Coface Country & Sector Risks Handbook

Risiken sind strukturell, nicht nur zyklisch


Coface Country & Sector Risks Handbook: Risiken sind strukturell, nicht nur zyklisch Studie

Die diesjährige und vor wenigen Tagen veröffentlichte Ausgabe des "Coface Country & Sector Risks Handbook 2025" bietet eine detaillierte und datengestützte Perspektive auf die sich wandelnde globale Risikolandkarte. Sie spiegelt eine Welt wider, die von wirtschaftlicher Fragmentierung, politischer Volatilität und strukturellen Schwächen, insbesondere in den Industrieländern, geprägt ist. Der Bericht bewertet 160 Länder und 13 zentrale Industriesektoren und liefert Einschätzungen zu Kredit- und Zahlungsrisiken sowie zum allgemeinen Geschäftsklima. Coface stützt sich dabei auf eine vielschichtige Methodik, die makroökonomische Indikatoren, strukturelle und institutionelle Faktoren, politische Risiken und eigene Daten aus dem Kreditversicherungsportfolio einbezieht – insbesondere reales Zahlungsverhalten.

Die Coface-Methodik ist robust und multidimensional. Zur Bewertung des Länderrisikos werden folgende Elemente herangezogen:

  • Makroökonomische Faktoren: BIP-Wachstum, Inflation, Haushalts- und Leistungsbilanzsalden, Staatsverschuldung.
  • Politische und gesellschaftliche Risiken: Stabilität der Regierung, Qualität der Institutionen, Potenzial für soziale Unruhen.
  • Strukturelle Merkmale: Entwicklungsstand, Klimarisiken, regulatorisches Umfeld.
  • Proprietäre Coface-Daten: insbesondere Zahlungserfahrungen und Zahlungsausfälle aus dem Versicherungsportfolio des Kreditversicherers.

Die Länderrisiken werden auf einer achtstufigen Skala bewertet (von A1 – sehr niedriges Risiko – bis E – extremes Risiko). Eine separate Bewertung des Geschäftsklimas ergänzt diese Einschätzung, etwa zur Verlässlichkeit von Finanzinformationen, dem Gläubigerschutz und der allgemeinen Geschäftstätigkeit. Dieses Rahmenwerk soll sowohl kurzfristige Kreditrisiken als auch die langfristige Verlässlichkeit der Geschäfts- und Rechtsumgebung eines Landes erfassen.

Rückkehr politischer Instabilität in Industrieländern

Ein zentrales Ergebnis des Berichts 2025 ist, dass trotz rückläufiger Inflationsraten viele Industrieländer zunehmenden finanziellen und politischen Verwundbarkeiten ausgesetzt sind. Die wirtschaftliche Leistung reicht nicht mehr aus, um die sich häufenden strukturellen und politischen Risiken auszugleichen – insbesondere in westlichen Demokratien. Erschwerend kommt laut Coface hinzu, dass sowohl 2024 als auch 2025 als "globaler Wahl-Superzyklus" gelten: Wahlen finden in Ländern statt, die über die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren – ein erheblicher Unsicherheitsfaktor, der einen wesentliche Einfluss auf die Bewertung des Länder- und Branchenrisiken hat.

USA: Wachstum trifft geopolitische Volatilität

Die Vereinigten Staaten bleiben ein wirtschaftlicher Motor, doch Coface warnt vor zunehmender Unsicherheit infolge der Rückkehr Donald Trumps ins Präsidentenamt. Die Politik der neuen Administration setzt auf Protektionismus, Deregulierung und expansive Fiskalpolitik, was zu höherer Inflation oder neuen Handelskonflikten führen könnte. Trotz der Beibehaltung des A2-Ratings sieht Coface den Druck auf das Risikoprofil steigen – nicht zuletzt durch innenpolitische Polarisierung und globale Auswirkungen.

Deutschland und Frankreich: Wirtschaftliche Stärke, politisches Vakuum

Deutschland wird mit A3 bewertet. Coface nennt politische Instabilität als zunehmendes Problem. Die Abhängigkeit vom chinesischen Exportmarkt sowie innenpolitische Zersplitterung behindern Reformen. Neuwahlen und daraus resultierende Unsicherheiten verzögern Fortschritte bei Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. Die industrielle Basis zeigt strukturelle Schwächen.

 Auch Frankreich erhält ein A3-Rating. Stagnierende Produktivität, eingeschränkter fiskalischer Spielraum und eine politisch geschwächte Regierung erschweren Reformprozesse. Die Staatsverschuldung steigt und soll 117 % des BIP erreichen. Wettbewerbsfähigkeit und soziale Spannungen bleiben zentrale Herausforderungen.

