Alle reden von "Digital Branding", aber was ist das überhaupt? Digital Branding meint das ganzheitliche Führen von Marken mit dem Ziel, die Wahrnehmung von Unternehmen und Angeboten auch im Umfeld digitaler Kanäle möglichst markenadäquat zu gestalten. Kurz gesagt: Der Aufbau, die Positionierung und Führung von Marken im Online-Umfeld.
Was ändert sich durch die Digitalisierung in der Markenführung? Die größte Herausforderung des Digital Branding ist neben der Vervielfachung der digitalen "Touchpoints" die hohe Geschwindigkeit, mit der Marken heute auf Veränderungen und Innovationen reagieren müssen. So sollte zwar die strategische Positionierung der Marke auch im digitalen Wettbewerbsumfeld möglichst langfristig ausgerichtet sein, die ganzheitliche Umsetzung muss aber deutlich agiler, also schneller, flexibler und transparenter, erfolgen als bisher.
Die Besonderheit der digitalen Markenführung liegt vor allem in der starken Interaktionsfähigkeit der digitalen Touchpoints. Dadurch entstehen individuellere Beziehungen zwischen Marken und ihren Kunden. Die digitale Markenführung reduziert sich deshalb nicht nur auf die Kommunikation eines Logos und die Präsentation von Produkten im Internet. Erfolgreiches Digital Branding muss vielmehr sicherstellen, dass die wertebasierte, auf die Erhöhung des Kundennutzens ausgerichtete Marken-Positionierung und das damit verbundene "Brand Storytelling", über alle interaktiven Angebote und Touchpoints adäquat und das heißt markenstärkend umgesetzt werden, damit die Kundenloyalität nicht verloren geht.
Die Grundlagen der klassischen Markenführung müssen auch im Digital Branding bestehen bleiben.
Erfolgreiche starke Marken verfolgen auch im Zeitalter der Digitalisierung folgende Vertrauen bildende Prinzipien: Authentizität, Haltung, Konsistenz, Kundenzentrierung und Wiedererkennungswert. Schauen wir uns deshalb diese Prinzipien etwas näher an:
- Marken sollten glaubwürdig und damit authentisch sein, sonst ist es nicht möglich die Marke mit positiven Assoziationen aufzuladen und in den Köpfen der Stakeholder herausragend zu positionieren.
- Marken sagen wofür sie stehen, sie nehmen eine wertebasierte Haltung ein. Folgen ihrem eigenen Ideal und nicht dem Idealbild des Marktes.
- Marken sollten in ihren Aussagen konsistent sein, damit sie in unterschiedlichen Kontexten bei unterschiedlichen Menschen ähnliche Assoziationen auslösen.
- Marken konzentrieren sich auf ihre Kunden und erzeugen mit ihren Leistungen und Produkten emotionale Nutzenerlebnisse als Bindungsbasis.
- Marken besitzen einen hohen Wiedererkennungswert, denn eine starke Marke ist selbstähnlich, sie zeichnet sich durch einzigartige, besondere Merkmale aus, die fortlaufend reproduziert werden.
Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Digital Branding ist die Marke Airbnb. Die Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia boten in ihrer Wohnung Schlafplätze in Form von Luftmatratzen, inklusive Frühstück, an. Sie wollten damit ihre Miete aufbessern, doch sie erkannten sehr schnell, dass die dabei entstandenen Erlebnisse und Freundschaften weitaus wertvoller waren als nur Geld zu verdienen. Daraus entwickelte sich die Vision Menschen weltweit ein Zuhause zu geben, wenn sie unterwegs sind. Bei Airbnb geht es deshalb nicht einfach um das Organisieren einer Reise. Airbnb will vielmehr Menschen zusammenzubringen. Die Airbnb-Plattform wurde so zum Entwickler für neue Beziehungen von Menschen rund um die Welt. Und die Marke entwickelte sich rasant zu einer emotional aufgeladenen Beziehungsplattform, denn mit diesem Nutzenangebot traf Airbnb eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach sozialer Integration und Teilhabe. Die Bereitschaft der Gastgeber, ihre Gäste an ihrem Leben teilhaben zu lassen, eröffnete eine bis dahin unbekannte Art des Reisens. Will die Marke Airbnb weiterhin erfolgreich bleiben, muss sie diesen, von der Vision formulierten Nutzensinn, kontinuierlich erlebbar machen, denn geht dieser Sinn verloren, geht auch die Marke und damit die Kunden verloren.
