Das von Frank Romeike und Matthias Müller-Reichart vorgelegte Kompendium "Risikomanagement in Versicherungsunternehmen" zählt mit seiner nunmehr dritten Auflage ohne Zweifel zu den Klassikern der Fachliteratur zum Risikomanagement in der deutschen Assekuranz.
Seit der ersten Auflage 2005 und der kurz darauf folgenden zweiten Auflage 2008 hat sich die nationale Finanzaufsicht durch das Inkrafttreten von Solvency II nicht nur europäisiert, sondern wurde aufsichtstheoretisch auf eine völlig veränderte Basis gestellt: Statt Tarif- und Bedingungskontrolle sowie eine rein umsatzabhängige Ermittlung des Risikoexposures eines Versicherungsunternehmens gilt seit 2016 ein umfangreiches prinzipienbasiertes Regelwerk sowie ein von der Branche in Abstimmung mit der Aufsicht entwickeltes "Standardmodell" auf Basis eines Value-at-Risk-Ansatzes zur Ermittlung der Risikoexponierung bzw. des zur Deckung der Risiken notwendigen Solvenzkapitals.
Das neue Aufsichtssystem erhielt mit dem sog. 3-Säulen-Modell von Solvency II einen für die Branche weitgehend ungewohnten risiko- und wertorientierten Ansatz bei der quantitativen Bewertung von Risiken in Versicherungsunternehmen, ein umfassendes Set an Regelungen für das qualitative Risikomanagement und schließlich auch umfangreiche Reporting- und Publizitätsanforderungen in einem bisher unbekannten und von der Branche häufig kritisiertem Umfang.
Die deutlichen Veränderungen des staatlichen Aufsichtshandels, die nicht zuletzt auf die dramatischen Marktentwicklungen Anfang der 2000er Jahre zurückzuführen waren, werden in dem vorgelegten Werkbuch intensiv, jederzeit nachvollziehbar und gut lesbar beleuchtet. Das Buch gliedert sich in vier große Themenblöcke:
- Grundlagen des Risikomanagements in Versicherungsunternehmen
- Regulatorische und gesetzliche Regulierung der Versicherungswirtschaft
- Risikoanalyse und Risikosteuerung im Versicherungsunternehmen
- Interdisziplinarität des Risikomanagements in Versicherungsunternehmen
Es war wichtig und richtig, dass das Kompendiums nach der letzten Auflage vor rund zwölf Jahren noch einmal grundlegend überarbeitet und mit zahlreichen aktuellen Inhalten (z.B. Risikouniversum des 21. Jahrhunderts, IFRS 17, Risikoaggregation durch ein einfaches Simulationsmodell oder verhaltenswissenschaftliche Risiko- und Entscheidungstheorie) ergänzt wurde. Als sehr gelungen ist die Tatsache zu werten, dass neben den in der Szene "einschlägig" positiv bekannten Frank Romeike und Matthias Müller-Reichart auch Peter-Hendrik Blum-Barth, Maria Heep-Altiner, Werner Gleißner, Thomas Korte, Markus Kreeb, Uwe Ludka und Matthias Zeitler das Fachbuch mit ihren Beiträgen bereichern. Alle genannten Autoren stehen für einen langjährig gelebten Praxisbezug zum Risikomanagement in der deutschen Assekuranz.
Der Leser merkt schnell, dass der Untertitel des Werkes "Grundlagen, Methoden, Checklisten und Implementierung" Praxistauglichkeit nicht nur verspricht, sondern mit jeder Seite auch einhält. Jedem der nachfolgend genannten Kapitel des Buches kann ein hoher Praxisbezug zum Risikomanagement in Versicherungsunternehmen attestiert werden:
- Zur Historie des Versicherungsgedankens und des Risikobegriffs
- Grundlagen des Risikomanagements in der Versicherungsbetriebslehre
- Das Risikouniversum der Versicherungswirtschaft im 21. Jahrhundert
- Einführung in die Regulierung der Versicherungswirtschaft
- Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo)
- Einführung in Solvency II
- IFRS 17 – Der neue Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge
- Frühwarnsystematik und Ergebnissimulation als Risikomanagement-Tools der Versicherungswirtschaft
- Versicherungstechnisches Risikomanagement im Lichte stochastischer Prozesse
- Asset-Liability-Management als Instrument der Unternehmenssteuerung im Versicherungsunternehmen
- Risikoaggregation nach Solvency II durch ein einfaches Simulationsmodell
- Dynamische Finanzanalyse (DFA) in der Versicherungswirtschaft
- Auswirkungen von Solvency II auf das Asset Management von Versicherungen
- Verhaltenswissenschaftliche Risiko- und Entscheidungstheorie als Grundlage eines interdisziplinären Risikomanagements
Sehr zu begrüßen ist der Anspruch des Buches, nicht nur theoretisierend, sondern auf hohem fachlichem Niveau praxisnahe, lösungsorientierte Inhalte zu vermitteln.
