Unbegrenzte Anleihekäufe

Riskantes Manöver in der Geldpolitik der EZB


Riskantes Manöver in der Geldpolitik der EZB News

Das angekündigte Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in Berlin ein unterschiedliches Echo gefunden. Während es von Unionsseite als ein sinnvolles Instrument in einer Krisensituation eingestuft wird, kritisierten Oppositionspolitiker, dass die EZB durch die unzureichende Krisenpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Funktion einer "Ersatzregierung" gedrängt worden sei.

Als "kurzfristiges Krisenreaktionsinstrument" könnten Anleiheankäufe in Ausnahmesituationen sinnvoll sein, etwa wenn die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte gefährdet sei, erklärte Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Anleiheankäufe dürften aber nicht dauerhaft die Aufgaben der Finanz- und Wirtschaftspolitik ersetzen. Durch die Verknüpfung der Anleihekäufe mit den Programmen der europäischen Rettungsfonds EFSF und ESM-Programm sieht Barthle gewährleistet, dass es weiter keine Hilfen ohne Reformen und Anpassungsmaßnahmen geben wird.

Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte, Bundeskanzlerin Merkel habe eine politische Lösung der Krise der Euro-Zone bislang verweigert. "Sie hat dadurch die EZB und die Geldpolitik in die Rolle der einzig verbliebenen handlungsfähigen Institution in der Eurozone gezwungen", bemängelte Schneider.

Die EZB könne mit dem angekündigten Programm künftig Volumina bewegen, die ein Vielfaches über der von den Parlamenten beschlossenen Obergrenzen lägen. Im Ergebnis würden damit künftig die Grenzen zwischen Geld- und Finanzpolitik aufgehoben. "Dies steht im krassen Gegensatz zum bisherigen, klaren Mandat der EZB und der Tradition der auf Geldwertstabilität ausgerichteten Politik der Bundesbank", beklagte Schneider. Es geschehe zudem ohne jegliche Debatte im Deutschen Bundestag.

Priska Hinz, haushaltspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, warf Merkel ebenfalls vor, durch ihre Politik der zu kurzen Schritte die EZB erneut zu drastischen Maßnahmen gezwungen zu haben. "Das schwarz-gelbe Sperren gegen eine wirksame Krisenlösung nötigt die Zentralbank zum Handeln", kritisierte Hinz. Es sei ein "Armutszeugnis" für Schwarz-Gelb, dass jetzt die EZB die Politik der Euro-Rettung maßgeblich plane und umsetze.

Die Beschlüsse des EZB-Rats zeigten vor allem, dass die europäischen Partner wegen der Euro-Blockade der Kanzlerin zunehmend handlungsunfähig würden. Dabei lägen die Möglichkeiten einer glaubhaften Euro-Rettung auf der Hand: Ein Altschuldentilgungsfonds oder eine ESM-Banklizenz würden schnell für dauerhafte Ruhe auf den Anleihemärken sorgen, erklärte die Grünen-Politikerin.

Die Europäische Zentralbank ist bereit, Staatsanleihen südeuropäischer Länder zu kaufen, um die Zinsen dieser Papiere zu senken. Dazu müssten diese Länder aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi in Frankfurt. Draghi machte erneut deutlich, dass die EZB nur unter bestimmten Bedingungen zu einem solchen Markteingriff bereit sei. So müssen die begünstigten Länder nach seinen Worten die Konditionen erfüllen, die mit Hilfsprogrammen der Euro-Rettungsfonds EFSF bzw. ESM verbunden sind. Die Regierungen forderte Draghi auf, die Rettungsfonds zu aktivieren.

Bundesbank erneuert Kritik an den Staatsanleihekäufen

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat seine Kritik an den Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) bekräftigt. In einer nach der jüngsten EZB-Ratssitzung verbreiteten Stellungnahme ließ die Bundesbank aber offen, ob Weidmann in der EZB-Ratssitzung am Donnerstag tatsächlich gegen das neue Anleihekaufprogramm gestimmt hat. In der Erklärung heißt es lediglich: "Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat seine vielfach erläuterte kritische Haltung zu Staatsanleihekäufen durch das Eurosystem auch in den jüngsten Diskussionen bekräftigt."

EZB-Präsident Mario Draghi hatte nach der Ratssitzung gesagt, dass ein Ratsmitglied gegen die Anleihekäufe gestimmt habe. Er ließ aber offen, wer das war. Die Bundesbank teilte nun mit, aus Weidmanns Sicht lägen Staatsanleihekäufe durch die Zentralbank zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. "Die Geldpolitik läuft damit Gefahr, in das Schlepptau der Fiskalpolitik zu geraten. Ihre Fähigkeit für Geldwertstabilität im Euroraum zu sorgen, darf durch die Interventionen nicht gefährdet werden", heiß es.

