RiskNET Summit 2016: Nachlese, 1. Tag

Risikomanagement zur richtigen Zeit am richtigen Ort


RiskNET Summit 2016: Nachlese, Tag eins: Risikomanagement zur richtigen Zeit am richtigen Ort News

"Die alten Mauern schweigen und reden zugleich. Sie wollen schweigend gewürdigt werden, freuen sich aber nicht minder über das neue Leben und Treiben, das um sie herrscht." Mit diesen Worten begleitet das Schloss Hohenkammer bei München seinen Internetauftritt und spricht selbstbewusst vom "richtigen Ort". Apropos. Als richtiger Ort entpuppt sich das Schloss Hohenkammer für den RiskNET Summit 2016 – der Fachkonferenz zu den Themen Risikomanagement, Governance und Compliance.

Von Treppen, Reifegraden und der Transparenz

In Burgen und Schlössern gibt es meist jede Menge Treppen. Die zu erklimmen ist für Besucher nicht immer einfach, denn es braucht Kondition und Durchhaltewillen. Mehrstufig und damit nicht weniger anstrengend ist das Risikomanagementumfeld. Genauer: Das Risikomanagement als Zukunftsthema in der eigenen Organisation zu verankern, sprich von der Risikobuchhaltung zu einem gelebten Risikomanagement zu gelangen.

Christoph Schwager und Frank Romeike während ihres Vortrags zur "Logik des Misslingens"

Christoph Schwager und Frank Romeike während ihres Vortrags zur "Logik des Misslingens"

Frank Romeike, Geschäftsführer von RiskNET und Initiator des RiskNET Summit, sprach in seinem Eröffnungsvortrag denn auch vom "Risikomanagement der Zukunft – Zukunft des Risikomanagements". Romeike führte aus, dass die Zukunft in ein "wirkungsvolles, vorwärts gerichtetes, umfassendes Risiko- und Chancenmanagement als Informations- und Steuerungsinstrument" münden müsse. Doch dieser Weg ist vielfach steinig, schwer und eben steil. Neben der rein regulatorisch getriebenen "Risikobuchhaltung" beschrieb Risikomanagementexperte Romeike den zusätzlichen Aufwand an Bürokratie sowie das "Zufalls- und Glücksprinzip" als Fallstricke in vielen Organisationen. Sprechen wir von diesen treibenden Faktoren in Unternehmen, so kommen wir nicht über die erste Stufe des Reifegrads im Risikomanagement hinaus. "Es genügt nicht, wenn Unternehmen ein paar Risiken sammeln und berichten, nur um den Regulator oder Gesetzgeber zufriedenzustellen" so Romeike. Und er verdeutlichte an den weiteren Reifegradstufen, von "Basic" und "Evolved" bis zu "Advanced" und "Leading", den steigenden Mehrwert in Organisationen im Umgang mit Risiken und Chancen. Neben einer gelebten Risikokultur, kennzeichnet die "Leading-Stufe" unter anderem eine umfassende Integration des Risikomanagements in alle Geschäftsprozesse sowie einer besseren Unternehmenssteuerung dank Frühwarnsignale. Das schaffe nach Romeikes Worten frühzeitig Transparenz über Risiko- und Chanceninformationen.

Im Zuge eines hohen Reifegrades im Chancen- und Risikomanagement liegt ein starker Fokus auf  analytischen Methoden und Kreativitätsmethoden, wie zum Beispiel durch den Einsatz von Planspielen. Diese können die Risikokultur unterstützen, wie Frank Romeike und Christoph Schwager (Beirat RiskNET und vormals Chief Risk Officer bei Airbus) in einem gemeinsamen Vortrag zur "Logik des Misslingens" verdeutlichten. Als Praxisbeispiel beschrieben die beiden Risikomanager den Einsatz von Simulationen, Planspielen und Wettbewerben bei Airbus, um ein langfristig ausgelegtes Risikokulturprogramm bei Airbus flankierend zu begleiten. Neben dem aktiven Fördern der Risiko- und Unternehmenskultur, liegen die Vorteile darüber hinaus unter anderem im Simulieren des Alltags, der Konfrontation der Teilnehmer mit komplexen Situationen sowie Fehlerquellen zu vermeiden.

