In einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung verweist Wolfgang Hartmann, Vorstandsmitglied der Commerzbank und Chief Risk Officer, auf die Gier der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise. "Im Nachhinein muss man natürlich sagen, dass viele Finanzmarktakteure einfach zu gierig waren. Die Margen waren lukrativ, es gab den Gütestempel der Ratingagenturen, die damit viel Geld verdient haben. Rund 40 Prozent ihrer Erträge kamen aus diesem Geschäft." Vielen Marktteilnehmern fehlte schlicht der Überblick – von Transparenz keine Spur. Hartmann: "Ich kann es kaum gestandenen Bankern erklären, die Wirkungsketten sind sehr komplex und schwer zu verstehen." Die jetzt so problematischen "Wert-"papiere galten lange als attraktiv in der Branche.
Commerzbank mit einem blauen Auge davon gekommen
Der oberste Risikochef weist darauf hin, dass auch die Commerzbank mit Bewertungskorrekturen von knapp 600 Millionen Euro Lehrgeld bezahlt. "Aber im Vergleich mit anderen stehen wir nicht schlecht da. Rückblickend hätten wir vielleicht schon im März 2007 unser gesamtes Portfolio absichern sollen. Doch dazu gehört eben auch Mut, 100 oder 200 Millionen Euro Verlust in Kauf zu nehmen, wo vielleicht gar keine echten Ausfälle sind."
Kritik übt Hartmann auch an die Adresse der Ratingagenturen, da bei "manchen Ratings nicht immer mit der Sorgfalt eines Kaufmannes vorgegangen" wurde. Der Risikoexperte ergänzt, dass nicht die Modelle falsch waren, sondern die eingespeisten Daten. "Wir sehen jetzt Ausfallraten bei US-Häuserkrediten von 20 Prozent statt der erwarteten drei Prozent. Grund ist, dass viele Kredite an Personen ohne regelmäßiges Einkommen vergeben wurden."
Risikomanager bauen Leitplanken
Risikomanager gelten hie und da auch als Bremser und Pessimisten, so Hartmann. Daher sie es wichtig, im Risikomanagement auch Chancen zu erkennen. "Viele sagen, die stellen nur Stoppschilder auf. Aber wir bauen auch Leitplanken. Wir müssen zeigen, wo und auf welcher Basis man sinnvollerweise Geschäft macht."
Auf die Frage, ob die Modellgläubigkeit bei einigen Marktteilnehmern zu groß sei, verwies Hartmann auf die Tatsache, dass sie ihr Portfolio nicht kannten und eher wie Hedge-Fonds agierten. "Modelle sind gute Hilfen bei der Risikosteuerung, aber der Experte ist es letztlich, der entscheidet, welche Parameter wichtig sind."
[Text basiert auf einem Interview in der SZ vom 28.04.2008]