Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Millisekunden

Robotic Stock Trading kritisch beleuchtet


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Seit dem Beginn der Finanzkrise vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue skandalöse Verhaltensweisen von Investmentbankern aufgedeckt und bekannt werden. So ist das, wenn das Tageslicht in die schmutzigen Ecken fällt. Der ehemals gute Ruf des Bankiers ist mit dem Investmentbanking ramponiert worden.

An der Wall Street ist jetzt das Tageslicht auf eine Handelspraktik gefallen, die das Potenzial eines neue Milliardenskandals in sich trägt: Robotic Stock Trading. Es handelt es sich hierbei um eine Art von Hochfrequenz-Handel, bei dem Wertpapiere innerhalb von Millisekunden gekauft und verkauft werden. Nun ist Hochfrequenzhandel eigentlich schon fast ein alter Hut. Es ist vor allem eine Domäne von kleineren Investmentboutiquen und spezialisierten Hedge-Fonds.

Meist sehr quantitativ und mathematisch orientiert wird es auch als Algorithmic Trading bezeichnet. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Die permanent steigende Rechenleistung von Silizium-Chips musste früher oder später auch zu einer steigenden Umschlagsgeschwindigkeit von Wertpapierpositionen führen.
Wer auch immer glaubt, verborgene Muster in Minuten-Charts von Aktien entdecken zu können, der soll sein Glück versuchen. Er tut damit ökonomisch durchaus etwas sinnvolles, indem er dazu beiträgt, dass die Kapitalmärkte effizienter werden. Im Idealfall spiegeln dann die Märkte zu jeder Millisekunde alle verfügbaren Informationen wieder, und jeder, der Kapital investiert kann sich sicher sein, einen fairen Marktpreis zu bekommen.

Unfairer Vorteil durch Robotic Stock Trading

Was jedoch der ins Zwielicht geratenen Handelstaktik einen gewissen "Haut Gout" verleiht, ist die Tatsache, dass sich die Robotic Trader an der Wall Street einen kleinen unfairen Vorteil verschaffen. Ihr Sekundenhandel basiert auf Orderinformationen, die sie gegen eine Gebühr Bruchteile von Sekunden früher als andere erhalten. Bruchteile, die ausreichend sind, damit die hochgezüchteten Rechenkerne ihrer Computer eigene Orders um die entscheidende Millisekunde früher an den Markt schleusen können.

Von wem erhalten die Makler diese Orderinformationen? Die Informationen kommen von den Börsen selbst. Gegen eine Gebühr können Händler Orderinformationen von der NASDAQ vor anderen erwerben. 30 Millisekunden sind ausreichend, um diesen kleinen unfairen Vorteil in Millionen-Gewinne zu verwandelt.

Börsen sind eine sinnvolle Einrichtung. Sie erfüllen einen volkswirtschaftlichen Zweck, indem sie Menschen, die Ideen haben mit Menschen zusammenbringen, die Geld haben. Aber auch wenn viele Börsen privatwirtschaftlich organisiert sind, es wird zu Recht erwartet, dass das Ordergeschehen und die Preisfindung transparent gestaltet sind. Deshalb, und wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung müssen Börsen auch von Aufsichtsbehörden überwacht und kontrolliert werden. Börsen bieten eine Dienstleistung an und werden dafür für jeden Handelsabschluss, der über sie abgewickelt wird bezahlt. Aber die Informationen über Orderfluss, Orderungleichgewichte und festgestellte Marktpreise gehören der Öffentlichkeit. Sie müssen allen gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden.

Informationsvorsprung beschert Milliarden-Gewinne

Eigentlich ist es schon ein Skandal, wenn Börsen für die Bereitstellung von Kursinformationen Geld verlangen. Besonders zweifelhaft muss jedoch die Verkaufspraktik von Orderinformationen bewertet werden. Auch hierzulande, muss der Anleger für Echtzeit-Kursinformationen bezahlen. Wer das nicht tut, bekommt die Information mit 15- bis 20-minütiger Verspätung geliefert.

