Wenn von China und Griechenland wirklich eine globale Gefahr ausgeht, dann liegt sie wohl eher nicht in der Gefahr einer Ansteckung der Finanzmärkte. Viel schwerer wiegt die Sorge, die globale Wirtschaft könnte sich von den Turbulenzen anstecken lassen.
Investoren rund um die Welt hatten es in letzter Zeit nicht leicht. Die Aktien in Shanghai erlitten einen Schwächeanfall. Griechenland geht das Geld aus und das Land kämpft um ein drittes Rettungspaket. Die Aktienmärkte haben dennoch die Fassung bewahrt. Trotz der gravierenden Geschehnisse haben sich die Verluste, die sich während der Zeiten finanzieller Ansteckung ergeben hatten, dieses Mal noch nicht eingestellt.
Vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit. Aber dieses Mal haben die Anleger sich immerhin nicht auch noch darauf verlegt, weitere Vermögenswerte mit geliehenem Geld zu kaufen. Das hatte sie in der Vergangenheit in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht. Das liegt zum Teil daran, dass es sich bei den derzeitigen Problemen um komplett unvorhergesehene Risiken handelt. Außerdem haben Investoren und Banken nach dem Zusammenbruch 2008 größere Sorgfalt mit der Fremdkapitalaufnahme walten lassen und die Regulierer haben auch genauer hingeschaut.
Aber die Schwierigkeiten in China und Europa könnten wirtschaftliche Folgen haben, die nicht so leicht ignoriert werden können. Da die globale Nachfrage bereits jetzt weit hinter dem potenziellen Angebot zurück bleibt, besteht die Gefahr, dass die Turbulenzen über ein schwächeres Konsumverhalten auch einen abkühlenden Effekt sowohl auf das Wachstum als auch die Preise haben könnten.
Hinzu kommt, dass die Zentralbanker angesichts der extrem niedrigen Zinsen in den meisten Industrieländern nur wenig Handlungsspielraum haben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Und jeder Bedarf für zusätzliche Feuerkraft zur Stützung der Wirtschaft könnte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) dazu bringen, mit der ersten Zinserhöhung noch etwas zu warten. Und selbst wenn sie die Zinsen erhöht, kann sie beim Zinszyklus eventuell ein noch vorsichtigeres Tempo vornehmen als viele annehmen.
Chinas Pläne mit dem Aktienmarkt gingen schief
Großen Anlass zur Sorge gibt China. Das Wachstum der Wirtschaft des Landes hatte sich bereits verlangsamt, bevor der Aktienmarkt ins Stolpern kam. Nach offiziellen Angaben stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal binnen Jahresfrist um nur noch 7 Prozent. Im Vorjahr hatte der Zuwachs 7,4 Prozent betragen. Die Volkswirtin Diana Choyleva von Lombard Street Research rechnet damit, dass das Wachstum mit 3,6 Prozent sogar deutlich niedriger ausgefallen ist. Der Boom, den chinesische Aktien in diesem Jahr verzeichneten, sei von Offiziellen unterstützt worden, weil sie darin ein Mittel sahen, das Wachstum anzuschieben, sagt sie.
Der Schuss ging nach hinten los. Jetzt besteht das Risiko, dass ausländische Investoren das künftige Tempo der Marktreformen in China anzweifeln. Die Chinesen selbst werden weniger Vertrauen in das Finanzsystem aufbringen. Beides könnte sich belastend auf die Wirtschaft niederschlagen.
Griechenland könnte Vertrauen in den Euro erschüttern
Griechenland könnte Europas Wirtschaft in ähnlicher Weise beeinträchtigen. Seine Mühen könnten das Vertrauen in den Euro erschüttern, während die finanziellen und fiskalischen Bedingungen in Ländern wie Spanien voraussichtlich angespannter werden. Insgesamt, so schätzen Volkswirte bei J.P. Morgan, könnte das BIP in den restlichen Ländern der Eurozone in den nächsten 18 Monaten 1,5 Prozentpunkte verlieren.
Dieser potenzielle Doppelschlag trifft die Weltwirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn er tritt auf, während die Weltwirtschaft ohnehin schon mit enormer Lustlosigkeit zu kämpfen hat.
nDie Arbeitslosigkeit in der Eurozone betrug im Mai 11,1 Prozent, verglichen mit 7,3 Prozent zu Beginn des Jahres 2008. Die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe belief sich im zweiten Quartal auf 81,1 Prozent. Im ersten Quartal 2008 waren es noch 84,4 Prozent gewesen. Vor allem wegen der lauen konjunkturellen Entwicklung ist die Inflation in der Region so niedrig, was wiederum die Europäische Zentralbank (EZB) am Anfang des Jahres dazu bewogen hat, ihre Anleihekäufe zu erhöhen. Die schlechte Lage bei chinesischen Wirtschaftsdaten macht es unmöglich, einen Eindruck zu bekommen, wie viele zusätzliche Kapazitäten dort vorhanden sind. Aber es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sie hoch sind.
Weltweite Inflation könnte sich noch weiter abkühlen
Die chinesische Stahlindustrie zum Beispiel hat Kapazitäten unter der Annahme ausgebaut, die Wirtschaft würde weiter im zweistelligen Bereich wachsen. Die Folge: China kann nun viel mehr Stahl produzieren als das Land eigentlich benötigt. Das ist teilweise auch der Grund dafür, warum die Benchmarks für Stahlpreise im vergangenen Jahr um rund ein Drittel gefallen sind. Chinas Kapazitätsüberangebot lastet auch schwer auf den internationalen Rohstoffpreisen.
Schwächeres Wachstum in Europa und China könnte die Flaute sogar noch ausgeprägter ausfallen lassen. Käme dazu jetzt auch noch eine weitere Schwäche im Außenwert des Euro und würde China die Exporte erhöhen, um seine Wirtschaft zu stützen, dann könnte sich die Inflation global noch weiter abkühlen. Das Gleiche gilt für das Wachstum. Produzenten außerhalb Chinas und Europas haben damit zu kämpfen, bei den Kosten wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die anderen führenden Volkswirtschaften der Welt - die USA, Großbritannien und Japan - stehen jetzt gut genug da, um mit dem Gegenwind fertig zu werden. Aber ihre Zentralbanken müssen möglicherweise die Zinszügel noch eine Weile lockerer lassen.