Rückblick: RISIKO MANAGER 2009

Risikokapitalrendite: Mythos oder Ei des Kolumbus?


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Für Andreas Gadmer, Leiter Risikomanagement und Chief Risk Officer der Signal Iduna Rückversicherungs AG, sind bei der Auswahl einer risikoorientierten Steuerungsgröße neben einer einfachen Definition, einer schnellen Berechenbarkeit sowie  einer Kontrolle des Risikoappetits vor allem auch eine Verbindung zwischen Strategie und Tagesgeschäft sicherzustellen. Ein Blick in die Unternehmens- und Regulierungspraxis zeigt jedoch, dass unterschiedliche Steuerungsgrößen Verwendung finden. Während Harry Markowitz, Begründer der modernen Portfoliotheorie, vor allem die Varianz als sinnvolles Risikomaß interpretiert, setzen Basel II und Solvency II vor allem auf den Value at Risk und der Swiss Solvency Test auf den Expected Shortfall.

Basierend auf einer von aktuellen Studie verwendet nur 17 Prozent der Versicherungen die Risikokapitalrendite in der Leistungsmessung – 42 Prozent hingegen planen die Verwendung in den nächsten Jahren. Unter der Risikokapitalrendite versteht man allgemein den ökonomischen Ertrag nach Steuern im Verhältnis zum Risikokapital. In der Praxis ist diese Verhältniszahl auch als RAROC (Risk adjusted return on capital) bekannt. "Diese Größe darf jedoch keinesfalls mit der Kapitalrendite ROI, der Gesamtkapitalrendite ROA bzw. der Eigenkapitalrendite RoE verwechselt werden", so Gadmer (Foto) in seinem Vortrag anlässlich der Konferenz RISIKO MANAGER 2009 in Frankfurt, die vom Portal RiskNET gemeinsam mit der Fachzeitschrift RISIKO MANAGER und dem Datenbankspezialist Sybase veranstaltet wurde.

Andreas Gadmer, CRO der Signal Iduna Rückversicherungs AGMarkowitz hatte mit der Entwicklung der Portfolio-Theorie erstmals als Wissenschaftler das Risiko als zentralen Faktor im Entscheidungsverhalten von Investoren auf dem Monitor. Der 25-jährige Markowitz behauptete in seinem viel beachteten Artikel "Portfolio Selection", dass das Risiko durch die Varianz der Erträge bestimmt würde. Kern seiner Portfoliotheorie war ein vollständiges Modell, mit dem sich die Effizienz eines ganzen Portfolios anhand der Risiko-/Ertragrelation exakt messen lässt.

Markowitz erkannte vor allem, dass Vermögensanlagen nicht isoliert, sondern stets aus einer Portfoliosicht zu beurteilen sind. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Die ersten Ansätze einer rudimentären Versicherung und des Portfoliogedankens entstanden bereits im Altertum, insbesondere in Griechenland, Kleinasien und Rom. So schlossen sich bereits etwa um 3.000 v. Chr. phönizische Händler zu Schutzgemeinschaften zusammen und ersetzten ihren Mitgliedern verloren gegangene Schiffsladungen. Auch im Mittelalter bildeten sich Vereinigungen von Kaufleuten (Gilden), Schiffsbesitzern und Handwerkern (Zünfte), deren Mitglieder sich unter Eid zu gegenseitiger Hilfe etwa bei Brand, Krankheit oder Schiffbruch verpflichteten.

Jeder Privatinvestor kennt die Aussage: "Nicht alles auf eine Karte" oder "Nicht alle Eier in einen Korb". Kernelement der Portfoliotheorie ist die Effizienzkurve, die eine offene Parabel zeigt, in deren umschlossener Fläche alle möglichen Einzelportfolios liegen (vgl. Abbildung). Je weiter "rechts" ein Portfolio liegt, desto höher ist die Varianz seiner Erträge und damit das Risiko, je weiter "oben" desto höher der (erwartete) Ertrag. Am Scheitel  befindet sich das "Minimum-Varianz-Portfolio" – jene Zusammenstellung von Anlagen, die mit dem geringst möglichen Risiko verbunden sind. Ein Portfolio heißt immer dann effizient, wenn kein anderes Portfolio existiert, welches bei gleicher Renditeerwartung ein geringeres Risiko bzw. bei gleichem Risiko eine höhere Rendite aufweist.

Abbildung: Ein effizientes Portfolio nach Markowitz


Kritisch ist hierbei insbesondere anzumerken, dass Risiko durch die Standardabweichung der historischen Erträge definiert wird. Einschränkend muss außerdem beachtet werden, dass ein diversifiziertes effizientes Portfolio ein noch geringeres Risiko bei besserem Ertrag bietet als das beste einzelne Wertpapier, sofern zwischen den Wertpapieren keine hohen Korrelationen existieren. Mit anderen Worten: Verändert sich die Abhängigkeit einzelner Assetsklassen untereinander signifikant – wie in Krisensituation üblich – kann aus einem effizienten und wenig riskanten Portfolio schnell ein hoch riskantes werden. Kurzum: Die Portfoliotheorie von Markowitz funktioniert genau dann nicht, wenn ein Anleger am ehesten an einem effizienten Portfolio interessiert ist  – nämlich in Krisenphasen.

 

[Bildquellen: dommy.de (Thomas Martin Pieruschek) Quelle: Photocase.com (oben), Bernd Schaller (Mitte)]

Kommentare zu diesem Beitrag

swissbanker /25.09.2009 15:20
leider sind viele entscheidungen auf regulatorische seite nicht methodisch, sondern eher politisch motiviert. wieso beispielsweise solvency ii wieder auf das "schlechtere" risikomass value at risk zurueckgegangen ist, laesst sich methodisch und rational nicht erklaeren. na klar, mit dem var kann man gegenueber dem expected shortfall und anderer kohaerenter risikomasse risikokapital sparen, da die fat tails im wesentlichen ausgeblendet werden. im zeitalter einer finanzkrise, die durch ein fat tail event verursacht wurde, kann man allerdings eine solche entscheidung noch weniger nachvollziehen ;-(
Goofy /25.09.2009 16:09
Der Hauptkritikpunkt an der Portfoliotheorie ist doch vor allem, dass in der Realität (vor allem in Strsssphasen) Renditen nicht normalverteilt sind!
NMaru /25.09.2009 17:04
Als Markowitz vor vielen, vielen Jahren seinen Portfolio-Ansatz entwickelt hat, gab es noch Robotic Trading/High Frequency Trading und die Finanzwelt sah schlichtweg ganz anders aus. Empirische Beobachtungen (auch aus verschiedenen Krisen) zeigen recht deutlich, dass der Markowitz-Ansatz nicht länger zielführend ist. In einer einfachen theoretischen Welt mag er funktionieren, um ein effizientes Portfolio zusammenzustellen. Heute muss man jedoch klar sagen, dass die Annahmen die Komplexität der heutigen Märkte nicht abbilden können.
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