Jeder einzelne der vierzehn Beiträge könnte für sich alleine stehen. Der Umfang der fachlichen Beiträge variiert zwischen 12 und 74 Seiten und lädt den Leser dazu ein, sich nicht notwendigerweise von vorne nach hinten durch das Buch zu bewegen, sondern sich von den Titeln der Beiträge neugierig machen zu lassen und durch das Buch zu springen.
Alle Beiträge sind klar strukturiert, sauber recherchiert, mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen garniert und reichlich mit Fußnoten und Anmerkungen versehen. So ist es der/dem dieses Buch lesende/n Risikomanager/in, z.B. mit Blick auf die Anforderungen ihres/seines eigenen Versicherungsunternehmens leicht möglich, eine passende thematische Vertiefung vorzunehmen. Sehr positiv ist auch, dass am Ende eines Kapitels jeweils ein umfangreiches Literaturverzeichnis angefügt ist, was den "Buffetcharakter" der angebotenen Arbeiten eher noch unterstreicht.
Da alle Kapitel mit einem thematisch sehr spezifischen Fokus jeweils für sich (be-)stehen können, sind zwei Risiken evident: Einerseits lassen sich inhaltliche Doppelungen nicht ganz vermeiden (u.a. Solvency II-Ansatz, Bedeutung des Risikomanagements für Versicherungsunternehmen, Risikomaße, …), andererseits ist die Interpretation von "aktuellen" Entwicklungen an manchen Stellen nicht ganz up-to-date (z.B. Branchenzahlen zur Struktur der Kapitalanlagen auf Basis von 2016er Zahlen des GDV; Solvency II wurde bereits eingeführt und erfährt gerade eine Revision durch EIOPA – trotzdem liest sich der entsprechende Verweis im Glossar als ob Solvency II noch vor der Tür stünde; …). Auch findet der aufmerk-same Leser trotz der Fülle von liebevoll erstellten und zum Verständnis unbedingt hilfreichen Tabellen, Abbildungen und Schaubildern zuweilen kleinere Unstimmigkeiten zwischen Bild und dem erklärenden Fließtext.
Schließlich sind leider nicht alle im Text verwendeten Abkürzungen in dem 27 Seiten umfassenden Glossar zu finden. Frank Romeike kennt diesen Umstand und weist in seinem Prolog explizit darauf hin, dass im Internet auf dem RiskNET-Kompetenzportal ein noch viel umfangreicheres Glossar bereitsteht.
Insgesamt ist es den beiden Hauptautoren sowie den sieben zuliefernden Mitautoren gelungen, mit ihrer komplett überarbeiteten 3. Auflage von "Risikomanagement in Versicherungsunternehmen" eine unbedingt lesenswerte Bestandsaufnahme zum aktuellen Stand des Risikomanagements unter Solvency II vorzulegen. Das Buch enthält in jedem Kapitel inspirierende fachliche Anstöße, die eine/n Risikomanager/in bei ihren/seinen täglichen Aufgaben sicher nicht kalt lassen werden.
Wenn es um die Frage geht, wie das bestehenden Risikomanagementsystem in einem Versicherungsunternehmen nicht nur mit Blick auf die permanent steigenden Anforderungen der BaFin weiterentwickelt werden kann, sondern mit dem Ziel, dem Management wert- und risikoorientierte Entscheidungshilfen zu liefern, helfen ohne Frage die ausführlichen Kapitel zu dynamischen Methoden der Risikoerfassung und Risikobewertung fachlich, methodisch und auch argumentativ weiter.
Fazit:
Dieses Buch sei allen Damen und Herren, die Mitglieder sind in Aufsichtsräten oder Vorständen von Versicherungsunternehmen, die Träger von "Schlüsselfunktionen" sind, im Risikomanagement arbeiten oder die sich zu den an übergreifenden Themen interessierten Führungskräften und Mitarbeiter zählen, sehr ans Herz gelegt.
