Ein Gespenst geht um an den Devisenmärkten. Könnte es sein, dass der US-Dollar zu stark geworden ist? Dass er am Ende die Welt in einen Abwertungswettlauf drängt? Letzter Anlass zu solchen Befürchtungen war die überraschende Entscheidung der chinesischen Regierung in der vergangenen Woche, ihre Währung abzuwerten. Das hatte viele kalt erwischt.
Tatsache ist, dass der US-Dollar derzeit ungewöhnlich fest ist. Keine der größeren Währungen hat sich in den letzten Monaten mehr aufgewertet als er. Die Grafik zeigt, dass die amerikanische Währung handelsgewichtet seit Mitte letzten Jahres um 20 Prozent an Wert gewonnen hat. Ursache ist die Kehrtwende der Geldpolitik. Die USA haben ihr Ankaufsprogramm für Wertpapiere auslaufen lassen. In diesem Jahr wollen sie die Zinsen erhöhen. Das führt in den Vereinigten Staaten zu Kapitalzuflüssen und treibt die Nachfrage nach Dollar nach oben.
Der Dollar schießt nach oben: Handelsgewichtete Wechselkurse, Ende 2013 = 100 [Quelle: FRED, Bundesbank]
Eine Dollarstärke in diesem Ausmaß ist selten. So etwas hat es seit dem zweiten Weltkrieg nur zwei Mal gegeben: Einmal Mitte der Achtziger Jahre und einmal kurz nach der Jahrtausendwende. Jedes Mal war es mit erheblichen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen verbunden. Im Plaza-Abkommen 1985 vereinbarten die großen Industrieländer konzertierte Interventionen an den Märkten. Auf der Prager IWF-Konferenz 2001 reichte die Drohung mit solchen Eingriffen, um die Stimmung zu beruhigen. In beiden Fällen wurde so glücklicherweise ein Währungskrieg verhindert.
Was wird diesmal passieren? Wie überall gibt es bei der Dollaraufwertung Gewinner und Verlierer. Gewinner sind in einem System flexibler Wechselkurse alle die Länder, deren Währungen sich entsprechend abwerten. Ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich. Sie können entweder mehr exportieren oder ihre Margen verbessern. Einer der Profiteure ist Europa. Es kommt dadurch besser durch die Eurokrise. Es wird sich über die Lage sicher nicht beschweren.
Verlierer sind einmal die Länder, die ihre Währung bisher in der einen oder anderen Weise an den Dollar gebunden haben. Das war in der Vergangenheit der chinesische Renminbi. Die Chinesen haben lange zugesehen, wie sich ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den starken Dollar verschlechterte. Seit Mitte vorigen Jahres hat sich der Renminbi gegenüber dem Euro um 16 Proeznt aufgewertet, gegenüber dem Yen sogar um 19 Prozent. Das muss man im Hinterkopf haben, wenn sich zum Beispiel europäische Unternehmen beschweren, dass sie im China-Geschäft nun auch noch durch den Wechselkurs belastet werden. Sie vergessen, wie gut sie vorher durch den höheren Renminbi-Kurs verdient haben.
Zuletzt freilich wurde es den Chinesen angesichts der aufgelaufenen Schwierigkeiten im Inland zu viel. Sie zogen die Reißleine. Die Abwertung des Renminbis ist jedoch nach wie vor sehr maßvoll. Sie ist – seit Anfang voriger Woche insgesamt vier Prozent gegenüber dem Euro – in keiner Weise zu vergleichen mit der vorherigen Aufwertung. Mit Handelskrieg hat das nichts zu tun.
Verlierer sind darüber hinaus einige Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie leiden zwar nicht im Außenhandel. Auch ihre Währungen werten sich ab, was die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Was sie aber belastet ist der Abfluss von Kapital. Er gefährdet heimische Investitionsprojekte, die zur Finanzierung Auslandskapital benötigen. Er führt dazu, dass die Abwertung ihrer Währungen sehr viel stärker ausfällt, die Inflation im Inland hochtreibt und die Zentralbanken zu kontraproduktiven Zinserhöhungen zwingt. Darüber hinaus wird der Schuldendienst von Dollaranleihen dieser Staaten teurer. Besonders betroffen sind Länder wie Brasilien, Südafrika oder die Türkei. Sie könnten bei Anhalten dieser Situation gezwungen sein, in den Kapitalverkehr mit dem Ausland einzugreifen.
Verlierer sind letztlich auch die USA selbst. Sie schießen sich durch die Wechselkurswirkungen der geplanten Zinserhöhung selbst ins Knie. Addiert man die handelsgewichtete Aufwertung des Dollars zu der handelsgewichteten Abwertung des Euros in den letzten zwölf Monaten, so ergibt sich eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation der USA um über 30 Prozent. So etwas muss von den US-Unternehmen erst einmal verkraftet werden. Es erklärt, dass die amerikanische Wirtschaft in diesem Aufschwung wesentlich schlechter vorankommt als erwartet.
Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, an dem auch die USA diese Belastungen nicht mehr aushalten werden. Sie werden über Gegenmaßnahmen nachdenken. Das ist freilich nicht einfach. Denn an der Dollarstärke sind nicht die Handelspartner schuld, sondern sie selbst durch die geplante Zinserhöhung. Es läge nahe, diese noch einmal zu überdenken, jetzt mit Hinweis auf die Aufwertungseffekte. Freilich hat die Fed die Diskussion über den Termin der Zinserhöhung so lange vor sich her geschoben, dass eine erneute Verzögerung auf wenig Verständnis stoßen würde. Man würde der Federal Reserve Unentschlossenheit vorwerfen, was sie sicher nicht gern hören würde.
Autor:
Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.