik als bisher. In ihrem neuen Herbstgutachten schreiben die Ökonomen der Regierung dabei deutliche Kritik an ihrer Wohnungspolitik ins Stammbuch.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute senkten ihre Prognose für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2018 auf 1,7 Prozent und für 2019 auf 1,9 Prozent. Für 2020 erwarteten sie ein BIP-Plus von 1,8 Prozent. Im Frühjahr hatten sie noch mit Wachstumsraten von 2,2 Prozent für dieses und 2,0 Prozent für nächstes Jahr gerechnet.
"Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft verliert an Fahrt", erklärte Roland Döhrn, der Konjunkturchef des gastgebenden RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Die Nachfrage aus dem Ausland sei schwächer geworden, und zugleich hätten die Unternehmen offenbar zunehmend Probleme, genügend Arbeitskräfte für ihre Produktion zu finden.
Aufschwung im sechsten Jahr
Die Revision war bereits im Vorfeld deutlich geworden, als die beteiligten Institute ihre jeweiligen Einzelprognosen revidiert hatten. Für dieses Jahr lauteten diese Vorhersagen durchweg auf 1,8 oder 1,9 Prozent, und für nächstes Jahr bewegten sie sich in einer Spanne von 1,7 bis 2,0 Prozent. Die Entwicklung für dieses Jahr wird im Herbstgutachten nun noch etwas pessimistischer eingeschätzt.
"Der Aufschwung in Deutschland geht in sein sechstes Jahr", schrieben die Ökonomen in ihrer Expertise und nannten mehrere Gründe dafür, dass er aber an Fahrt verliert. Unter anderem habe sich das Auslandsgeschäft "im Einklang mit der Verlangsamung der Konjunktur in den wichtigsten deutschen Absatzmärkten" abgeschwächt, und die Unternehmen sähen sich in der Produktion Engpässen vor allem bei den Arbeitskräften und beim Bezug von Vorleistungsgütern gegenüber.
Dabei sahen die Wissenschaftler mehr Risiken als zuvor. "Die Risiken für die deutsche und die internationale Konjunktur haben sich gegenüber dem Frühjahr vergrößert, weltweit insbesondere durch die zunehmende Zahl von Handelskonflikten, auf europäischer Ebene durch die Möglichkeit eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU und einer möglichen Schuldenkrise in Italien", erklärten sie.
Kritik an der Wirtschaftspolitik
Die Zahl der Erwerbstätigen wird nach der Prognose von 44,9 Millionen in diesem auf 45,3 Millionen im nächsten und 45,6 Millionen im Jahr 2020 steigen. Gleichzeitig soll die Zahl der Arbeitslosen von 2,3 über 2,2 auf 2,1 Millionen Menschen sinken. Damit geht die Arbeitslosenquote nach den Berechnungen der Institute von 5,2 über 4,8 auf 4,5 Prozent zurück.
Die Verbraucherpreisinflation werde sich voraussichtlich von 1,8 Prozent im Durchschnitt dieses Jahres auf 2 Prozent im kommenden Jahr beschleunigen und 2020 bei 1,9 Prozent liegen. Dabei nehme der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb zu.
Die Institute erwarteten für den gesamten Prognosezeitraum zudem deutliche Finanzierungsüberschüsse des Staates. Im laufenden Jahr dürfte er mit 54 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert erreichen und werde dann bis 2020 durch die expansiv ausgerichtete Finanzpolitik auf 41 Milliarden Euro abschmelzen.
Zur derzeitigen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung äußerte sich Döhrn kritisch. "Kurzfristige Initiativen wie das Baukindergeld führen tendenziell zu Mitnahmeeffekten und steigenden Kosten, weil die Bauwirtschaft ohnehin gut ausgelastet ist", erklärte der Ökonom. Die Förderpolitik im Wohnungsbereich sollte deshalb "in der derzeitigen konjunkturellen Lage stärker auf Kontinuität angelegt sein".