Autor:
Holger Tietz, CIRM (DVA), ehemals Mitglied des Vorstandes der INTER Versicherungsgruppe, Mannheim
Kritische Zusammenfassung der einzelnen Kapitel
1. Zur Historie des Versicherungsgedankens und des Risikobegriffs
Frank Romeike startet das Werkbuch mit einem äußerst kurzweiligen Streifzug durch die Menschheitsgeschichte der letzten 5000 Jahre auf der Spurensuche von Quellen des Risikobegriffs. Seine Einführung endet mit dem Hinweis:
"Die Erkenntnis, dass man die Gegenwart systematisch an eine unbekannte und riskante Zukunft koppeln kann, hat sich erst langsam in den vergangenen 500 Jahren durchgesetzt. Ohne diese Erkenntnis und die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie sowie anderer mathematischer Werkzeuge wäre weder das moderne Versicherungswesen noch das Risikomanagement entstanden."
2. Grundlagen des Risikomanagements in der Versicherungsbetriebslehre
Im zweiten Kapitel lernt der Leser, dass der griechische Held Odysseus ein Vorbild für ein gelebtes Risikomanagement in Versicherungsunternehmen sein kann. Mit Blick auf das Hier und Jetzt stellt Frank Romeike klassische Definitionen des Begriffs "Risiko" zusammen und verdeutlicht den Nutzen eines Risikomanagements für Unternehmen im Allgemeinen und für Versicherungsunternehmen im Besonderen.
3. Das Risikouniversum der Versicherungswirtschaft im 21. Jahrhundert
Matthias Müller-Reichart verdeutlicht, dass sich in den letzten zwanzig Jahren das gesamte soziale, wirtschaftliche und politische Umfeld unserer Gesellschaft deutlich verschoben hat, hin zu dynamischen und komplexen Veränderungen verbunden mit Strukturbrüchen, u.a. durch neue weltpolitische Player, Klimaveränderungen, IT-technologische Entwicklungen, oder neue Erwartungshaltungen von Kunden und Lieferanten. Angesichts der mit den Herausforderungen verbundenen komplexen Risiken für das einzelne Versicherungsunternehmen muss auch das Risikomanagement neue und agile Wege beschreiten. Ein professionelles Risikomanagement unterstützt mit ihren Instrumenten die Unternehmensleitung bei der Entwicklung einer tragfähigen Geschäftsstrategie in volatilen Zeiten.
4. Einführung in die Regulierung der Versicherungswirtschaft
Frank Romeike entführt den Leser in angemessener Kürze in die deutsche Geschichte einer staatlich organisierten Aufsicht über Finanzdienstleistungen, speziell von Versicherungsunternehmen. Der Fokus dieses Kapitels liegt auf den gesetzlichen Grundlagen, die das Management von Unternehmen mit Nachdruck dazu anhält, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit " … interne und externe Entwicklungen früh erkannt werden, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden könnten."
5. Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation
Sehr anschaulich beschreiben Frank Romeike und Thomas Korte die einzelnen Elemente des Governance Systems und verweisen auf die genauen Textziffern der Mindestanforderungen für die Geschäftsorganisation (MaGo). Sehr hilfreich sind die durchweg praxisorientierten Ausführungen sowie konkrete Beispiele zur Umsetzung beim Aufbau eines Governance Systems (z.B. Set der zu erstellenden schriftlichen Leitlinien).
6. Einführung in Solvency II
Maria Heep-Altina geht in ihrem Beitrag detailliert auf den Aufbau und den Inhalt von Solvency II für einzelne Versicherungsunternehmen sowie für Gruppen von Versicherungsunternehmen ein. Alle drei Säulen des Solvency II Ansatzes werden einzeln besprochen. Das Standardmodell wird sehr anschaulich erklärt und mit Hilfe von zahlreichen Abbildungen in der Wirkungsweise verständlich erläutert. Auch wird auf die Möglichkeit eingegangen, im Versicherungsunternehmen alternativ zum Standardmodell eigene partielle oder komplett interne Modelle aufzubauen und – nach Genehmigung durch die BaFin – auch einzusetzen. Vermisst wird allerdings ein Hinweis, dass die überwiegende Anzahl der VU das Standardmodell wählt und dies vor allem aus Respekt vor dem nicht unerheblichen personellen, fachlichen, finanziellen und zeitlichen Aufwand beim Aufbau interner Modelle.
7. IFRS 17 – Der neue Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge
Markus Kreeb und Matthias Zeitler tragen mit einem aktuellen Artikel zu den ab 2022 in Versicherungsunternehmen anzuwendenden Bewertungsansatz IFRS 17 zum Werkbuch bei. IFRS 17 stellt einen fundamentalen Wandel in der Erfassung und Bewertung von Versicherungsverträgen – unabhängig von der Sparte (LV, KV und Komposit) – dar. Die beiden Autoren geben einen umfassenden Überblick und machen deutlich, dass mit IFRS17 eine Reihe von Gemeinsamkeiten zum Solvency II Ansatz gefunden wurden.