Und wie sich jetzt herausstellt, bekommt der, der noch etwas tiefer in die Tasche greift und eine Börsenmitgliedschaft als Market Maker erwirbt, offenbar auch Informationen über noch nicht abgerechnete Wertpapieraufträge. Ein Informationsvorsprung, der den an der Wall Street tätigen Banken zusammen Milliarden-Gewinne beschert, die letztendlich von weniger privilegierten Anlegern bezahlt werden müssen.

Plötzlich erscheinen die jüngsten guten Quartalsergebnisse der Wall-Street-Banken in einem anderen Licht. Verwunderlich war es schon, dass inmitten der Krise, die Gewinne der Banken wieder sprudeln, wo doch in der Fondsindustrie allenthalben über schleppende Nachfrage nach Wertpapierfonds  und verhaltene Risikobereitschaft der Anleger geklagt wird. Wie die Gewinne genau zustande kommen, scheint bislang niemanden zu interessieren. Ein Teil dürfte jedoch mit Sicherheit aus solchen Handelsgeschäften stammen; Geld von gutgläubigen Investoren, im Vertrauen an einen transparenten Börsenhandel.

Auch wenn wir uns offenbar längst damit abgefunden haben, dass die gleichen Banken mit dem Hinweis auf ihre Systemrelevanz ganz ohne Heimlichtuerei Milliarden an Steuergelder einfordern, bei der öffentlichen Diskussion über eine Reform des Finanzsystems müssen auch solche Praktiken von den Aufsichtsbehörden unter die Lupe genommen werden.

Wenn Börsen aufgrund ihrer Funktion nicht-öffentliche Informationen erwerben und weitergeben und Banken diese Informationen zu ihrem Vorteil ausnutzen, dann ist das  Insiderhandel. Ganz gleich, ob der Informationsvorsprung sich im Minuten- oder im Millisekunden Bereich abspielt. Die Käufer und die Verkäufer solcher Informationen müssen ans Sonnenlicht, damit die Hygiene des Finanzsystems wieder hergestellt wird. Fazit: Börsen sollten weder Order- noch Kursinformationen verkaufen dürfen. Dies sind Güter, die der Öffentlichkeit gehören.

 


Wie das Spiel mit dem Hochfrequenz-Handel funktioniert?

Bevor eine Order für eine bestimmte Aktie in den Markt gestellt und damit für jeden potentiellen Verkäufer bzw. Käufer  verfügbar wird, routen Börsen, wie die NASDAQ solche Aufträge für Bruchteile von Sekunden zunächst an ihre Mitglieder. Erst wenn die Order nicht ausgeführt werden kann, wird sie der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.

> Aber zuvor kommen die Robot-Trader ins Spiel: Durch eine schnelle Abfolge von IOC-Orders (immediate or cancel)  über nur die Mindesthandelsgröße loten sie die Limitpreise von Käufern oder Verkäufern aus.

> Das geht so: Angenommen ein Investor möchte eine größere Anzahl einer weniger liquiden Aktie kaufen. Er  setzt ein Limit von 12,20 während die aktuellen Geld-Briefspanne im Markt bei 12,10 – 12,12 liegt. Dieses Limit ist nicht im Orderbuch sichtbar. Bevor eine solche Kundenorder an dem Markt geht, haben die Market Maker der Börse die Gelegenheit die Order auszuführen. Die Computer sind so programmiert, dass sie zunächst eine IOC-Verkauforder über 100 Aktien zu 12,14 lancieren. Der Zusatz IOC bedeutet, die Order muss sofort (immediate) ganz oder teilweise ausgeführt werden können; oder sie wird gelöscht (cancel).  Angenommen die Order kann zu 12,14 ausgeführt werden. Jetzt wird die nächste IOC-Verkauf-Order mit 12,15 erzeugt. Auch Sie wird ausgeführt. Dann folgt 12,16… 12,17…12,18... 12,19… 12,20 und bei 12,21 schließlich erhält der Computer das Signal: ORDER CANCELLED.  Alles spielt sich in weniger als einer Sekunde ab.