Interaktion, Kommunikation und Orientierung standen im Vordergrund

Interaktion, Kommunikation und Orientierung standen im Vordergrund

Digitale Desinformation als Risiko

Frühwarnsignale bilden auch für Prof. Dr. Martin Grothe einen entscheidenden Faktor im digitalen Zeitalter. Beispielsweise ist die Digitalisierung der Desinformation ein neues Risiko, dem Unternehmen begegnen müssen. Der Vorstand vom Deutschen Competitive Intelligence Forum (dcif) verwies darauf, dass im öffentlichen, digitalen Raum jeder Autor sein kann. Grothe: "Das zunehmende Meinungs- und Entscheidungsgewicht führt zu Desinformation." Und er ergänzt: "Der Umgang mit Desinformation ist Herausforderung in Politik, Sicherheit und Business." Als Beispiel nannte dcif-Vorstand Grothe falsche Identitäten, um mithilfe einer fiktiven Kunstfigur Geheimnisträgern in eine Falle zu locken und so an wichtige Informationen zu gelangen. Nach Grothes Meinung werden "Social Bots" zu einem Problem. Per Fake-Accounts lassen sich nicht-menschliche Profile anlegen, die programmiert sind, um sich selbstständig an Diskussionen zu beteiligen oder eigenständig Informationen zu verbreiten. So schrieb "Die Welt" im Oktober 2016 in einem Beitrag "Wie Social Bots die Meinungsbildung beeinflussen": "Sie werden immer schlauer und sind längst nicht mehr auf den ersten Blick als Fake-Profile zu erkennen: Social Bots. Auf Facebook und Twitter wächst ihr Einfluss auf den Diskurs – auch in Deutschland." Das Ziel ist beispielsweise die Meinungsbeeinflussung. Zu beobachten unter anderem in der russischen, chinesischen sowie US-amerikanischen Innen- und Außenpolitik sowie im Wirtschaftsumfeld. Das Portal von "tageschau.de" schrieb jüngst hierzu: "Sogenannte "Bots" - abgeleitet von "robots" - werden derzeit im US-Präsidentschaftswahlkampf sowohl von Republikanern als auch Demokraten eingesetzt, um Stimmung zu machen." Der Beitrag führt fort: "Nach einer Studie der Oxford University wurde nach der ersten TV-Debatte am 26. September mehr als jeder dritte Tweet (37,2 Prozent) in Unterstützung von Trump von einem Software-Roboter abgesetzt."

Darüber hinaus kann der Einsatz digitaler Desinformation die Reputation eines Unternehmens belasten, Geschäftspartner irritieren aber auch potenzielle Kunden abschrecken und Wettbewerbern einen Vorteil verschaffen. Schlussendlich lassen sich auf diesem Wege alle Perspektiven der Corporate Balanced Scorecard (zugleich) angreifen.

Prof. Dr. Martin Grothe referierte über digitale Desinformation als Risikofaktor in Politik, Sicherheit und Business

Prof. Dr. Martin Grothe referierte über digitale Desinformation als Risikofaktor in Politik, Sicherheit und Business

