Die EU-Finanzminister (Ecofin) haben sich auf Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken geeinigt, die dem Steuerzahler für den Fall einer Bankenrettung oder -pleite drohen. Der Kompromiss ist eine Voraussetzung für die Vervollkommnung der europäischen Bankenunion, die unter anderem zu einer gemeinsamen Kreditlinie (Common Backstop) für die Abwicklung von Banken und eine gemeinsame Einlagensicherung führen könnte. Voraussetzung ist, dass auch noch das EU-Parlament zustimmt.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung, die auch einen Vorschlag für eine ungewichtete Eigenkapitalquote (Leverage Ratio) und Liquiditätsanforderungen enthält. "Das ist ein wichtiger Moment für die Entwicklung der EU. Wir haben einen wichtigen Kompromiss für die Bankenunion gefunden", sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire. Er kündigte an, dass dieser Einigung weitere folgen würden.
Nach Mitteilung des Ecofin sieht das Paket unter anderem Änderungen an der Eigenkapitalrichtlinie CRD4 und der entsprechenden Verordnung CRR sowie der Abwicklungsrichtlinie BRRD vor, mit denen Beschlüsse des Baseler Ausschusses und des Financial Stability Board (FSB) umgesetzt werden sollen.
Finanzminister einigen sich auf Integration von TLAC und MREL
Laut Ecofin sehen die Vorschläge eine Integration der vom FSB beschlossenen Kapitalanforderungen für den Abwicklungsfall (TLAC) in die entsprechende EU-Mindestanforderungen hinsichtlich eigener Mittel und verlustabsorbierender Instrumente (MREL) vor. Diese Anforderungen schreiben vor, dass Banken verlusttragende Kapitalinstrumente in Höhe von 8,00 Prozent (MREL) beziehungsweise 6,75 (TLAC) ihrer Bilanzsumme vorhalten müssen.
Damit sollen Belastungen des Steuerzahlers möglichst klein gehalten werden. Die Minister erklärten außerdem, dass nach einer solchen Risikoreduzierung die Einrichtung eines Common Backstop für den gemeinsamen Abwicklungsfonds SRF vereinbart werden könne, bevor dieser offiziell 2024 an den Start geht.
Außerdem sollen laut Ecofin Verhandlungen über eine gemeinsame Bankeinlagensicherung (Edis) beginnen, sobald die Risiken im Bankensektor ausreichend reduziert wurden. Die Vorstellungen darüber, was als ausreichend anzusehen ist, gehen in Europa allerdings weit auseinander. Eine Expertenarbeitsgruppe soll hierzu Vorschläge für geeignete Kriterien ausarbeiten.
EU-Einlagensicherung soll nach ausreichender Risikoreduzierung kommen
Deutschland will eine gemeinsame Einlagensicherung erst zulassen, wenn das Bankensystem stabiler ist und Risiken abgebaut sind. Noch ist die Sorge in Berlin groß, dass deutsche Sparer künftig für wacklige Banken in Südeuropa gerade stehen sollen. In Italien, Griechenland und Zypern sitzen die Institute auf einem großen Berg fauler Kredite.
Scholz und Le Maire kündigten an, in den kommenden Wochen die nächsten Beschlüsse zur Bankenunion fassen zu wollen. Schon bei dem Mitte Juni anstehenden Treffen der Regierungsmannschaften beider Länder wollen die Finanzminister weitere Ergebnisse präsentieren, zum Beispiel zum Common Backstop. "Europa steht auf dem Spiel. Wir müssen entscheiden und konkrete Schritte unternehmen", betonte Le Maire.
Deutschland und Frankreich wollen Ergebnisse präsentieren
Der Ehrgeiz der beiden Politiker beschränkt sich dabei nicht auf die Finanzindustrie. Sie wollen einen Fahrplan für die Vertiefung der Eurozone ausarbeiten, der die hehren Vorschläge von Präsident Emmanuel Macron einerseits und die deutschen Bedenken andererseits versöhnt. "Die Idee ist, eine Roadmap an Kanzlerin Merkel und Präsident Macron weiterzureichen, die sie dann den anderen Staats- und Regierungschefs präsentieren", sagte Le Maire.
Ende Juni versammeln sich die Chefs der EU-Länder, um bei dem als entscheidend bewerteten Gipfel weitreichende Beschlüsse über die Zukunft Europas zu treffen.