Ausblick 2019

Risiken sind wieder wichtiger als Erträge


Ausblick 2019: Risiken sind wieder wichtiger als Erträge Kolumne

Auch Ende 2018 werden die Märkte wieder mit Rückblicken auf das alte und Ausblicken für das neue Jahr überschwemmt. Aber Prognosen sind nicht einfach. Für 12-Monats-Ertragsprognosen gilt dies erst recht.

Im Grunde sind die Finanzmärkte ein Forum, das Kapitalnehmer und Kapitalgeber zusammenführt. Wer heute Kapital gibt, hofft darauf, es später zurückzubekommen – zusammen mit einem Ausgleich für das Risiko und den Zeitwert des Geldes. Die Assetpreise sind letztlich nichts anderes als die abgezinsten zukünftigen Rückflüsse. Wenn diese Cashflows aber hinter den Erwartungen zurückbleiben – oder sie übertreffen – reagieren die Marktpreise entsprechend. Umso wichtiger ist, was letztlich die Cashflows bestimmt.

Um es kurz zu machen: Wir halten vor allem vier Dinge für relevant – Absatzmengen, Preise, Gewinnmargen und Unternehmensgewinne. Wie viele Einheiten eines Produkts wird ein Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren verkaufen? Zu welchem Preis? Wie werden sich die Gewinnmargen entwickeln? Wichtig ist auch die Höhe der Gewinne und freien Cashflows und inwieweit sich die Erwartungen in den Kursen widerspiegeln.

Wir glauben, dass langfristig die Fundamentaldaten die Cashflows bestimmen und die Assetpreise wiederum von den Cashflows abhängen. Kurzfristig kann es aber anders sein. Die Märkte sind oft sehr kurzsichtig und reagieren zu stark auf Informationen, die sich am Ende als wenig relevant erweisen. Langfristig kann dies zu Marktineffizienzen führen. Wenn zum Beispiel ein neues Gesetz verabschiedet wird, ist es schwer zu prognostizieren, wie Investoren dies interpretieren. Die Prognose kurzfristiger Marktbewegungen ist frustrierend, und doch werden sich die Marktstrategen in den kommenden Wochen immer wieder daran versuchen.

Eines steht aber fest: Weltweit sind die Unternehmen heute zu stark verschuldet, insbesondere die Unternehmen aus den USA. Hier ist die Verschuldung jetzt höher als vor der Finanzkrise (Abbildung siehe Anhang).

Nach der Finanzkrise 2008 sind die Nettomargen der Unternehmen aufgrund fallender Faktorkosten gestiegen: Die Kapitalkosten gingen zurück, die Zahl der Mitarbeiter ebenfalls. Doch drei bis vier Jahre später hatte die Weltwirtschaft noch immer mit den Spätfolgen der Krise zu kämpfen, und viele Unternehmen schafften es nicht, ihre Umsätze zu steigern. Die Gewinnmargen waren ungewöhnlich hoch, doch Absatzmengen und Preismacht blieben mäßig. Viele Unternehmen versuchten daraufhin, den freien Cashflow durch Änderungen der Finanzierungsstruktur zu steigern. An den Kreditmärkten war man nur zu gerne bereit, den Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, nicht zuletzt wegen der unorthodoxen Notenbankpolitik des Quantitative Easing.

Mit zunehmender Reife des Konjunkturzyklus wurden mehr Anleihen begeben, und die Verschuldungsgrade stiegen. Die Kreditbedingungen wurden weniger restriktiv. Man verlangte weniger Sicherheiten, und die Kreditqualität von Unternehmensanleihen ging insgesamt zurück. Wie Abbildung 2 (siehe Anhang) zeigt, hat sich der Anteil von Titeln mit BBB-Rating am Global Credit Index seit der internationalen Finanzkrise fast verdoppelt.

Besonders hoch verschuldet sind die Unternehmen in den USA, wo etwa ein Drittel der Investmentgrade-Emittenten einen Nettoverschuldungsgrad (Net Leverage Ratio) von 4 oder mehr haben (Abbildung siehe Anhang). Und doch waren Anleiheninvestoren aufgrund der niedrigen Renditen bereit, eine allmählich nachlassende Kreditqualität zu tolerieren.

Unabhängig davon, ob sich die Zweifel an der Kreditqualität schon 2019 oder erst sehr viel später als berechtigt erweisen, machen sich unsere Analysten weltweit Sorgen um die Verschuldungsgrade. Hoch verschuldete Unternehmen haben, so meinen wir, ihr Schicksal weniger gut in der Hand. Wenn die Absatzmengen nicht überdurchschnittlich steigen und es an Preismacht mangelt, werden Margen und Gewinne bei steigenden Faktorkosten am Ende fallen – denn die Unternehmen müssen höhere Zinsen zahlen, wenn sie Anschlussfinanzierungen für ihre sehr niedrig verzinslichen Anleihen brauchen.

Wir halten es für recht wahrscheinlich, dass Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der Digitalisierung nachgelassen hat, in einem schwierigeren Marktumfeld nicht mehr mit der Nachsicht der Ratingagenturen rechnen können. Sie könnten aber ausgerechnet dann Kapital benötigen, wenn es am Anleihemarkt zu Knappheiten kommt. Für einige könnte die Refinanzierung dann prohibitiv teuer werden, und viele Emittenten könnten in Schwierigkeiten geraten. Die Einzeltitelauswahl wird dann entscheidend sein, da die Differenzierung zwischen Unternehmen mit und ohne nachhaltige Margen größere Auswirkungen auf die Portfolioerträge haben wird als in den letzten Jahren.

Langfristig, also auf Sicht von zehn Jahren, erwarten wir deutlich niedrigere Erträge als in den zehn Jahren zuvor. Wir gehen davon aus, dass ein internationales Balanced-Portfolio (60% internationale Aktien, 40% internationale Anleihen), wie in Abbildung 4 (siehe Anhang), in US Dollar gut 4% Nominalertrag erwirtschaften wird. Die stark überdurchschnittlichen Erträge der letzten 30 Jahre dürften allmählich der Vergangenheit angehören.

Unsere Marktmodelle beruhen auf Fundamentaldaten, weil wir sie für maßgeblich für die langfristige Kursentwicklung halten – auf Absatzmengen, Preisen, Margen und Gewinnen. Mehr Informationen hierzu finden Sie in unseren aktuellen Long-Term Capital Markets Expectations. Zusammenfassend meinen wir, dass die Kombination aus hoher Verschuldung der Unternehmen und hohen Margen der Grund dafür ist, dass wir auf Zehnjahressicht unterdurchschnittliche Erträge erwarten – zumal die konjunkturbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisse überdurchschnittlich hoch sind.

Alles in allem glauben wir, dass Investoren ihre Portfolios neu ausrichten sollten. Ziel sollten nicht mehr überdurchschnittliche Erträge, sondern ein angemessener Umgang mit Risiken sein. In dieser Phase des Konjunkturzyklus zählen Entscheidungsfreiheit und Selektivität.

Autor:

Robert M. Almeida, Jr.

Global Investment Strategist

MFS Investment Management (MFS)

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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