Südeuropa unter Druck: Herabstufung Italiens

Italien wird auf B herabgestuft. Der Bericht verweist auf Disinflation, die Unternehmensmargen schmälert, eine fragile Beschäftigungslage sowie hohe öffentliche und private Verschuldung. Die Wirtschaftsstruktur – geprägt von kleinteiligen Unternehmen – erhöht das Risiko zusätzlich. Die fiskalische und politische Instabilität macht das Land anfällig für externe Schocks und Zinsänderungen.

Vereinigtes Königreich: Auf der Suche nach Stabilität nach dem Brexit

Das Vereinigte Königreich wird mit A3 bewertet. Brexit-Folgen beeinträchtigen weiterhin Produktivität und Investitionen. Politische Unsicherheiten und begrenzter fiskalischer Spielraum erschweren die wirtschaftliche Erholung. Strukturelle Probleme wie geringe Produktivitätszuwächse, regionale Ungleichheiten und Qualifikationsdefizite bleiben ungelöst.

Lichtblicke: Die nordische Ausnahme

Skandinavien – darunter Schweden und Dänemark – sowie die Schweiz behalten ihre A1-Bewertungen bei. Gründe sind stabile Institutionen, solide Staatsfinanzen und wirtschaftliche Diversifikation. Dennoch bleiben auch diese Länder nicht vollständig immun gegenüber globalen Nachfrageschwankungen und geopolitischen Spannungen, insbesondere im Energiesektor und bei Supply-Chain-Risiken.

USA – Risikobewertung A2
– Überdurchschnittliches Wachstum 2024, aber erhöhte Volatilität unter Trump.
– Deregulierung und Steuersenkungen stärken kurzfristiges Wachstum, gefährden aber Inflationsziele.
– Unsicherheit bei der Umsetzung und Konfliktpotenzial mit der US-Notenbank.
Deutschland – Risikobewertung A3
– Politische Instabilität verstärkt wirtschaftliche Fragilität.
– Industrieproduktion leidet unter globaler Nachfrageschwäche und Lieferkettenproblemen.
– Exportabhängigkeit und China-Risiken bleiben zentrale Schwachstellen.
Frankreich – Risikobewertung A3
– Politische Fragmentierung hemmt Reformen.
– Öffentliche Finanzen verschlechtern sich (Schuldenquote > 117 % des BIP).
– Schwache Wettbewerbsfähigkeit und schrumpfende industrielle Basis.
Italien – Risikobewertung B
– Hohe Verschuldung und geringes Wachstum.
– Disinflation belastet Unternehmensmargen.
– Fragiler Arbeitsmarkt und Abhängigkeit von Tourismus und Industrie.
Vereinigtes Königreich – Risikobewertung A3
– Brexit-Nachwirkungen und schwache Produktivitätsentwicklung.
– Fragile Investitionen, anhaltende politische Unsicherheit.
– Tieferliegende Probleme: Risiken sind zunehmend strukturell

Der Bericht betont, dass die Risiken in den Industrieländern nicht nur konjunktureller Natur sind. Deindustrialisierung, demografischer Wandel, sinkende Bildungsqualität und mangelnde Infrastrukturinvestitionen zählen zu den langfristigen Herausforderungen. Die politische Fragmentierung und die wachsende Unterstützung für populistische Bewegungen untergraben zusätzlich Vorhersehbarkeit und Vertrauen.

Risikoanalyse in Echtzeit

Coface kombiniert klassische statistische Methoden mit vorausschauenden Analysen. Proprietäre Daten aus versicherten Forderungen ermöglichen eine zeitnahe Einschätzung von Zahlungsausfällen und Unternehmensinsolvenzen. Damit unterscheiden sich die Analysen von Modellen, die ausschließlich auf offiziellen Statistiken basieren. Szenarioanalysen und Stresstests runden das Bild der aktuellen Risikobewertungen ab.

Fazit: Risikomanagement in Zeiten permanenter Unsicherheit

Die Coface-Analyse 2025 beschreibt ein Umfeld, das weniger von Inflation als von fragmentiertem und verletzlichem Wachstum geprägt ist. Politische Unsicherheiten, fiskalische Ungleichgewichte und strukturelle Schwächen dominieren die Risikolandkarte der Industrieländer. Coface empfiehlt, künftig verstärkt auch qualitative Faktoren wie Governance, Demografie oder Risiken im Kontext Digitalisierung in die Risikobewertung einzubeziehen.

Das globale Wachstum stabilisiert sich laut Coface 2025 bei 2,6 % (nach 2,8 % im Vorjahr). Die Risiken bleiben jedoch hochgradig fragmentiert. Die Inflation mag an Schrecken verloren haben, aber politische und wirtschaftliche Instabilität nehmen zu. Das Handbuch dient damit als Kompass für Risikomanager und Entscheider in einer Welt wachsender Unsicherheit und geopolitischer Komplexität.
 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
schließen