Die Marke Airbnb eröffnet ihren Kunden durch die Vermittlung privater Wohnmöglichkeiten eine neue Art des Reisens. [Bildquelle: Airbnb]
Wie sieht es in der Praxis aus?
Leider stehen oftmals nicht die Bedürfnisse der Kunden im Mittelpunkt der digitalen Entwicklung, sondern der Treiber der digitalen Entwicklung ist die Technik, wie die McKinsey Studie "Die Marke machts" aus dem Jahr 2015 ergab. Das drückt sich auch im Digital Branding aus: Immer wieder neue Innovationen und digitale Instrumente sorgen für eine große Unsicherheit hinsichtlich des "richtigen Umgangs" mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in der Markenführung.
Weiterhin sind vor allem folgende Entwicklungen zu beobachten:
- Eher klassisch orientierte Unternehmen verwechseln "Digitale Markenführung" mit "digitalem Marketing". Sie managen ihre Marken noch in Form von einzelnen Marketing-Maßnahmen in unvernetzten digitalen Kanälen und nicht in ganzheitlichen – online und offline – vernetzten Erlebniswelten, die ein Nutzenversprechen fokussiert erlebbar machen.
- Viel zu schnell wird auch ein kohärentes Markenbild für die Bespielung einzelner Kanäle aufgegeben. Es ist zunehmend zu beobachten, dass Marken unterschiedliche Erscheinungsbilder wählen, damit ihre Einzigartigkeit verlieren und von den Anspruchsgruppen nicht mehr zuverlässig wahrgenommen werden.
- Die Mitarbeiter werden nicht ausreichend in die Markenführung integriert. Der Deutsche Markenmonitor, die größte Entscheider-Studie zur Markenführung in Deutschland, zeigt auf, dass in nur 54 Prozent der Unternehmen die Marken-Positionierung für die Mitarbeiter zugänglich ist. Und in einem Drittel aller Unternehmen hat die Marke mit ihrem Nutzenversprechen keinen Einfluss auf die Gestaltung von Produkten und Services.
Dadurch entstehen folgende Risiken:
- Hohe Marketingkosten,
- Verlust der Markenidentität,
- Kernwerte der Marke gehen verloren und ein
- schwammiges Image verunsichert die Kunden.
Dazu kommt, dass Unternehmen dazu neigen, in Produkteigenschaften, anstatt in Kundennutzen zu denken. Konsumenten kaufen aber keine Produkteigenschaften, sondern einen subjektiven Produktnutzen.
Dadurch entsteht das Risiko der Entstehung von "Burnout Brands", mit dem Ergebnis von Kundenverlust, Umsatzeinbußen und dem Verlust von Marktanteilen. In einem heute existierenden Polypol mit vielen Nachfragern und Anbietern sind solche Verluste jedoch nur schwer zu kompensieren.
Studie Meaningful Brands, Havas Group, 2017: 74 Prozent aller Marken und 60 Prozent des produzierten Brand Contents sind nicht relevant. Weltweit wurde die Studie in 33 Ländern durchgeführt und es wurden insgesamt 300.000 Menschen in 15 Branchen zu 1.500 Marken befragt. In Deutschland wurden 50.000 Interviews geführt und 124 Marken in 11 Branchen untersucht und bewertet.
Die Ursache liegt neben der Tatsache, dass viele Marken keinen Kundennutzen stiften, darin, dass ein professionelles Markenmanagement, insbesondere auf Unternehmensebene, immer noch Seltenheitswert hat und das Corporate Branding derzeit nicht als Teil der Unternehmensstrategie betrachtet wird.