Es grünt zu wenig …

Dr. Mario Jung, Senior Regional Economist beim Kreditversicherer coface, brachte in seinem Vortrag zur globalen Länderrisikolandkarte Farbe ins Spiel. Vor allem die Warnfarbe Rot dominiert im aktuellen weltweiten Kontext. "Es grünt so wenig", so Jung. "Die weltwirtschaftliche Lage bleibt trüb." Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass das Risikoniveau steigt. Seiner Meinung nach bestünde ein Allzeithoch der globalen Risiken. Im Klartext heißt das: Risiken sind weltweit auf einem Höchststand. Neben dem schwachen Wachstum in den Industrieländern sowie einer nachlassenden Wachstumsdynamik in den Schwellen- und Entwicklungsländern, lasten weitere Risiken auf der Weltwirtschaft. Hierzu zählen die drei großen Bereiche – Schwäche der Emerging Markets, volatile Rohstoffpreise, Risiken für die politische Stabilität. China weist nur noch ein rund 6 prozentiges Wachstum auf. Dies bedeute nach Jungs Worten einen massiver Einschnitt, da China bis dato einen großen Anteil am weltweiten Wachstum habe. "Jedes dritte verkaufte Auto geht nach China", merkt Jung an. Ein weiteres Risiko seien die Überkapazitäten Chinas. Mario Jung verweist zudem darauf, dass das Wachstum bei einer neuen Eskalation der politischen Risiken leiden würde. Grund zur Sorge gibt es genug bei einem Blick auf die politischen Krisenherde mit Terror, Krieg, Vertreibung – weltweit. Die traurige Zahl: über 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. "Zeit Online" hierzu: "Verfolgung, Krieg und Armut zwingen so viele Menschen wie nie zuvor, ihre Heimat zu verlassen. Statistisch gesehen sucht derzeit jeder 113. Mensch auf der Erde Asyl, ist Flüchtling oder binnenvertrieben." Ein Bumerang, mit dem Europa aktuell massiv zu kämpfen hat und an dem der europäische Einheitsgedanken zu zerbrechen droht. Im Umkehrschluss bedeutet das, mit den globalen Risiken verantwortungsbewusst umzugehen.

"Die weltwirtschaftliche Lage bleibt trüb", so Dr. Mario Jung, Senior Regional Economist beim Kreditversicherer coface

"Die weltwirtschaftliche Lage bleibt trüb", so Dr. Mario Jung, Senior Regional Economist beim Kreditversicherer coface

Die globale Katastrophengesellschaft und die moderne Technik

"Die Katastrophengesellschaft laviert zwischen Verharmlosung und Panikmache. Eine Gesellschaft der Extreme also – und das hat fatale Folgen: Auf manchen Problemfeldern tut sie zu viel, auf anderen zu wenig, auf allzu vielen auch gar nichts." Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Ulrich Teusch, Publizist und Sachbuchautor. Tusch kritisiert in diesem Kontext vor allem die "Technologiegläubigkeit". Der Autor des Buches "Die Katastrophengesellschaft" gab zu Bedenken, dass es vor allem im Europa des 14. Jahrhunderts mehr schwere Katastrophen gab als heute. "Unsere Gegenwart wiederum sei nicht primär durch katastrophische Züge gekennzeichnet, sondern, im Gegenteil, durch den historisch einzigartigen Grad an Sicherheit, den man dank moderner Technik und Medizin in vielen Weltteilen erreicht habe", so Teusch. Und er schlussfolgert: "Wir haben uns zwar gegen alle möglichen Gefahren und Risiken gewappnet, dennoch ist unser natürlicher und künstlich geschaffener Lebensraum – und das ist nur schein-bar paradox – weit weniger belastbar, weit störanfälliger, fragiler, verwundbarer als ehedem." Moderne Technik sei gleichzeitig Problemlöser und -erzeuger. Teuschers Rat: "Wer Wege aus der Katastrophengesellschaft finden will, braucht kein "Feuerwerk" technischer Innovationen, sondern ein neues Verständnis von Sicherheit."

Prof. Dr. Ulrich Teusch kritisiert die "Technologiegläubigkeit" und fordert ein neues Verständnis von Sicherheit

Prof. Dr. Ulrich Teusch kritisiert die "Technologiegläubigkeit" und fordert ein neues Verständnis von Sicherheit

Ein Feuerwerk ganz anderer Natur war der erste Veranstaltungstag. Themen, Trends und Methoden im lokalen und globalen Kontext zeigten den Teilnehmern die vielseitige Bandbreite moderner Risikomanagementstrukturen. Und die Teilnehmer haben durchweg das Gefühl, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind – beim RiskNET Summit 2016.

[ Bildquelle Titelbild: Stefan Heigl / RiskNET GmbH / Bild oben: Schloss Hohenkammer ]

Bildstrecke RiskNET Summit 2016


 
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