Der Verbraucherpreisauftrieb im Euroraum hat sich im November weiter verlangsamt. Nach Angaben von Eurostat lagen die Lebenshaltungskosten nur noch um 0,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Volkswirte glauben, dass die Inflation wegen des fallenden Ölpreises in den nächsten Monaten bis auch Null fallen könnte. Was die Verbraucher freut, wird für die Europäische Zentralbank (EZB) langsam zum Alptraum.
Die Inflationsentwicklung im November entsprach den Erwartungen: Die Teuerung ging von 0,4 auf 0,3 Prozent zurück, was vor allem am niedrigen Ölpreis lag. Der ist seit Juni um 25 Prozent gefallen, was für sich genommen schon ein kleines Konjunkturprogramm darstellt. Nach Berechnung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer entlastet er die Importrechnung des Euroraums um einen Betrag, der 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. "Das wirkt ähnlich wie eine Lohnerhöhung um 0,8 Prozent", sagt Krämer.
Und das dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Nachdem die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) signalisierte, dass sie den Preisrückgängen nicht mit einer Kürzung des Angebot zu begegnen gedenkt, setzte sich der Preisrückgang beschleunigt fort. Seit Donnerstagnachmittag gaben die Ölpreise noch mal um sechs Prozent nach.
Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil erwartet, dass die Inflationsrate im Dezember auf 0,1 Prozent und im Januar die Null-Linie erreichen wird. Das ist schön für die meisten Unternehmen und Konsumenten, aber ein Problem für die EZB, wie Weil erläutert: "Für Anleger und Analysten könnte dies das Signal sein, ihre mittelfristigen Inflationserwartungen weiter nach unten zu korrigieren; für die EZB ein weiteres Argument, wie von uns erwartet ein Staatsanleihenkaufprogramm zu starten."
UniCredit-Ökonom Marco Valli will nicht ausschließen, dass schon im nächsten Monat Nullinflation herrscht. "Wenn sich die Ölpreise nicht etwas erholen, dann könnte die Inflation Anfang 2015 sogar negativ werden", prognostiziert er. Valli erwartet denn auch, dass EZB-Präsident Mario Draghi am 4. Dezember zusätzliche Wertpapierkäufe für Anfang 2015 signalisieren wird. Allerdings glaubt Valli, dass die EZB dann zunächst Unternehmensanleihen kaufen wird. "Staatsanleihekäufe bleiben ein Risikoszenario mit 30 bis 40 Prozent Wahrscheinlichkeit", meint er.
Die Spekulationen, dass die EZB bereits in der nächsten Woche Staatsanleihekäufe ankündigen wird, haben seit vergangenen Freitag deutlich zugenommen. EZB-Präsident Draghi hatte bei einem Kongress in Frankfurt gesagt: "Wir werden tun, was notwendig ist, um Inflation und Inflationserwartungen schnellstmöglich anzuheben, wie das unser Preisstabilitätsmandat von uns verlangt." Die kurzfristigen Inflationserwartungen bezeichnete Draghi als "extrem niedrig.
Die meisten Volkswirte halten Staatsanleihekäufe zum jetzigen Zeitpunkt aber für eher unwahrscheinlich. Die Nordea-Volkswirte Holger Sandte und Jan von Gerich meinen: "Die Zeit ist noch nicht reif für QE." Allerdings erwarten sie, dass Draghi am Donnerstag den Ankauf von Unternehmensanleihen und eventuell auch von Anleihen staatlicher Agenturen und supranationaler Organisationen ankündigen wird.
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Das war's dann wohl mit dem erhofften Anziehen der Inflation in der Eurozone zum Jahresende. Fallende Energiepreise machen alle Hoffnungen zunichte - selbst wenn man den Einbruch der Ölpreise seit Donnerstag außen vor lässt. Schon im November lag die Inflation in der Eurozone lediglich bei 0,3 Prozent, und es scheint fast gesichert, dass sie in der näheren Zukunft weiter sinken wird.
Naturgemäß steigen damit die Erwartungen, dass die Europäische Zentralbank ihre Wertpapierkäufe ausdehnen wird. Vizepräsident Vitor Constancio erklärte diese Woche, dass die EZB schon im ersten Quartal 2015 auch den Kauf von Staatsanleihen in Betracht ziehen könnte.
Allerdings war die Inflation abseits der Energiepreise in den vergangenen sechs Monaten überwiegend stabil, zumindest im Vergleich zu den kräftigeren Rückgängen in den Jahren 2012 und 2013. Die Kerninflation, bei dessen Berechnung die Preise für Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert werden, lag im November mit 0,7 Prozent nur knapp unter ihrem Sechsmonatsdurchschnitt von 0,8 Prozent.
Das gleiche gilt für die Preisentwicklung von Dienstleistungen: Hier ging es im November um 1,1 Prozent nach oben, der Sechsmonatsdurchschnitt beträgt hier 1,2 Prozent. Und die Preise von Industriegütern bewegten sich zuletzt nicht, während sie Sechsmonatsdurchschnitt 0,1 Prozent zulegten.
Die EZB muss sich weiter um Inflation und Inflationserwartungen sorgen. Die niedrigeren Ölpreise bergen das Risiko, dass das breite Inflationsmaß kurzfristig auf Null oder darunter fällt. Allerdings hat sich der Konjunkturausblick für die Eurozone wegen des billigeren Nordseeöls - der Preis für die Sorte Brent ist in diesem Jahr um 27 Prozent gefallen - aufgehellt. Das gilt umso mehr, wenn man einen Zusammenhang mit dem gebesserten Indikatoren für Geschäftsklima und Verbrauchervertrauen sowie den nachlassenden Kreditbeschränkungen herstellt.
Auch die Erwartungen scheinen von den Ölpreisen dominiert zu werden. Der sogenannte 5-Jahre/5-Jahre-Inflations-Swap - ein Maß für die langfristigen Erwartungen, den die EZB genau beobachtet - ist im Gleichschritt mit dem Ölpreis gefallen, merken die Analysten der RBS an.
Das wirft die Frage auf, was passieren würde, wenn sich die Ölpreise erhöhen - und sei es vergleichsweise moderat. Wenn die Inflationserwartungen vor allem durch den Ölpreis getrieben sind, was sowohl für die Verbraucher als auch die Märkte zutreffen könnte, weil häufig gekaufte Güter wie Treibstoff einen größeren Einfluss auf die gefühlte Inflation haben, könnte eine Erholung das Bild in der Eurozone schnell ändern.
Höhere Ölpreise mögen im Moment abwegig erscheinen. Das versetzt die EZB in eine Situation, in der die disinflationäre Wirkung der Ölpreise den stimulierenden Effekten für das Wachstum entgegensteht. Letztlich könnte das Öl die EZB doch in Richtung der Staatsanleihekäufe drängen, die sie so offensichtlich zu vermeiden sucht.