RiskNET Kolumne November 2010

Risiko aus Business Cases und Projekten – Wie sag ich's meinem Vorstand…?


Risiko aus Business Cases und Projekten – Wie sag ich's meinem Vorstand…? News

"Business Cases" und "Projektkalkulationen" kommen eine entscheidende Rolle für den Projekterfolg zu, wie der unten abgebildete Projektlebensweg zeigt (Abbildung 1): Sie sind die Basis für die Entscheidung für oder gegen das Vorhaben und "schlagen die Pflöcke ein" für alle weiteren Planungs- und Umsetzungsschritte. Die spätere Erfolgsbeurteilung hinsichtlich Budget, Zeit und oft auch Ergebnis fußt ebenfalls darauf.

Projekte sind nun aber zumeist unsicher und risikobehaftet.  Das Risiko eines Projekts oder Business Cases besteht darin, die kalkulierten Kosten, geplanten Zeiten und angestrebten Ergebnisse – in Form von Mittelrückflüssen sowie neuen oder zu erhaltenden Handlungsmöglichkeiten – nicht einzuhalten (vgl. Ihde, T. (2010)).

In der Praxis hält inzwischen vermehrt das Bewusstsein Einzug, dass die Projektkalkulation bzw. Business Cases das entsprechende Risiko berücksichtigen und ausweisen sollten. Gefragt sind also Methodik und Reporting. Methodik und Reporting hängen beim Thema Risiko ein gutes Stück weit miteinander zusammen – allerdings nicht unzertrennbar. Der Zusammenhang von Risiko-Methode und Risiko-Reporting ist dabei einfach: Mit einem "lahmen Ackergaul" als Methode lässt sich die Darstellung nicht auf "Rennpferdniveau" bringen. Mit einer "Rennpferdmethode" hingegen ist ein systematisches Weglassen oder Verdichten von Informationen bis hin zur gewünschten, entscheidergerechten Darstellung stets möglich. Eine schlichte Darstellung kann demnach auch auf einer sachgerechten Methode fußen.

Abbildung 1: Projektlebensweg (Quelle: Ihde, T./Ihde, F. (2007))
Abbildung 1: Projektlebensweg (Quelle: Ihde, T./Ihde, F. (2007))


Zäumen wir also das Pferd von der Darstellung her auf: Wie stelle ich meinem Entscheiderkreis das Risiko einer Projektkalkulation oder eines Business Cases so dar, dass er es versteht und dass er es als fundiert und hilfreich akzeptiert?

Meine knappe Antwort: Nutzen Sie die hier vorgestellte Darstellung der "Risk-Ramp" für den Ausweis des Risikos aus Ihren Projekten und Business Cases. Die Risk-Ramp wurde von uns im Rahmen von Beratungsprojekten entwickelt und hat sich inzwischen bei zahlreichen Kunden erfolgreich etabliert. 
Die Gründe für Akzeptanz und Erfolg der Risk-Ramp liegen im Wesentlichen darin, dass die sonst gebräuchlichen Ansätze entweder "zu platt" oder aber "zu kompliziert" und im Allgemeinen nicht handlungsorientiert sind.  Bei der Risk-Ramp ist dies anders.

Um Ihnen meine Begrifflichkeit von "zu platt" und "zu kompliziert" verständlich zu machen: "zu platt" heißt "so einfach, dass es wenig für die Entscheidungsfindung beiträgt". "Zu kompliziert" bedeutet, dass Sehen und Verstehen des Reports durch den Entscheider zeitlich so lang auseinander fallen, dass ihm  auffällt, dass es zwei verschiedene und nicht zwangsläufig simultane Prozesse sind. Meiner Erfahrung nach sollten nicht länger als 10 bis 15 Sekunden vergehen bis zum ungefähren Verstehen – auch meiner Akquise-Erfahrung nach.

Beginnen wir mit einem kurzen Streifzug durch gebräuchliche Risiko-Darstellungen und kommen dann zur Risk-Ramp.

Gebräuchliche Risiko-Darstellungen: häufig "zu platt" oder "zu kompliziert"

In der Praxis sind qualitative Darstellungsformen (beispielsweise Risikoliste, Risikoampel, Risk Map) klassische "Worst-Case", "Best Case",  "Real Case" Szenarien und manchmal auch S-Kurven gebräuchlich, um das Risiko eines Projekts oder eines Business Cases abzuschätzen.

Qualitative Darstellungsformen: Und was ist mit der Planung?

