Kommentar

Risikofaktor und Schreckgespenst Inflation


Risikofaktor und Schreckgespenst Inflation News

Es ist eine verbreitete These, dass man durch Inflation die Last der Schulden verringern kann. Bei steigenden Preisen – so heißt es – verringert sich der Wert der Verbindlichkeiten. Der Kreditnehmer kann dann nämlich mit einem Geld zurückzahlen, das weniger wert ist als zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme. Das gilt für Finanzminister genauso wie für private Schuldner. Es ist vor allem in Zeiten hoher Staatsschulden ein wichtiger Zusammenhang.

Daraus leiten sich bedeutsame Schlussfolgerungen ab. Zum einen müssten die Finanzminister gegenwärtig alles daran setzen, um Inflation zu fördern. Nur so könnten sie das Staatsschuldenproblem lösen, ohne stärker sparen zu müssen. Wir müssten uns also darauf einstellen, dass sich der Geldwert künftig verschlechtert. Zum anderen könnten sich die Investoren diese Zusammenhänge aber auch für ihre eigene Anlagepolitik zunutze machen. Wenn sie Schulden aufnehmen, können sie sich gegen Inflation schützen.

Bei so wichtigen Zusammenhängen muss man freilich drei Mal hinschauen. Da darf man sich keinen Fehler erlauben. Ist das also wirklich richtig? Ich möchte ein bisschen Wasser in den Wein gießen. So einfach wie oft behauptet, sind die Dinge leider nicht. Sie gelten nur unter bestimmten, eher restriktiven Annahmen. Es besteht daher die Gefahr von Fehlschlüssen.

Schauen wir uns zunächst das Argument etwas genauer an. Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der Staatsschulden in den USA in den letzten 220 Jahren (in % des Bruttoinlandsprodukts). Es gab in dieser Zeit erhebliche Schwankungen. Die größte Bewegung fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt, als sich die Schuldenquote der USA von 120 Prozent auf 30 Prozent verringerte. Das war eine außergewöhnliche Entwicklung. Von so etwas kann ein Land wie Griechenland heute nur träumen. Die meisten Experten gehen derzeit davon aus, dass man von einer Staatsschuldenquote von 100 Prozent und mehr nie wieder herunterkommt. Es müsste daher zwangsläufig eine Umschuldung in Griechenland geben. Die USA haben gezeigt, dass es auch anders geht.


Abbildung: Staatsschulden in % des Bruttoinlandsprodukts in den USA [Quelle: Morgan Stanley]

Wie haben sie das geschafft? Die Analysten von Morgan Stanley haben sich das genauer angesehen. Sie haben nachgewiesen: Es geschah nicht durch rigoroses Sparen der Amerikaner. Es geschah auch nicht durch ein hohes Wirtschaftswachstum (wie es manche Länder nach dem Krieg hatten). Es geschah im Wesentlichen durch Inflation. Nicht durch eine Hyperinflation, wohl aber durch eine kontinuierliche Preissteigerung von im Schnitt 4 bis 5 Prozent. Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Schlussfolgerung daraus: Regierungen und Zentralbanken sollten eine höhere Inflation zulassen. Dann werde sich das Staatsschuldenproblem schon lösen lassen. Es gibt inzwischen wichtige Ökonomen in den USA, die für ein Inflationsziel nicht von 2 Prozent, sondern von 4 bis 6 Prozent eintreten. So etwa der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard oder Kenneth Rogoff, der bekannte Professor aus Harvard.

Wenn man das Staatsschuldenproblem tatsächlich durch "ein bisschen mehr Inflation" lösen könnte, dann müsste man in der Tat nachdenken, ob man nicht in den sauren Apfel beißen sollte. Geldentwertung ist zwar immer schlecht, aber manchmal muss man sich zwischen zwei Übeln entscheiden. Leider kann man sich aber darauf nicht verlassen. Mehr Inflation verringert keineswegs zwangsläufig die Staatsschulden.

Sie bläht zwar das nominale Bruttoinlandsprodukt auf und erhöht damit automatisch den Nenner der Staatsschuldenquote. Aber die gesamte Quote geht nur dann zurück, wenn nicht auch der Zähler steigt, es also nicht mehr öffentliche Defizite gibt. Das aber ist keineswegs sicher. Denn durch die Preissteigerung erhöhen sich nicht nur die Steuereinnahmen. Es steigen auch die Staatsausgaben: Höhere Löhne, mehr Sozialausgaben, teurere Sachleistungen und dazu noch inflationsbedingt, zunehmende Zinsausgaben. Mit anderen Worten: Es erfordert große Anstrengungen der Finanzminister zu verhindern, dass bei höherer Preissteigerung nicht auch das Haushaltsdefizit größer wird. In den USA ist dies in der Nachkriegszeit offenbar gelungen. Ob das in Zukunft der Fall sein wird, ist aber mit Fragezeichen zu versehen. Ich würde mich darauf nicht verlassen. Aus meiner Sicht sollten die Finanzminister ihren Ehrgeiz nicht darauf richten, inflationsbedingte Ausgaben in Grenzen zu halten. Sie sollten gleich die Staatsverschuldung bekämpfen.

Nur im Falle der Hyperinflation ist das anders. Dann wird es am Ende eine Währungsreform geben, in der die Staatsschulden gestrichen werden. So etwas wird aber kein Finanzminister befördern wollen. Denn dann ist er nicht nur seinen Job los. Er geht in die Geschichte auch nicht mit einem positiven Image ein. Für den Privatanleger sieht die Situation anders aus. Er profitiert, wenn er sich in einer Inflation verschuldet. Denn er kann die Schulden tatsächlich mit einem Geld zurückzahlen, das weniger wert ist. Voraussetzung ist allerdings, dass er seinen Kredit zu festen Zinsen aufnimmt, so dass er von dem inflationsbedingt, steigenden Renditeniveau nicht betroffen wird.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.



[Bildquelle: iStockPhoto]



Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /13.08.2010 10:23
"Die Analysten von Morgan Stanley haben sich das genauer angesehen"

Oh mein Gott....waren das nicht die, die sich den Kreditmarkt genauer angeschaut haben???

Die Idee von Morgan Stanley: Wenn es keinen Markt gibt, der einem Privilegien einräumt, schafft man sich ein!!!

Jetzt raten wir mal alle, warum die Hoffnungen auf Inflationsderivate ruhen

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Herr Dr. Hüfner gibt doch eigentlich die Antwort :

"Mehr Inflation verringert keineswegs zwangsläufig die Staatsschulden."

"Sie bläht zwar das nominale Bruttoinlandsprodukt auf und erhöht damit automatisch den Nenner der Staatsschuldenquote. Aber die gesamte Quote geht nur dann zurück, wenn nicht auch der Zähler steigt, es also nicht mehr öffentliche Defizite gibt."

Also muss Amerika sparen lernen...Das freut den Ami natürlich überhaupt nicht

Ein sehr schwieriges unterfangen für Menschen, die es gewohnt sind ihre fiskalen Problemem von Dritten lösen zu lassen
Lukas /13.08.2010 11:30
Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI), hat meines Erachtens recht, wenn er darauf hinweist, dass die Inflation in den nächsten Jahren deutlich steigen wird und parallel die Schuldenberge wachsen werden. Zitat aus einem Interview mit der SZ: "Jetzt therapiert man die Wirtschaft mit den Medikamenten, die ursprünglich zur Krankheit des Systems geführt haben. Deshalb ist für mich klar: Die nächsten strukturellen Blasen werden produziert." Und wie die nächste Blase aussehen wird, ist ziemlich klar ;-(
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