Risikotragfähigkeit des deutschen Bankensektors weiter auf hohem Niveau


Wie Hans-Joachim Massenberg, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, auf einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung betonte, ist die Fähigkeit der Banken, Risiken adäquat zu steuern, das zentrales Element stabiler Finanzmärkte. Das folge schon aus der Tatsache, dass bei allen Finanztransaktionen am Ende stets Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten stehen. Zudem seien die Banken die unmittelbaren Geschäftspartner der Notenbanken als der letzten Quelle von Liquidität. Von daher sei es richtig, dass der Stabilität von Banken stets eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Laut Massenbergs hat es im Hinblick auf die Risikosituation der Banken in den letzten 30 Jahren fundamentale Veränderungen gegeben. Das Kredit- und Einlagengeschäft bleibe zwar wichtig, verliere aber an Gewicht. Kapitalmarktgeschäfte und außerbilanzielle Transaktionen nehmen demgegenüber einen zunehmend größeren Raum ein. Traditionelle Grenzen zwischen den Marktsegmenten verschwimmen. Neue Marktteilnehmer halten heute einen Teil der Risiken, die früher in den Bilanzen der Banken standen.

Veränderte Aufgaben des Risikomanagements

Auch die Aufgabe der Risiko-Manager habe sich dadurch gravierend verändert. Die Geschäftsbereiche, die Risiken übernehmen, sind üblicherweise nicht mehr gleichzeitig für den Umgang mit diesen Risiken zuständig. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem „CRO“, dem Chief Risk Officer, der eine einheitliche und konsolidierte Übersicht über die risikomäßige Gesamtsituation eines Hauses hat und diese aktiv steuern muss. Und auch die Instrumente, die diesen Einheiten für die Risikosteuerung zur Verfügung stehen, haben nur noch wenig mit früheren, eher buchhalterischen Methoden gemein.

Die Entwicklung von Derivaten, also von Finanzprodukten, die Risiken aus Kursänderungen oder dem Kreditgeschäft handelbar machen, sieht Massenberg dabei durchaus positiv. „Derivate haben den Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen beträchtlich erleichtert. Nicht nur das: Im Ergebnis verteilen sich dank dieser Instrumente die Risiken auf mehrere Schultern. Das gesamte System ist dadurch stabiler geworden.“

Auch die Aufsicht sei der Marktentwicklung hin zu einer umfassenderen und effizienteren Risikosteuerung gefolgt. Mit der Einführung der Vorschriften nach Basel II werden die Eigenkapitalanforderungen in verfeinerter Form an die Risikolage angepasst. Das ermöglicht den Aufsichtsbehörden eine genauere Bewertung der Risikoposition der Institute und wirkt als Katalysator zur Fortentwicklung adäquater Risikomesssysteme in den Banken.

Nach Ansicht von Massenberg wurde die Risikotragfähigkeit der Banken durch die oben skizzierten Veränderungen deutlich gestärkt. Sie seien heute besser als früher in der Lage, mit einer Krisensituation umzugehen. Die Frage nach der Schockresistenz der Banken lässt sich seiner Einschätzung nach derzeit relativ entspannt beantworten

Keine Gefahr für die Stabilität des Deutschen Finanzsektors in Sicht

Massenberg wies darauf hin, dass sich der Risikogehalt der Bankaktiva im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs bereits deutlich vermindert habe. Die Kreditausfälle aus der Stagnationsphase und die durch den Börsencrash verursachten hohen Wertberichtigungen bei Wertpapieren und Beteiligungen seien in den Ertragsrechnungen inzwischen verarbeitet. Zahlreiche Darlehen wurden verbrieft und notleidende Kredite veräußert.

Darüber hinaus hätten die Bankkunden, also die Unternehmen, ihrerseits während der Stagnation ihre Bilanzen bereinigt und ihre Verschuldung reduziert. Die Firmen, die die schwierige Phase überstanden haben, seien heute deutlich stabiler. Und dank des soliden Wirtschaftswachstums verbessert sich ihr cash-flow. Sie sind heute in der Lage zu expandieren, ohne ihre Verschuldung erneut massiv auszuweiten. Die Kundschaft der Banken hat damit durch eigene Konsolidierungsanstrengungen auch die Risiken für die Kreditwirtschaft gesenkt.

Massenberg erwartet, dass sich dieses positive Bild in den kommenden Jahren nicht ändern dürfte. Zumindest erwarte  der Bankenverband für 2007 und 2008 eine Fortsetzung des Aufschwungs  Auch für die Entwicklung an den Finanzmärkten sei Massenbarg weiterhin recht optimistisch gestimmt.

Allerdings wies er auch auf die potenziellen Risiken hin. Dazu gehören seiner Ansicht nach etwaige negative Auswirkungen der weltweiten Ungleichgewichte, mögliche Einbrüche an den Immobilienmärkten oder eine erneute Verteuerung der Rohstoffe. Angesichts dieser insgesamt positiven Situation mahnte Massenberg: „Wir können also zufrieden sein, aber nicht selbstgefällig. Die Banken sind immer wieder aufs Neue gefordert, ihre Risikosysteme auf den neuesten Stand zu bringen und mit den Neuerungen an den Finanzmärkten Schritt zu halten, um das hohe Niveau, das ihnen heute attestiert wird, auch beizubehalten.“

Strukturelle Reformen des Bankensektors sind überfällig

Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Deutschen Bankensektors äußerte Massenberg die Erwartung, dass auf mittlere Sicht vor allem die Sicherung der Ertragskraft eine Herausforderung darstellt. So beruhe ein nicht unerheblicher Teil der Gewinnsteigerungen in den letzten Jahren nämlich auf recht volatilen Positionen, wie beispielsweise dem Eigenhandel. Im Einlagen- und Kreditgeschäft seien die Möglichkeiten einer dauerhaften Stabilisierung der Ertragssituation eher begrenzt. Hier würden sich die deutschen Banken nach wie vor negativ von den Instituten in den anderen europäischen Ländern unterscheiden.

Dies habe laut Massenberg entscheidend mit der Bankenstruktur in Deutschland zu tun. Das starke Gewicht des öffentlich-rechtlichen Bankensektors verhindere die Herausbildung einer optimalen Marktstruktur und lasse die Nutzung von Synergiepotenzialen nicht zu. Massenberg meinte hierzu: „Ohne über Gebühr schwarz malen zu wollen, belastet diese strukturelle Verzerrung zweifellos die dauerhafte Stabilität der deutschen Banken. Wenn ich also hinsichtlich Risikolage und Risikotragfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft eine Empfehlung abgeben sollte, dann die, so rasch wie möglich mit einer Reform der Bankenstruktur in Deutschland zu beginnen.“

Nach Massenbergs Aussage gibt es wohl kaum einen größeren Trugschluss als den, man könne sich durch staatliche Eigentümerschaft am Bankensystem Stabilität erkaufen. Keine deutsche Bank trage zur Risikotragfähigkeit des Gesamtsystems bei, wenn nicht hinreichend Vorsorge betrieben worden sei. Entscheidend dafür sei aber nicht in erster Linie die Eigenkapitalquote, sondern die Ertragskraft; nur sie sichere letztlich die Zahlungsfähigkeit. Der Blick auf den Steuerzahler als letztem Risikoträger führe dagegen in die falsche Richtung.


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