Die deutsche Exportwirtschaft sieht ihre internationalen Geschäfte durch zunehmend höhere Handelshemmnisse erschwert. In einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK) unter 2.000 Unternehmen bemängelt jedes dritte, stets aufs Neue in jedem Jahr zusätzliche Auflagen erfüllen zu müssen.
Die Gewichte in der Weltkonjunktur verschieben sich. Geprägt ist die Entwicklung derzeit von niedrigen Öl- und Rohstoffpreisen. Abnehmerländer von Rohstoffen, insbesondere in Europa, bekommen durch entlastete Budgets Rückenwind, so die Autoren der DIHK-Studie. Rohstofffördernde Staaten mit ehemals starkem Wachstum stehen hingegen unter Druck. Hinzu kommt, dass Zugpferde der letzten Jahre lahmen – wie etwa die chinesische Wirtschaft.
Basierend auf der Studie liegt der Saldo aus "besseren" und "schlechteren" Erwartungen für das weltweite Auslandsgeschäft bei plus zwei Punkten. In der Vorumfrage befand sich der Wert noch bei sechs Punkten. Die außenwirtschaftlich engagierten Unternehmen schauen also noch etwas zurückhaltender auf die globale Wirtschaftsentwicklung als im letzten Jahr, so die Studienergebnisse. Immerhin erweisen sich die Eurozone und die USA als stabile Absatzmärkte.
Die in den Einschätzungen der Unternehmen zu spürende Verunsicherung ist neben den Rohstoffpreisen auch auf das weiterhin von politischen Instabilitäten gezeichnete außenwirtschaftliche Umfeld zurückzuführen – etwa die Krise in Syrien, terroristische Bedrohungen, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine oder auch der wirtschaftspolitische Rückschlag in Brasilien.
Die Studienergebnisse zeigen weiter: Diese Verunsicherung spiegelt sich auch in der weltweiten Investitionsneigung wider. In den großen Märkten der Welt stabilisiert zumindest der Konsum das Wirtschaftsgeschehen. Die niedrigen Rohstoffpreise entlasten Budgets bei Verbrauchern, niedrige Zinsen fördern mancherorts Konsum- und Immobilienkredite. Das ist jedoch ein Aufschwung, der bei der investitionslastigen deutschen Exportwirtschaft nicht voll ankommt. Diese hat immer wieder von weltweiten Investitionszyklen profitiert und dort ihre Stärken gerade im Maschinenbau gezeigt. Der Wettbewerb bei Konsumgütern ist hingegen noch intensiver – auch mit Konkurrenten aus Italien oder Frankreich.
Eine Welt voller Handelshemmnisse
Die Studie zeigt einen klaren Trend auf: Die international aktiven deutschen Unternehmen sehen sich bei ihren grenzüberschreitenden Geschäften von Jahr zu Jahr mehr Handelshemmnissen gegenüber.
35 Prozent der Unternehmen beobachten erneut eine Zunahme an Handelsbarrieren – dies ist nur minimal weniger als im Vorjahr (36 Prozent). Angesichts einer eher schwachen Weltkonjunktur und eines stark gebremsten Welthandels ist diese Entwicklung nach Ansicht der Studienautoren bedenklich. Denn gerade jetzt wäre es notwendig, internationale Geschäfte zu erleichtern.
Die Autoren kommen zu folgendem Ergebnis: "Die Errichtung von Handelshemmnissen in Form höherer Zölle oder Einfuhrsteuern scheint glücklicherweise aus der Mode zu sein. Etliche Länder greifen aber zu Alternativmethoden, um ihrer eigenen Wirtschaft gegenüber ausländischen Wettbewerbern unter die Arme zu greifen." Durch Sicherheitsanforderungen oder lokale Zertifizierungen werden in vielen Weltregionen ausländische Konkurrenten und damit auch deutsche Betriebe ausgebremst. Zudem sind Quoten, Restriktionen bei Ausschreibungen oder gezielte Subventionen am heimischen Markt Instrumente, die als Barrieren eingesetzt werden. Chancen für den Markteinstieg werden damit eingedämmt, Margen durch hohe Bürokratiekosten gedrückt – die heimische Industrie somit geschützt.
Mit jeweils 52 Prozent sehen sich die Unternehmen in der Gesamtschau am stärksten durch höhere Sicherheits- und lokale Zertifizierungsanforderungen betroffen. Zusätzlich zu den bereits bestehenden internationalen Zertifizierungen müssen etwa Tests nach lokalen Standards vorgenommen werden – die zudem häufig kurzfristig eingeführt werden. Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Barrieren durch lokale Zertifizierungsanforderungen immerhin um fünf Prozentpunkte gesunken (Vorumfrage: 57 Prozent). Dennoch bleibt dieses Element ein großes Handelshemmnis, so das Fazit der Autoren.
Keine Entwarnung gibt es auch bei den Sicherheitsanforderungen. Mehr Unternehmen als zuvor berichten von solchen Maßnahmen in Partnerländern – 52 Prozent (Vorumfrage: 50 Prozent). Angesichts der instabilen Sicherheitslage in vielen Regionen der Welt erscheint diese Entwicklung folgerichtig – dennoch sorgt sie für erhebliche Belastungen beim Warenaustausch. So werden etwa zusätzliche Registrierungen oder Stellungnahmen zur Produktherkunft oder zum Frachtverlauf gefordert. Basierend auf den Studienergebnissen nimmt hingegen die Bedeutung höherer Zölle als Handelshemmnis ab. Nur 16 Prozent sind von Handelsbarrieren dieser Form stärker betroffen als im Vorjahr (Vorumfrage: 20 Prozent). Der Zwang zur Produktion auf den ausländischen Märkten ist unverändert für 18 Prozent relevant.