Bei den qualitativen Darstellungen werden vorhandene Risikoereignisse (Einzelrisiken) eines Vorhabens verbal beschrieben oder beispielsweise mittels Risikoampeln, Risk Maps o. ä. visualisiert (siehe Abbildung). Eine Risikoampel unterteilt das Risiko beispielsweise in die drei Bereiche "geringes Risiko" (grün), "mittleres Risiko" (gelb) und "hohes Risiko" (rot). In einer Risk Map wird der erwartete negative Einfluss von Einzelrisiken ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten gegenübergestellt (siehe Abbildung). Auf der Basis dieser beiden Parameter können diese Einzelrisiken in mehrere Kategorien eingeteilt und etwas differenzierter beurteilt werden.
 
 Abbildung 2: Verschiedene qualitative Darstellungen

Abbildung 2: Verschiedene qualitative Darstellungen


Diese qualitativen Darstellungen sind zwar wenig erklärungsbedürftig, greifen in der Regel aber zu kurz. Es ist dem Entscheider überlassen, sich selbst anhand der aufgelisteten Risiken und der dazu aufgestellten Planrechnung ein "risikoadjustiertes" Gesamtbild zu machen. Eine integrierte bzw. aggregierte Sicht wird durch die Darstellungen nicht gegeben, und zum Teil fehlt der Bezug zu Ziel- bzw. Entscheidungsgrößen des Projektes, wie Projektkosten, Return, Amortisationsdauer, Barwert o. a.. Dem Entscheider fehlt damit eine wirkliche Hilfe zur Einschätzung des "Ambitionsniveaus" der Planzahlen. Risikoadjustierte Vergleiche von Vorhaben sind auf dieser Basis schwierig, ebenso die Ableitung eines angemessenen Risikobudgets. Die Aggregation von Projektrisiko aus mehreren Vorhaben ist nicht möglich.

Neben der Tatsache, dass in diesen qualitativen Ansätzen nur auf Risikoereignisse abgestellt wird, also nur auf eine der Ursachen für das Gesamtrisiko (vgl. Abbildung 3), und Schwankungen wichtiger Größen nicht berücksichtigt werden, gibt es zahlreiche weitere Schwächen der zugrunde liegenden Methodiken. Demzufolge werden sie auch als weich wahrgenommen und bieten nach Einschätzung der meisten Kunden keine wirkliche diskutierbare Grundlage. Insgesamt bleiben Planung und Risiko mit dieser Art der Risikobetrachtung Parallelwelten ohne Verzahnung.
 
Abbildung 3: Ursachen für Risiko in der Kalkulation 
Abbildung 3: Ursachen für Risiko in der Kalkulation


Klassische Szenario-Darstellung "Best" – "Worst" – "Real" Case: Nur eine Fingerübung

Als einfaches Beispiel sei ein Projekt mit drei Arbeitspaketen A, B und C betrachtet. Es sei bekannt, dass die Kosten für jedes einzelne der Arbeitspakete zwischen 90 und 120 TEUR betragen, am wahrscheinlichsten werden jeweils 100 TEUR gehalten. Es werden damit die drei klassischen Szenarien „Best Case“, „Worst Case“, „Real Case“ berechnet (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Einfaches Beispiel für die drei klassischen Szenarien auf Basis dreier gleicher Arbeitspakete 

Abbildung 4: Einfaches Beispiel für die drei klassischen Szenarien auf Basis dreier gleicher Arbeitspakete


Wie hilfreich finden Sie diese drei Szenarien im Hinblick auf das Projektrisiko und die Entscheidungsfindung?

Verständlich ist die Darstellung. Einen Bezug zu den Entscheidungsgrößen hat sie auch. Das Risiko und das Ambitionsniveau der eigenen Planung hingegen lassen sich mittels der drei Szenarien nur sehr bedingt ablesen, denn die Relevanz der ausgewählten Szenarien ist fraglich: Warum gerade diese Szenarien? Wie sehen die inhaltlichen Annahmen hinter den Szenarien aus? Ist der "Real" Case wirklich wahrscheinlicher als die übrigen Fälle? Hierzu der O-Ton eines Kunden im Vorgespräch: "Unseren Real Case haben wir nie erreicht. Dafür war unser Worst Case immer das, was später eingetreten ist. – Äh, nein, stimmt gar nicht – manchmal war der Worst Case auch besser als das, was später eingetreten ist."

