Der Präsident des Münchener ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, rechnet mit dem Austritt von Ländern aus der Eurozone. Einige Länder litten derart unter dem Euro, dass sie austreten würden, prognostizierte Sinn beim Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Eine Vorstellung, die den anwesenden Industrievertretern nicht behagte.
"Der Euro hat zu einer ganzen Menge Hass und Zwietracht geführt in den Ländern, die ihre Wettbewerbsfähigkeit im und durch und wegen des Euros verloren haben", sagte er. Die deutschen Transfers reichten nicht aus, diese Länder "glücklich" zu machen. "Wir haben an die 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland", sagte Sinn. Zudem schmiere die Industrieproduktion in Italien, Griechenland und in Spanien regelrecht ab.
Hilfe kann seiner Meinung nach nur eine Kombination aus "ein bisschen Inflation" in Deutschland und Deflation in Südeuropa bringen, damit die Südländer ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit wieder erreichen. "Was aber außerordentlich schwierig ist, fast unmöglich", wie er sagt und hinzufügt: "Weil es so schwierig ist, wird es Austritte geben."
Sinn behauptet, dass Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi bereits im Herbst 2011 Geheimverhandlungen über den Euro-Austritt seines Landes geführt hat. Seiner Meinung nach mit gutem Grund: "Die norditalienische Industrie stirbt zur Zeit. Die Konkurszahlen schießen dramatisch in die Höhe. Ich weiß nicht, wie lange die Italiener das noch aushalten."
Wegen dieser Belastungen sieht Sinn europaweit die Populisten auf dem Vormarsch. Seiner Meinung nach wäre Marie le Pens Front National stärkste Partei in Frankreich, wenn heute Wahlen wären. "Diejenigen, die jetzt in Europa noch das Sagen haben, werden ja nicht diejenigen sein, die nach den nächsten Wahlen das Sagen haben. Dann wird sich alles Mögliche umdrehen."
Sinn verweist auch auf Griechenland, wo die Linke die Bedingungen der Troika nicht mehr erfüllen wolle. "Das heißt, Griechenland müsste dann faktisch austreten", folgert der Ökonom und behauptet: "In Frankreich kann es passieren, in Italien kann es passieren."
Das mag sich Nikolaus von Bomhard, Chef des Rückversicherers Munich Re, lieber nicht vorstellen. "Der Austritt ist nicht die Ultima Ratio. Ich würde versuchen, Herr Sinn, ihn unter allen Umständen auszuschließen", sagte er.
Bomhard sieht die Gefahr, dass die Finanzmärkte sofort die Frage stellen würden, "wer der Nächste ist". "Diese Bewegungen am Finanzmarkt werden wir nicht aufhalten können. Und dann werden selbst Länder hineingezogen, die eigentlich eine Chance hätten, die Kurve zu kriegen", warnte er.
Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Maschinenbauers Trumpf, verteidigt den Euro aus ganz eigennützigen Gründen: "Wir haben vom Euro sehr profitiert." Der Euro sei eine stabile Währung und "wir können davon ausgehen, dass es nicht zu schweren Schwankungen kommt". "Ich glaube an Europa, wir brauchen ein starkes Europa." Zumindest für den Maschinenbauer Trumpf, der 70 Prozent seiner Produktion exportiert, ist dieses Europa ohne Euro schwer vorstellbar.
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