Kreativität bei Handelshemmnissen sind kaum Grenzen gesetzt
Beachtlich ist die Anzahl von weiteren Handelshemmnissen. In der Kategorie "Sonstiges" (32 Prozent) werden insbesondere Embargos, vor allem die Sanktionen gegen Russland, sowie die Zunahme von Regularien etwa bei der Versendung von Waren per Luftfracht und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand angeführt.
Die Studie zeigt jedoch auch auf, dass Hürden für den Handel nicht nur im Ausland hochgefahren werden. Mit der Gelangensbestätigung müssen deutsche Unternehmen im europäischen Binnenmarkt für die deutsche Finanzverwaltung nachweisen, dass die Ware ins Ausland gelangt ist.
Damit wird der umsatzsteuerfreie Versand der Ware gewährleistet. In der Praxis zeigt sich immer wieder: Dieses Dokument ist im Ausland unbekannt. Formulare nur in Deutsch, Englisch und Französisch sind bei Geschäftsbeziehungen zu Staaten mit anderen Amtssprachen nicht ausreichend. Die erforderliche Unterschrift des Empfängers ist gerade bei Lieferungen in der Nacht schwierig zu erlangen. Für die deutschen Unternehmen bedeutet das Zeit und eine Belastung des Geschäftsverkehrs, so die Autoren weiter.
Unternehmen treffen auf vielen Märkten der Welt auf Barrieren. Je nach Region fallen Art und Häufigkeit der Handelshemmnisse unterschiedlich aus. Wie sehr sich die Hemmnisse in den einzelnen Regionen auswirken, zeigt sich wenn die Unternehmen betrachtet werden, die in den jeweiligen Staaten auch aktiv sind. Schwierig stellt sich die Situation derzeit vor allem in Ost-/Südosteuropa, Russland und der Türkei dar. Knapp 75 Prozent der Unternehmen, die in dieser Region aktiv sind, sehen sich von neuen Handelsbarrieren betroffen. Die gegenseitigen Sanktionen zwischen Russland und der EU bis hin zu Importverboten für europäische Unternehmen sind für Betriebe mit hohen administrativen Hürden verbunden. Neben den zusätzlichen Hürden leiden die Unternehmen auch an wegfallenden Geschäften durch die Sanktionen, so das Ergebnis der DIHK-Studie.
An zweiter Stelle stehen die Regionen Afrika und Nah- und Mittelost – 44 Prozent der in diesen Regionen aktiven Unternehmen treffen auf Handelsbarrieren. Neben der politischen Instabilität in einigen Staaten dieser Regionen behindern weitere Hürden den Handel mit deutschen Unternehmen. Die Autoren weiter: "So hat beispielsweise das ägyptische Ministerium für Handel und Industrie mit der Einführung einer Registrierungspflicht für ausländische Hersteller ausgewählter Importgüter eine weitere Behinderung für den Import ausländischer Güter geschaffen." Bei ihren Geschäften in China haben ebenfalls 44 Prozent der Unternehmen mit Hürden zu kämpfen. Darüber hinaus sehen sich 35 Prozent der Unternehmen, die in Mittel- und Südamerika aktiv sind, in ihren Geschäften durch Handelsbarrieren eingeschränkt. Von weniger Handelshemmnissen berichten Unternehmen, die im Raum Asien (30 Prozent), in Nordamerika (29 Prozent) und in der Eurozone (20 Prozent) und mit den sonstigen EU-Staaten (16 Prozent) Geschäftsaktivitäten betreiben.
Immerhin auch gute Nachrichten
Neben einer weltweiten Zunahme der Handelshemmnisse gibt es aber auch vereinzelt Handelserleichterungen. Die Einigung über die Erweiterung des "Information Technology Agreement" (ITA), dem bisher größten globalen Freihandelsabkommen für IT-Produkte, ist als positive Nachricht zu werten, so das Ergebnis der Studie. 54 Staaten, inklusive aller EU-Mitglieder, den USA, China und Japan, beschlossen auf der WTO-Konferenz in Nairobi Ende 2015 nach jahrelangen Verhandlungen den Wegfall von Zöllen für über 200 IT-Produkte. Das Abkommen soll am 1. Juli 2016 in Kraft treten. Dann erfolgt der schrittweise Abbau der Zölle – 65 Prozent der Zolllinien sind umgehend zollfrei, die weiteren Zölle entfallen in definierten Stufen. Die Einigung über das Abkommen wird nach Ansicht der Studienteilnehmer als positiver Impuls für die deutsche Wirtschaft gewertet und ist besonders wichtig für das Voranschreiten der Industrie 4.0 in Deutschland.
[Quelle: Eigener Text basierend auf: Deutscher Industrie und Handelskammertag e. V.: Going International, Erfahrungen und Perspektiven der deutschen Wirtschaft im Auslandsgeschäft, Ergebnisse der IHK-Unternehmensumfrage 2016]