Erfahrungsgemäß liegt den Szenarien keine sachgerechte Analyse zugrunde, sondern Zahlen werden rein mechanisch verändert: keine Kopf-, sondern eher eine Fingerübung. Die Methode genießt in der Praxis demzufolge kein hohes Ansehen – zu Recht, wie auch die internationale Projekt- und Business Case Studie 2009 zeigt: Tatsächlich weist die klassische  Betrachtung von "Best Case" – "Worst Case" – "Real Case" die schlechteste Plantreue auf.

"S-Kurven": Zu kompliziert

Eine S-Kurve zeigt die Verteilung einer projektrelevanten Größe wie zum Beispiel der Projektkosten.  Das heißt, die Kurve zeigt die prozentuale Häufigkeit bestimmter Ergebnisbereiche – anders ausgedrückt: die "Wahrscheinlichkeit" bestimmter Ergebnisbereiche. Die notwendigen Daten stammen dabei aus einer Monte-Carlo-Simulation, bei der auf Basis der Bandbreiten, Einzelrisiken und Abhängigkeiten viele verschiedene Szenarien erzeugt und für diese dann die Projektkalkulation durchgeführt werden.

Abbildung 5: Beispielhafte Verteilungskurve ( 
Abbildung 5: Beispielhafte Verteilungskurve ("S-Kurve") für Projektkosten

Aus der Beispiel-Abbildung 5 lässt sich somit u.a. ablesen, dass die geplanten Projektkosten in Höhe von 300 Tsd. Euro mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 17% eingehalten werden, während zum Beispiel der Wert von 325 Tsd. Euro recht sicher unterschritten wird, nämlich mit einer Wahrscheinlichkeit von 90%.
Schauen wir auf die Vor- und Nachteile der S-Kurven. Es wird der Bezug zu den Entscheidungsgrößen hergestellt und den Entscheidern eine Beurteilung des Ambitionsniveaus ermöglicht. So weit, so gut. Problematisch ist allerdings die hohe Erklärungsbedürftigkeit, die in der Praxis oft besteht, und dass sie bei den meisten Entscheidern auf Widerstand stößt. Sie wirkt auf diese häufig akademisch-theoretisch und kompliziert, und regelmäßig wird die Frage nach dem Nutzen und dem "so-what" gestellt. Die zugrunde liegende Methode der Monte-Carlo-Simulation wird dabei gern als Spezialisten-Methode angesehen – ein Eindruck, den die Simulationswerkzeuge mit akademischem Hintergrund oft erwecken oder verstärken, weil in ihnen Verständnis für Prozesse und praktische Belange fehlen. Bedauerlicherweise. Denn richtig angepackt muss das nicht so sein. Und darüber hinaus wird dieser Eindruck der Monte-Carlo-Simulation nicht gerecht: Sie ist eine saubere, fundierte, und eigentlich einfache Methodik, die die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Risikoereignissen, Schwankungen und Abhängigkeiten bietet und auch zur Aggregation mehrerer Vorhaben.

Risk-Ramp: Einfach aussagekräftig

Bei einer Risk-Ramp handelt es sich um eine von uns entwickelte Darstellung, die folgendes zeigt:

  • Den Planwert einer Entscheidungsgröße
  • Die Wahrscheinlichkeit, den Planwert zu erreichen (alternative Formulierung: in wie viel simulierten Szenarien der Planwert erreicht wurde)
  • Die "Bottom-line", also das schlechteste Ergebnis, das aber relativ verlässlich, also mit einer festgelegten hohen Wahrscheinlichkeit erreicht wird – zum Beispiel das Ergebnis, das in 90% aller Szenarien erreicht wird (Perzentil)
  • Das Risiko des Projekts, definiert als "Planwert minus Bottom-line-Ergebnis"


Die Risk-Ramp zeigt damit auf einfache Weise ein aussagekräftiges Profil des Projekts: Sie gibt Aufschluss über das Ambitionsniveau der Planung und liefert Implikationen für die Bildung eines Risikobudgets. Beides lässt sich in der Planung entsprechend nutzen.

Abbildung 6 zeigt zwei Varianten einfacher Risk-Ramps, die wir mit einer einfach handhabbaren Software auf Monte-Carlo-Basis erzeugt haben. Sie entsprechen derzeit im Einsatz befindlichen Darstellungen. Den hier abgebildeten Risk-Ramps ist eine Bottom-line zugrunde gelegt, die in 90%  aller simulierten Szenarien erreicht wird.