Anschaulich gehen die Autoren auf das Allgemeine Bewertungsmodell ein und vertiefen dann die Erst- und Folgebewertung von Versicherungsverträgen, insbesondere von Verträgen, die überschussberechtigt sind. Der Inhalt ist fraglos so tiefgehend, dass eine vorherige Auseinandersetzung des Lesers mit der Thematik zur besseren Einordnung hilfreich wäre. Leider wird nicht thematisiert, dass nur wenige international ausgerichtete Versicherungskonzerne auf den neuen IFRS Standard umstellen müssen, während das Gros des deutschen Versicherungsunternehmen diesen Schritt nicht zu machen braucht.
8. Frühwarnsystematik und Ergebnissimulation als Risikomanagement-Tools
In diesem Beitrag geht Matthias Müller-Reichard der historischen Entwicklung von klassischen Frühwarnsystemen in der Versicherungswirtschaft nach und fragt richtigerweise nach der Sinnhaftigkeit von linearen Hochrechnungen, die noch heute in Versicherungsunternehmen zur Anwendung kommen. Berechtigt scheint auch die Frage nach der Relevanz vergangenheitsbezogener Modelle angesichts von starken, z.T. erratischen Veränderungen des Marktumfeldes (Klimawandel, KI, Handelsstreitigkeiten, etc.). Der Autor plädiert in seinem Aufsatz für eine Kombination von quantitativen Parametern zur Prognose und qualitativen Elementen zum Aufbau eines Simulationsmodells auf der Basis der Regressionsanalyse. Am Beispiel der Gewinn- und Verlustrechnung eines Kfz-Versicherers beschreibt der Autor sehr praxisnah den Weg von der Idee bis zur Entwicklung des Simulationsmodells.
9. Versicherungstechnisches Risikomanagement im Lichte stochastischer Prozesse
Im neunten Kapitel verweist Matthias Müller-Reichart darauf, dass in Zeiten der Strukturbrüche im Geschäftsumfeld der Assekuranz nichts so bleibt wie es " …im letzten Jahr war", das Risikomanagement das Management eines Versicherungsunternehmens mit modernen Simulationsmodellen unterstützen muss und so in die Lage versetzt, "[…] frühzeitig Tendenzen zu entdecken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden könnten.", so wie es das Aktiengesetz, das VAG und auch der Corporate Governance Codex fordern.
Am Beispiel der Kraftfahrt-Haftpflicht -Sparte eines fiktiven Versicherers beschreibt der Autor den erfolgversprechenden Ansatz, alle Bausteine der Sparten Gewinn- und Verlustrechnung stochastisch zu unterlegen und mittels Monte-Carlo-Simulation den bisher genutzten diskreten Szenariotrichter weiter zu füllen. Im gewählten Beispiel erhält das Management die Informationen, dass im laufenden Jahr mit einer 20% Wahrscheinlichkeit in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Sparte ein Verlust entsteht, dafür aber mit über 70% Wahrscheinlichkeit mit einem Gewinn gerechnet werden kann.
Der Autor zieht die Parallele zu Solvency II, bei der die Unterlegung der versicherungstechnischen Risiken mit Eigenmitteln diesen dynamischen Komponenten gehorchen muss.
10. Asset-Liability-Management als Instrument der Unternehmenssteuerung
Wurden bis in die 2000er Jahre in vielen Versicherungsunternehmen Aktiv- und Passivseite operativ getrennt gesteuert, so erforderte spätestens Solvency II die Implementierung eines Asset-Liability-Managements (ALM) im Unternehmen. Peter-Hendrik Blum-Barth beschreibt anschaulich die grundsätzlichen Ansätze eines ALM, ihre Hauptfunktionen, ihre Methoden und ihre Bausteine. Ein ALM ist wichtig für eine wertorientierte Steuerung, das Profittesting sowie den Aufbau der Strategischen Asset Allokation. Wertvoll sind seine Hinweise zu Bereitstellung und laufender Pflege der für das ALM benötigten Daten sowie Verweise auf BaFin-Veröffentlichungen zu Einsatz und Dokumentationsanforderungen von ALM in Versicherungsunternehmen.
