Im Zuge des weltweiten Wolkenkratzer-Baubooms erklimmt die jüngste Generation der Superhochhäuser neue Höhen von über 600 Metern. Die immer höheren, kurzfristigeren und komplexeren Bauprojekte bringen neue Herausforderungen für das Risikomanagement mit sich.
So wird der 828 Meter hohe Burj Khalifa, das gegenwärtig höchste Gebäude der Welt spätestens Ende 2018 von dem 1.007 Meter hohen Kingdom Tower überholt. Im 500.000 Quadratmeter großen spiralförmigen nadelähnlichen Wolkenkratzer werden Büros, Wohnflächen und ein Hotel untergebracht.
Ursprünglich sollte der Wolkenkratzer bis zu 1.600 Meter hoch werden und wurde deswegen auch Mile High Tower genannt. Damit der Kingdom Tower auf einem soliden Fundament steht, mussten zunächst rund 270 Pfähle, die zwischen 45 und 110 Meter in die Tiefe reichen und einen Durchmesser von 1,5 bis 1,8 Meter haben sollen, in den Sand gerammt werden.
Die immer höheren Wolkenkratzer stellen vor allem die Versicherer und Rückversicherer vor immer größere Herausforderungen. So hat Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) als Erst- und Rückversicherer viele Risiken der höchsten Gebäude der Welt im Portfolio. In einer aktuellen Veröffentlichung mit dem Titel "Supertall Buildings Risk Bulletin" analysiert der Industrie- und Spezialversicherer die Herausforderungen in der Bewertung und Steuerung der hiermit verbundenen Risiken.
Wie das Beispiel des 828 Meter hohen Burj Khalifa in Dubai zeigt, hat sich das Wachstum der höchsten Gebäude der Welt im 21. Jahrhundert nochmals beschleunigt: Der aktuelle Rekordhalter Burj Khalifa ist mehr als 300 Meter höher als sein Vorgänger, der Taipei 101 (509 Meter). Doch bereits im Jahr 2019 will der Kingdom Tower beide Türme in den Schatten stellen – als erstes ein Kilometer hohes Gebäude der Welt. Damit hätte sich die Höhe des höchsten Gebäudes der Welt innerhalb von nur zehn Jahren verdoppelt.
Bis zum Jahr 2020 wird die Durchschnittshöhe der 20 höchsten Gebäude der Welt voraussichtlich bei knapp 600 Metern liegen. Das entspricht dem Doppelten der Höhe des Eiffelturms. Möglich gemacht hat diesen Höhengewinn eine Kombination neuer Technologien, innovativer Baumaterialien und kreativer Designelemente.
Verlagerung der Bautätigkeit nach Osten
Neben dem ungebrochenen Wettlauf in die Höhe ist bei den Bauprojekten eine deutliche geographische Verlagerung nach Osten zu beobachten. Im 20. Jahrhundert wurde die Wolkenkratzerlandschaft ganz klar von den USA dominiert. Heute dagegen konzentriert sich die überwiegende Mehrheit der Wolkenkratzer-Bauprojekte auf China, Südostasien und den Mittleren Osten. Ein Fünftel der 50 höchsten Gebäude der Welt befindet sich allein in Dubai, 30 der Spitzenreiter sind auf 15 chinesische Städte verteilt. Diesen Monat hat China gerade erste Pläne für den Bau eines eigenen ein km hohen Gebäudes – der Phoenix Towers – vorgelegt.
Die Risikoexperten der Allianz sind davon überzeugt, dass der Trend nach Osten anhalten wird. Dahinter stehen das dynamische Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in diesen Regionen, die Urbanisierung, das große Anlegerinteresse an Prestigeimmobilien und die im Vergleich zu den traditionellen westlichen Märkten niedrigeren Arbeitskosten.
Die Aufzugtechnik als größte Hürde beim Bau des ersten "Mile High"-Gebäudes
Entwürfe für den ersten "Mile-High"-Turm (1,6 Kilometer) gibt es bereits. Bis diese realisiert werden, dürften allerdings noch mindestens 20 Jahre verstreichen – was vor allem daran liegt, dass die Aufzugtechnik nicht mit der Bautechnik Schritt halten kann. Die derzeit verfügbare Technologie begrenzt die Aufzughöhe in heutigen "Supertall"- und "Megatall"-Gebäuden auf rund 600 Meter, was vor allem an der Brems- und Verkabelungstechnik liegt – Allerdings soll sich dies künftig ändern. Weitere einschränkende Faktoren sind zum Beispiel die Verfügbarkeit von Baumaterialien, die Stahl und Zement ersetzen könnten, Sicherheitsmaßnahmen für die Bewohner bzw. Nutzer der Gebäude und die direkte Nachbarschaft, Schwingungsdämpfungssysteme zur Minderung der negativen Folgen von Windlast oder seismischen Aktivitäten sowie die Finanzierung der Megaprojekte.
Das Fundament von "Supertall"- und "Megatall"-Gebäuden muss stark genug sein, um auch ein Erdbeben oder eine andere Naturkatastrophe zu überstehen, so die Allianz-Experten weiter. Vor allem in der ersten Bauphase müssen potenzielle Risiken wie Sturzfluten berücksichtigt werden, da es große Baugruben gibt, die geflutet werden könnten. Bedeutende technische Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, sind auch das Pumpen und Verarbeiten von Zement in extremen Höhen, die Sicherstellung der exakten Vertikalität mit zunehmender Gebäudehöhe, das Brandrisiko und sogar die Wasser- und Abwasserversorgung.
Versicherungsschutz für Milliarden-Dollar-Gebäude
Wegweisende Projekte bringen einzigartige Herausforderungen und Risiken für Versicherer genauso wie für Architekten und Bauträger mit sich. Kein Wolkenkratzerprojekt sei, laut der technischen Risikoexperten von AGCS, wie das andere. Diese Bauvorhaben sind extrem komplex, da jeweils bis zu 10.000 Bauarbeiter und mehr als 100 Subunternehmer beteiligt sein können. Vor allem in aufstrebenden Märkten kann die Datenverfügbarkeit und -genauigkeit eine weitere Herausforderung darstellen.
Alle Projektphasen – von der Bauausführung bis zur Bautechnik – können versichert werden. Aufgrund der außerordentlichen Dimensionen der derzeit höchsten Gebäude und der Tatsache, dass ihr Wert schnell über die 1-Milliarde-Dollar-Marke steigt, wird das Gesamtprojekt generell von einem Konsortium von (Rück-)versicherern versichert. Im Fall des Kingdom Tower mit einer Versicherungssumme von insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar agiert AGCS als führender Rückversicherer. Neben der Bereitstellung einer Allgefahren-Deckung für Bauprojekte bieten Versicherungsgesellschaften wie AGCS aber auch eine sogenannte Decennale-Versicherung für Schäden nach der Bauausführung, die Schutz gegen materielle Schäden durch fehlerhaftes Design, Baumaterialien oder Arbeitsausführung bietet.
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