Die Marke nutzenorientiert positionieren und agil führen
Die strategische nutzenorientierte Positionierung der Marke muss auch in digitalen Wettbewerbsumfeldern möglichst langfristig und auf die Steigerung der emotionalen Kauferlebnisse bei den Kunden ausgerichtet sein. Dabei muss jedoch die ganzheitliche Umsetzung deutlich agiler erfolgen als bisher.
Kauferlebnisse müssen verstärkt als Differenzierungsmerkmale eingesetzt, aus der Identität der Marke gesteuert und auf den Kundennutzen ausgerichtet werden. [Quelle: Customer Experience Report“, Voycer, 2019]
Das Beispiel AMAZON GO – Fokus auf den Kundennutzen
Der Versandhändler hat verstanden, dass eine erfolgreiche Markenführung nur ganzheitlich und nutzenorientiert zu realisieren ist. Deshalb ergänzt er seine Online-Präsenz durch stationäre Kaufpunkte unter der Marke "Amazon Go", die auf die Markennutzenwerte "Einfachheit & Schnelligkeit" positioniert ist.
Amazon macht das Einkaufen mit digitaler Technik einfach und schnell und steigert so den Kundennutzen. [Bildquelle: Amazon]
Welche Erfolgsfaktoren müssen im Digital Branding genutzt werden?
Digitale Markenführung stellt folgende Erfolgsfaktoren in den Fokus:
- Kommunikation des in der Marken-Identität abgelegten Kundennutzens in allen relevanten Online-Kanälen.
- Ganzheitliche Vernetzung der markenadäquaten Offline- und Online Kanäle – Omnichannel-Management.
- Agil sein in markenadäquaten Kanälen.
- Fehlertoleranz niedrig halten, da aus Fehlern direkte Rückmeldungen entstehen.
- Zuhören, die Rückmeldungen der Kunden ernst nehmen.
- Dialogorientierung, Dialog statt Monolog.
- Vertrauen, denn wer nicht bereit ist, seinen eigenen Mitarbeitern und seinen Dienstleistern zu vertrauen, wird es nicht schaffen, seine Marke digital relevant zu gestalten.
Welche Faktoren zeichnen eine starke Online-Marke aus?
Die digitale Markenführung sollte folgende Erkenntnisse berücksichtigen:
- Marken-Besuche: Die Marken-Autorität wird vor allem durch die Markensuche beeinflusst. Je mehr die Marke online direkt besucht wird, umso höher ist ihre Autorität im Web. Die Voraussetzung für ein erhöhtes Suchvolumen ist das Resultat einer hohen Markenbekanntheit und Sinnstiftung durch die Kommunikation des Kundennutzens. Diese können durch die Kanalisierung der Aufmerksamkeit auf das Onlineangebot der Marke durch Werbekampagnen via TV, Social Media oder Content Marketing erzeugt werden und sich mittelfristig aus der eigenen Motivation der Kunden entwickeln. Damit sind folgende Vorteile verbunden: Die Markenbesuche sind nicht gekauft und weisen damit einen hohen ROI aus. Außerdem entstehen hohe SEO-Effekte, da die Suchmaschinen die Marken-Homepage einem spezifischen Themen-Segment als Autorität zu ordnet und im Ranking anhebt. Und durch die optimale Konvertierung des Branding entsteht ein messbarer Effekt für die Erhöhung des Unternehmenswertes.
- Marken-Interaktion: Ziel ist es die Marke zu emotionalisieren, um so direkt Einfluss auf die Steigerung der Abverkäufe zu nehmen. Dabei spielen positive Kommentare, Shares oder Likes der Community gegenüber der Marke und ihrer Inhalte eine große Rolle. Andererseits dienen diese zur Multiplikation der Follower, denn je größer die Community, desto höher die Vermögenswerte der Marke. Die Erzeugung einer bedürfnisorientierten Interaktion erhöht zudem die Reichweite durch "Earned Media" (Verdiente oder freie Medien, die durch andere Werbemaßnahmen als durch bezahlte Medienwerbung gewonnen werden) und fördert das Vertrauen der Zielgruppe in die Produkte der Marke.