11. Risikoaggregation nach Solvency II durch ein einfaches Simulationsmodell
Dieses Kapitel nutzt ein fiktives Komposit-Versicherungsunternehmens und beschreibt Ermittlung, Bewertung und Zusammenführung aller Risiken zu einem Gesamtrisikoumfang mittels eines einfachen Simulationsmodells. Der Leser wird Schritt für Schritt an die Grundlagen, die Modellierung der Parameter, die Befüllung des Modells mit historischen bzw. zukünftigen Plandaten sowie an wesentliche Auswertungen des Aggregationsmodells herangeführt. Dabei entschieden sich die Autoren Werner Geißler, Matthias Müller-Reichart und Frank Romeike für eine Modellierung in Anlehnung an die Solvency II Methodik.
Natürlich kommt ein praxisorientierter Aufsatz zum Thema Risikoaggregation nicht ohne Vereinfachungen aus, doch werden auch zahlreiche Felder zur Erweiterung der Modellannahmen aufgezeigt. Wiederum ein sehr praxisorientierter Beitrag, der den Leser zum Nachmachen im eigenen Versicherungsunternehmen auffordert.
Der Leser bekommt Lust, sich intensiver mit stochastischen Simulationsrechnungen als modernes Instrument einer wertorientierten und risikoadäquaten Unternehmenssteuerung zu beschäftigen.
12. Dynamische Finanzanalyse (DFA) in der Versicherungswirtschaft
In diesem Aufsatz skizziert der Frank Romeike die Wirkungsweise der Dynamischen Finanzanalyse (DFA) ebenfalls anhand eines fiktiven Kompositversicherers. Die wichtigste Eigenschaft eines DFA ist eine integrierte und ganzheitliche Sicht auf das gesamte Versicherungsunternehmen. Voraussetzung dafür ist eine einheitliche Datenbasis. Der Autor geht auf die einzelnen Elemente einer DFA ein und zeigt zahlreiche Schaubilder, u.a. auch das Dashboard, welches wesentliche Ergebnisse für das Management – leicht verständlich aufbereitet – bietet. Es wird deutlich, dass die Erkenntnisse einer DFA Basis für risiko- und wertorientierte Entscheidungen des Versicherungsunternehmen sein können. Zum Glück, so der Autor, steckt im DFA-Tool keine Raketenwissenschaft, erfordert bei der Initialisierung allerdings etwas Sachverstand und zumeist auch externe Unterstützung.
13. Auswirkungen von Solvency II auf das Asset Management von Versicherungen
Dieses Kapitel geht ausführlich auf die rechtlichen Anforderungen an Aufbau, interne Organisation und Steuerung eines ALM sowie einer Asset Allocation unter dem Solvency II-Regime ein und benennt alle formalen Quellen. Deutlich stellt Matthias Müller-Reichart die enge Verknüpfung des europäischen Aufsichtsregimes mit den Anforderungen eines modernen Risikomanagementsystems heraus.
Sehr praxisnah weist der Autor auf alternative Anlagemöglichkeiten hin (Länder, Branchen, Infrastruktur, alternative Fondsstrukturen, Private Equity, Green Products, etc. ), die den klassischen Anlagehorizont eines Versicherungsunternehmens risiko- und wertorientiert erweitern können und gleichzeitig den heutigen Erwartungen von Kunden entgegenkommen.
14. Verhaltenswissenschaftliche Risiko- und Entscheidungstheorie als Grundlage eines interdisziplinären Risikomanagements
Im letzten Kapitel lenkt Matthias Müller-Reichart den Blick des Lesers auf die verhaltenswissenschaftliche Risiko- und Entscheidungstheorie als einen neuen Ansatz zur Bewertung von Risiken.
Am Beispiel der operationellen Risiken erläutert der Autor, dass die individuelle Einschätzung eines "Risikoexperten" z.B. zu Eintrittswahrscheinlichkeiten, Höhe des Schadens, Risikoakzeptanz oder zu Methoden zur Steuerung solcher Risiken von zahlreichen intrinsischen und extrinsischen Faktoren abhängen. Einige dieser Faktoren basieren auf Rahmenbedingungen der Befragung, Persönlichkeitsstruktur des Risikoexperten, Psychologie oder der mentalen Einstellung und haben einen deutlichen Einfluss auf die letztendlich abgegebene Einschätzung. Es konnte in zahlreichen praktischen Versuchen nachgewiesenen werden, dass anstelle des "Homo Oeconomicus" bei der Bewertung von operationalen Risiken eher der "Homo Irrationalis" zur Geltung kommt. Die aufgezeigten Ansätze einer verhaltens-wissenschaftliche Risiko- und Entscheidungstheorie tragen zu einer deutlichen Erweiterung des Spektrums des Risikomanagements bei.
Für alle Risikomanager ist dieser Aufsatz ein "Must read", wenn diese für ihr Versicherungsunternehmen eine wirklich umfassende Risikobetrachtung anstreben.