Die Bundesbank forderte einen Stopp der Staatsanleihekäufe für den Fall, dass die begünstigten Länder die damit verbundenen Bedingungen nicht erfüllen.

Die Bundesbank kritisierte außerdem, dass die Notenbank durch ihre Interventionen letztlich erhebliche Risiken zwischen den Steuerzahlern verschiedener Länder umverteilen könne. "Die demokratische Legitimation einer solchen Umverteilung liegt aber bei den Parlamenten und Regierungen", konstatierte die Bundesbank.

Finanzpolitische Probleme sollten nicht mit der Notenpresse gelöst werden

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) betont und davor gewarnt, finanzpolitische Probleme mit der Notenpresse zu lösen. "Wenn wir anfangen würden, die Probleme der Finanzpolitik durch das bequemere Mittel der Geldpolitik lösen zu wollen, hätten wir ein Problem", sagte Schäuble in einer Rede zur Verleihung des "M100 Medien Preises" an den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi.

"Die EZB ist unabhängig", sagte Schäuble. "Die Unabhängigkeit der Notenbank ist ein hohes Gut." Diese erfordere hohe Zurückhaltung bei den politisch Verantwortlichen. Deshalb dürfe ein Bundesfinanzminister Entscheidungen der EZB nicht begrüßen oder kommentieren.

Schäuble verteidigte in seiner Laudatio den Euro und zeigte sich überzeugt, dass er stabil bleibe. "Die Entscheidung, eine gemeinsame Währung für diesen Wirtschaftsraum zu schaffen, war richtig", sagte er. Alle, die auf das Ende des Euro wetteten, würden ihr Geld verlieren, prognostizierte der Bundesfinanzminister.

 

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Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /06.09.2012 21:12
+++ Monti feiert Draghis Bazooka +++

Der italienische Ministerpräsident Mario Monti hat das EZB-Programm zum Ankauf von Staatsanleihen ausdrücklich gutgeheißen. Er nannte es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso einen "wichtigen Schritt" für erfolgreiches Regieren in der Eurozone. Monti forderte im Hinblick auf die Bedenken der Bundesregierung, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank "von jedem einzelnen" Land respektiert werden müsse.

Der Regierungschef hält es für "angemessen", dass die Notenbank Papiere von Euro-Ländern kauft, die sich um Haushaltsdisziplin bemühten, wie es von ihren Partnern verlangt werde. Monti ist sich nach eigenen Worten sicher, dass das Bond-Programm mit dem Mandat der EZB im Einklang steht.

EU-Kommissionschef Barroso sprach sich für die EZB als starken Aufseher für die europäischen Banken aus. "Eine Bankenunion braucht einen einzigen Aufseher." In Brüssel wird noch darüber gestritten, ob die EZB alle Banken oder nur die großen, systemrelevanten Geldhäuser kontrollieren soll.

Barroso wiederholte sein Mantra, dass der Teufelskreis zwischen Staatsschulden und Banken endgültig durchbrochen werden muss. Weil Banken mit Milliarden gerettet werden mussten, stiegen die Schulden der Euro-Mitglieder, was die Schwächeren unter großen Druck an den Finanzmärkten gebrachte hatte. Der Kommissions-Chef betonte erneut, dass das Wachstum in Europa durch gezielte Investitionen der öffentlichen Hand angeschoben werden könne.
RiskNET Redaktion /07.09.2012 07:15
+++ Anleihekäufe dürfen kein Dauerzustand werden +++

Peter Bofinger, Wirtschaftsberater der Bundesregierung, verteidigt den Ankauf von Anleihen aus Krisenländern als intensivmedizinische Maßnahme. Im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse erklärt er: "Die Anleihemärkte für Länder wie Italien und Spanien sind massiv gestört. Ein Land wie Italien zahlt ein Vielfaches der Zinsen, die Großbritannien zahlen muss. Und das, obwohl das britische Haushaltsdefizit drei Mal so hoch wie das italienische ist"

Die überhöhten Zinsen konterkarierten alle Anstrengungen, die diese Länder unternehmen, ihre Haushalte zu sanieren, sagte Bofinger weiter. "Das ist gefährlich." Die bisherigen Umfänge der Aufkäufe seien nicht ausreichend gewesen. In den USA oder Großbritannien seien die Volumina viel höher gewesen.

Der Wirtschaftsweise sieht trotz des EZB-Anleihekaufprogramms keine Inflationsgefahr, weder im Euro-Raum noch in Deutschland. Der Haupttreiber für Inflation - steigende Löhne - komme derzeit für Europa gar nicht zur Geltung.
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