- Marken-Loyalität: Der Fokus liegt hier auf markenadäquaten Nutzern, welche die Markenprodukte aus einem Nutzenmotiv und daraus hergeleiteter emotionaler Bindung und nicht über den Preis kaufen. Diese Nutzer sind bei ihrer Suche bei Google auch eher gewillt auf die Suchergebnisse einer Marke zu klicken, auch wenn diese keine Top-Platzierung erzielt. Außerdem interagieren diese Nutzer im Social Media schneller mit Postings einer Marke, selbst wenn diese inhaltlich keine unmittelbaren Bedürfnisse der Nutzer ansprechen. Im Endeffekt steigt durch den Marken-Loyalitätseffekt auch der Wirkungsgrad der eingesetzten Werbeformen, denn die Aussage der Marke wird mit einer erhöhten, Vertrauen bildenden, Autorität verbunden.
Sind Sie bereit für ein erfolgreiches "Digital Branding"?
Haben Sie eine klare strategische Basis?
- Verfügen Sie über eine ausgearbeitete Markenstrategie, in der die Identität und Positionierung Ihrer Marke mit einem zentralen Nutzenversprechen festgeschrieben ist?
- Wird das Nutzenversprechen Ihrer Marke in relevante Angebote und Services übersetzt?
- Kennen Ihre Mitarbeiter und Dienstleister das Nutzenversprechen Ihrer Marke?
Ist Ihre interne Leistungskultur für die Digitalisierung bereit?
- Bestehen Leitlinien für die Gestaltung der Markenidentität für die Mitarbeiter in deren Leistungsbereich?
- Haben Sie schon Maßnahmen ergriffen oder bereits umgesetzt, welche Ihre Leistungskultur auf die Digitalisierung vorbereitet?
- Besteht in Ihrem Unternehmen noch das "Silo-Denken", wo jeder Unternehmensbereich für sich denkt und agiert?
Wie reagieren Sie auf die Veränderungen des Kundenverhaltens?
- Haben Sie Ihre Markenkommunikation dem veränderten Kundenverhalten im Rahmen der Digitalisierung angepasst?
- Bieten Sie Ihren Kunden offene Interaktions- und Dialogmöglichkeiten?
- Reagieren Sie zeitnah auf Kunden-Feedback?
Wie managen Sie Ihre Kontaktpunkte?
- Entsprechen Ihre Online-Kanäle den Anforderungen an eine höhere User Experience, wie Einfachheit, Übersichtlichkeit und Schnelligkeit in der Vermittlung Ihrer Leistungen?
- Entsprechen die einzelnen Kontaktpunkte in Content und Gestaltung der Wertehaltung und dem Stil Ihrer Marke?
- Kommunizieren Sie in allen Kontaktpunkten fokussiert den Kundennutzen?
Wie gestalten Sie Ihr Marken-Controlling?
- Haben Sie einen Prozess zur proaktiven Vermeidung von Marken-Risiken durchlaufen?
- Verfügen Sie über Instrumente mit Parametern zur Evaluierung von Risiken, die zu einem Kundenverlust führen können?
- Verfolgen Sie Trends im Rahmen der Digitalisierung und bewerten diese nach Relevanz für Ihre Marke?
Sollten Sie die meisten der Fragen positiv beantwortet haben, steht einem erfolgreichen "Digital Branding" nichts mehr im Wege.
Zum Autor:
Wolfgang Schiller ist weltweit der führende Experte auf dem Gebiet des Brand Risk Managements. Er hat zuverlässige Prozesse und effiziente Tools entwickelt, wie man Marken proaktiv vor Risiken schützt und damit den Verlust von Kunden rechtzeitig vermeidet.