Abbildung 6: Einfache Risk-Ramps, beschränkt auf wesentliche Informationen 
Abbildung 6: Einfache Risk-Ramps, beschränkt auf wesentliche Informationen

Die Abbildung  7 zeigt Beispiele erweiterter, ebenfalls im Einsatz befindlichen Risk-Ramps. Neben dem Planwert, seiner Wahrscheinlichkeit, der Bottom-line und dem Risiko sind nun auch noch die Ergebnisse eingetragen, die in 10% bzw. 50%  der Szenarien erreicht wurden. Mancherorts wird diese Information zur besseren Einschätzung des Ambitionsniveaus herangezogen.

Abbildung 7: Erweiterte Risk-Ramps mit zusätzlichen Wahrscheinlichkeiten 
Abbildung 7: Erweiterte Risk-Ramps mit zusätzlichen Wahrscheinlichkeiten
Abbildung 7: Erweiterte Risk-Ramps mit zusätzlichen Wahrscheinlichkeiten

Da die Risk-Ramps auf gebräuchlichen Darstellungen wie Balkendiagrammen, Wasserfällen oder Treppen sowie Ampeln basieren, sind Verständlichkeit und Akzeptanz schnell vorhanden. Verbinden Sie die Risk-Ramp noch mit einem Top-Down-Report über die Stellhebel der Projektkalkulation bzw. des Business Cases sowie Risikoereignisse, Maßnahmen und Abhängigkeiten, ergänzt um relevante qualitative Risikobeschreibungen, so verfügen Sie über das fundierte Instrumentarium derzeitiger Risk-Ramp-Nutzer und die aktuelle Best-Practice in diesem Bereich. Und können einen weiteren Schritt zur Verzahnung der Parallelwelten von Planung und Risiko bzw. Controlling und Umsetzung machen.
Fragen? Nehmen Sie gern Kontakt auf.

Auf Anfrage unter www.drihdeundpartner.de oder www.trisolutions.de schicken wir Ihnen gern kostenlos eine Unterlage mit ein paar kleinen Tipps zum Aufbau empfänger-orientierter Risikodarstellung, ebenso die komplette Projekt und Business Case Studie 2009.

 

Dr. Tobias IhdeAutor: Dr. Tobias Ihde

Dr. Ihde und Partner Unternehmensberater
TriSolutions GmbH
MOTI Risikomanagement GmbH

Inhaltliche Schwerpunkte seiner Arbeit bilden die Bewertung, Steuerung und Risikobeurteilung von Projekten und Business Cases auf Ebene des Einzelvorhabens, des Projektportfolios und auf der Ebene der Gesamtunternehmensplanung sowie klassische Risikomanagement-Projekte in Treasury und Risikocontrolling. 
Vor seiner aktuellen Tätigkeit war Tobias Ihde bei DaimlerChrysler und der Managementberatung Droege & Comp. tätig.

 

Literatur des Autors zum Thema:

Ihde, T.: Business Cases und Projekte: Für Transparenz und Sicherheit sorgen,

www.risknet.de/wissen/risknet-kolumne/2010/oktober-2010/

Ihde, T.: Stresstests für Projekte, in: Gruber, W./ Martin, M./ Wehn, C. (Hrsg.): Szenarioanalysen und Stresstests in der Bank- und Versicherungspraxis, Stuttgart 2010.

Ihde, T./ Stoll, K./ Ihde, F.: Projektaudit. Erfolgsfaktor Risikobeurteilung – Internationale Projekt und Business Case Studie 2009 (Auszüge), in: Compliance, Risk, and Audit (11/2009), S. 35-41.

Internationale Projekt und Business Case Studie 2009 (Komplett), www.drihdeundpartner.de

Ihde, Tobias; Ihde, Florian: Projektrisiken prüfen und verhindern durch IT-gestützte begleitende Prüfung, in Foerschler, D. (Hrsg.): Innovative Prüfungstechniken und Revisionsvorgehensweise, Frankfurt a.M. 2007.


Weitere Quelle:

Romeike, F.: Der Prozess des strategischen und operativen Risikomanagements. In: Erfolgsfaktor Risiko-Management - Chance für Industrie und Handel - Methoden, Beispiele, Checklisten, hrsgg. von F. Romeike; R. B. Finke, Wiesbaden 2003, S. 147-161

 

[Bildquelle oben: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Panzerknacker /16.11.2010 23:52
Der Beitrag trifft den Nagel auf den Kopf... die Frage ist nur: Will ein Vorstand das überhaupt hören???
Jo /19.11.2010 22:15
Hängt wohl vom Vorstand ab ...
Andrea /22.11.2010 11:03
Gute RiskNET-Kolumne! Gebe Panzerknacker Recht ... trifft den Nagel auf den Kopf! Sollten vor allem Vorstände lesen!
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