Die Coronavirus-Epidemie legt seit Januar dieses Jahres einen Großteil Chinas lahm. Neben der schnell steigenden Anzahl an bestätigten Erkrankungs- und Todesfällen dürften die von der chinesischen Regierung beschlossenen Quarantänemaßnahmen kurzfristig wohl die größten wirtschaftlichen Folgen mit sich bringen. So wurden Ende Januar in der chinesischen Provinz Hubei in mehreren Großstädten der öffentliche Nah- und Fernverkehr eingestellt und das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt. Von der Quarantäne dürften knapp 50 Mio. Einwohner und damit etwa 3,5 Prozent der chinesischen Bevölkerung betroffen sein. Aber auch in anderen Städten und Regionen Chinas wurden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen.
So wurden vielerorts die Großveranstaltungen zur Feier des chinesischen Neujahrsfests abgesagt und viele touristische Attraktionen geschlossen. Gleichzeitig stellten viele Fluggesellschaften ihre Linienflüge in die betroffene Region ein.
Vergleich mit der SARS-Pandemie 2002/2003
Um erste Einschätzungen zu den konjunkturellen Folgen des Coronavirus zu geben, bietet sich ein Vergleich mit der SARS-Epidemie an, so die Konjunkturexperten des ifo-Instituts in einer aktuellen Studie. Die SARS-Pandemie wurde in den Jahren 2002/2003 wurde durch das weltweite Auftreten des vom SARS-assoziierten Coronavirus hervorgerufenen Schweren Akuten Atemwegssyndroms (SARS) verursacht. Vom südlichen China ausgehend verbreitete sich die SARS-Pandemie binnen weniger Wochen über nahezu alle Kontinente und forderte innerhalb eines halben Jahres 774 Menschenleben. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation hatten sich mehr als 5 000 Personen in China infiziert. Zu einem deutlichen konjunkturellen Einbruch kam es erst im zweiten Quartal 2003. Der Anstieg des chinesischen Bruttoinlandsprodukts schwächte sich auf 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal ab, nachdem die Wirtschaftsleistung zuvor noch um 2,9 Prozent zulegte (vgl. Abb. 01), so die ifo-Experten in ihrer Analyse.
Abb. 01: Bruttoinlandsprodukta Chinas [Quelle: ifo Institut]
Eine derart schwache Rate wurde in China danach nur noch einmal während der Weltfinanzkrise gemessen, als im vierten Quartal 2008 die Wachstumsrate auf ein Prozent sank. Im Gegensatz zur Weltfinanzkrise, deren konjunkturelle Folgen über mehrere Quartale zu spüren waren, erholte sich das Wachstum bei der SARS-Epidemie allerdings recht zügig. Die ifo-Analyse zeigt auf, dass bereits im dritten Quartal sich der Anstieg des chinesischen Bruttoinlandsprodukts wieder auf 3,7 Prozent beschleunigte. Damit waren die negativen Auswirkungen auf die chinesische Konjunktur nur von sehr kurzfristiger Natur. Für das Gesamtjahr 2003 kommen Simulationsrechnungen zu dem Ergebnis, dass die SARS-Epidemie die Wachstumsrate um etwa ein Prozentpunkt gedämpft haben dürfte.
Am deutlichsten betroffen waren die Einzelhandelsumsätze in China. Im Vorjahresvergleich sank ihr Anstieg von etwas über 9 Prozent zum Jahreswechsel 2002/2003 auf 4,3 Prozent im Mai 2003 (vgl. Abb. 02). Neben den auch damals verhängten Quarantänemaßnahmen, die die innerchinesische Mobilität einschränkten, dürfte dazu vor allem ein Einbruch bei der Einreise nach China beigetragen haben, nachdem die Weltgesundheitsorganisation und viele Staaten Reisewarnungen ausgesprochen hatten.
Abb. 02: Konjunkturindikatoren für China [Quelle: ifo Institut]
Konjunkturelle Auswirkungen auf Deutschland
Ein Dämpfer des chinesischen Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt durch das Coronavirus würde das Wachstum in Deutschland um 0,06 Prozentpunkte reduzieren, sofern die Epidemie ähnlich verläuft wie die SARS-Epidemie im Jahr 2003. Allerdings spricht einiges dafür, dass die Corona-Epidemie gravierender ausfallen könnte. Bereits Ende Januar haben die chinesischen Behörden große Touristenattraktionen, wie Teile der Chinesischen Mauer und weitere Attraktionen in den Großstädten Beijing und Shanghai, geschlossen. Google schloss seine Büros, Toyota stoppte vorübergehend seine Produktion, Starbucks schloss 2000 seiner Filialen, McDonald’s schloss 300 Restaurants und Ikea schloss alle 30 Möbelhäuser. Mehrere deutsche Großkonzerne stellen Dienstreisen von und nach China ein.
"Größere Produktionsausfälle in der chinesischen Industrie könnten die Auswirkungen des Coronavirus auf die deutsche Konjunktur spürbar verstärken", erklärt ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser und verweist auf die wichtige Rolle chinesischer Industriewaren für die Wertschöpfungsketten deutscher Industrieunternehmen. Chinesische Industriewaren haben einen Anteil von 9,4 Prozent an den deutschen Importen von Vorleistungsgütern. Die Effekte im restlichen Euroraum sind aufgrund der geringeren Verflechtung mit China deutlich kleiner und betragen nur 0,01 Prozentpunkte des BIP-Wachstums.
Bei den Berechnungen wird unterstellt, dass sich die Epidemie größtenteils in einer Konsumzurückhaltung in China niederschlägt und durch die großräumige Quarantäne der Bevölkerung das Arbeitsangebot eingeschränkt wird. Beides belastet die chinesische Konjunktur nur vorübergehend. "Die Auswirkungen auf den Konsum und die Industrieproduktion in China dürften bereits im ersten Quartal 2020 deutlich sichtbar sein", erklärt Wollmershäuser.