Laut einer Analyse der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) erwarten die meisten internationalen Konzerne zwar eine lange und tief gehende Rezession, unterschätzen dabei allerdings die Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Daher liefen sie Gefahr, nicht schnell genug mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern. Wie die Umfrage unter rund 450 Konzernen aus sieben großen Wirtschaftsnationen (darunter auch Deutschland und die USA) zeigt, plante die Mehrheit (62 Prozent) der Unternehmen noch im März mit Wachstumserwartungen, die über der Januarprognose des Internationalen Währungsfonds lagen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich viele Unternehmen offenbar an der Entwicklung des eigenen Geschäfts in der Vergangenheit verlassen würden und externe Prognosen vernachlässigen würden. So haben in der Umfrage Unternehmen, die 2008 noch ein moderates Umsatzwachstum verzeichneten, viermal so häufig einen Anstieg des nationalen BIP für 2009 vorausgesagt wie Konzerne mit Umsatzrückgängen im letzen Jahr.
Deutsche Unternehmen sind vergleichsweise optimistisch
Mit einer wirtschaftlichen Erholung spätestens im ersten Halbjahr 2010 rechnen 58 Prozent der befragten deutschen Unternehmen. Lediglich die US-Amerikaner sind mit einem entsprechenden Anteil von 68 Prozent noch optimistischer, während in Spanien, Frankreich und Italien weniger als die Hälfte der Unternehmen vor dem zweiten Halbjahr 2010 eine Verbesserung erwartet. Eine konjunkturelle Erholung erst im Jahr 2011 oder noch später sehen immerhin 26 Prozent der japanischen Unternehmen.
Diese unterschiedlichen Einschätzungen mögen nach Ansicht der BCG mit dem Vertrauen in die staatlichen Konjunkturpakete der jeweiligen Länder zusammenhängen: In Deutschland und den USA geht eine deutliche Mehrheit von 63 bzw. 69 Prozent von einer teilweisen oder deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dank der staatlichen Maßnahmen aus. Dagegen bewerten 83 Prozent der spanischen und 71 Prozent der japanischen Unternehmen die Konjunkturimpulse ihrer Regierungen kritisch.
Gefahr von Protektionismus steigt
Beim Thema Protektionismus unterscheidet sich die Einschätzung der Unternehmen ebenfalls deutlich. Nur rund 40 Prozent der Befragten in Deutschland und Japan rechnen mit einem verstärktem Protektionismus aufgrund der Wirtschaftskrise. Unternehmen aus Ländern mit langjährigen Handelsdefiziten wie die USA oder Frankreich erwarten mit 71 bzw. 72 Prozent dagegen mehrheitlich zunehmende Handelshemmnisse. Den Analysen der BCG zufolge würde ein verstärkter Protektionismus die deutsche Fahrzeug- und Metallindustrie am stärksten gefährden. Direkte und indirekte protektionistische Maßnahmen wird vor allem bei standardisierten Gütern erwartet. Aktuelle Beispiele sind die gestiegenen Importzölle für Stahl in Indien oder Argentinien und die Erhöhung der Einfuhrzölle auf Automobile in Russland.
Die Mehrheit der Defizitländer erwartet zudem auch nach der Rezession einen nachhaltig geringeren Welthandel. So sehen 70 Prozent der französischen und 58 Prozent der US-Unternehmen die Gefahr eines bedeutsamen Rückgangs des Welthandels, während dies in Deutschland nur 51 Prozent und in Japan lediglich 41 Prozent für wahrscheinlich halten. Eine solche Entwicklung würde die exportabhängige deutsche Wirtschaft dauerhaft belasten.
In der Krise setzen 47 Prozent der Unternehmen vor allem auf kurzfristig realisierbare Einsparungen bei laufenden Ausgaben und Personalkosten. Maßnahmen zur Sicherung der Umsätze, beispielsweise durch Rabatte und Incentives, haben 41 Prozent der Befragten ergriffen. Angesichts erschwerter Finanzierungsbedingungen bemühen sich viele Unternehmen (33 Prozent) außerdem, die Mittelbindung im Umlaufvermögen zu verringern. Fusionen und Übernahmen oder den Verkauf von Unternehmensteilen plant aktuell nur eine Minderheit (17 Prozent) der befragten Unternehmen.
Marktführer zeigen sich weniger anfällig
Branchenführer sind der Studie zufolge tendenziell weniger stark von der Krise betroffen, handeln aber trotzdem entschlossener als ihre Konkurrenten: So verfolgen beispielsweise 58 Prozent der Marktführer systematisch die Entwicklung der wirtschaftlichen Gesamtlage. Im Marktdurchschnitt tut dies nur ein knappes Drittel aller Unternehmen. Zu den Erfolgsrezepten der Marktführer gehört darüber hinaus eine quartalsweise Überprüfung von Budgets und Plänen.
Obwohl die Mehrheit (55 Prozent) der Konzerne erwartet, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, kürzen 34 Prozent ihre F&E-Budgets. Auch in diesem Bereich agieren die Markführer langfristiger: Sie nutzen die Krise, um die Kostenbasis dauerhaft zu senken, aber gleichzeitig antizyklisch in Marketing und Innovationen zu investieren. Erfolgreiche Unternehmen meiden zudem pauschale Kürzungen und prüfen regelmäßiger, ob der Personal- oder Kapazitätsabbau von gezielten Investitionen oder Kapazitätsaufbau in anderen Geschäftsfeldern begleitet werden sollte.
Kommentare zu diesem Beitrag
Allerdings müsste derjenige der den Freihandel propagiert auch ohne Rettungsschirme und Staatsgelder auskommen. Die beiden Dinge passen nicht zusammen! Warum sollte der US-Steuerzahler für die HRE bürgen? Warum sollten die europäischen Steuerzahler für den maroden GM-Konzern bluten. Eigentlich ist es folgerichtig, dass jedes Land in der Krise zunächst an sich selbst denkt und erst viel, viel später an die anderen ...