Jetzt kennt der Market Maker das Limit des Käufers und führt den größten Teil der Order mit dem Limit von 12,20 aus.

> Ohne diesen kleinen Informationsvorsprungs des Market Makers wäre die Order für den Käufer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu besseren Kursen abgewickelt worden.



Der Autor ist Finanzmarktanalytiker mit Schwerpunkt Asset Management und Risk Management. Er arbeitet derzeit in Indien als Berater für einen weltweit tätigen Anbieter von Bankensoftware.



[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

fnord /24.08.2009 17:48
Interessant waere gewesen, wenn der Trader durch vorherieges Probieren zu 1,24 geld abschliessen konnte, und dem Kunden einen Verkauf zu 1,20 simuliert haette und die 0,04*Menge eingenommen haette.

Sowas läuft sicherlich.

Was halte ich von der Börse?


Die Finger!
SmokeAndMirrors /25.08.2009 00:49
Die beste mir bekannte Quelle bezüglich High Frequency Trading:
http://www.zerohedge.com/taxonomy_vtn/term/8356

Ich bin immer noch platt darüber wie der US Markt seit März ins offene Messer rennt ohne sich (augenscheinlich ernsthaft) zu verletzen. Seit letztem Jahr haben sich keinerlei Probleme gelöst, im Gegenteil.
Lasst euch nichts vormachen - das US Bankensystem ist Insolvent. Die Spur der Verwässerung: 0% Leitzins, Billionen vom Staat in vierstelligen Buschstabensuppen, verwässerte Bilanzierungsregeln, der Fall des Glass-Steagall Act, ausgesetzte Privatinsolvenzen, P/Es > 150, Mark-to-Model statt Mark-to-Market()

Flash-Order sind IMHO front-running, wenn das Limit erst gar nicht den breiten Markt erreicht sondern, so wie im Kästchen veranschaulicht) gleich in der Handelsplattform verfrühstückt wird. Falls das Limit im Markt ankommt, bleibt es IMHO Beschiss, da ein co-located Server in Kombination mit Flash-Orders einen erheblichen Vorteil durch die geringere Netzwerk-Latenz hat (CPU etc ist pille-palle).

Am härtesten trifft es IMHO Investoren/HedgeFonds mit großen Volumenbrocken, da deren Stückelungs-Algos von den Flash-Algos ausgetrickst werden.

Don't get lost!
SmokeAndMirrors /25.08.2009 00:56
Aktueller Nachtrag: http://www.zerohedge.com/article/full-kaufman-letter-mary-schapiro
SwissBanker /29.07.2009 13:27
Glückwunsch zu dem Artikel. Das Kritische beim Algo Trading ist vor allem die Entwicklung der mathematischen Modelle - das ist alles andere als trivial. Die Finanzkrise hat vor allem auch gezeigt, dass die mathematischen Modell bei Extremevents fast regelmäßig versagen. Das hängt u.a. damit zusammen, das sie historische Marktdaten analysieren sowie Real-time-Kurse betrachten. Alles was in der Vergangenheit nicht passiert ist, kennt das Computerhirn nicht. "Gesunder Menschenverstand" oder etwas ähnliches kennen die Silizumchips nicht ;-) und das ist gut so ... Robotic Stock Trading basiert in der Regel immer auf Wenn-Dann-Beziehungen. Die Welt ist aber etwas komplizierter ... ;-)
marcus /29.07.2009 17:59
Ich habe vor einiger Zeit mal eine Studie gelesen (ich glaub von IBM), wonach im Jahr 2015 etwa 90 Prozent der Handelsaktivitäten durch Algo Trading erfolgen sollen. Aktuell sind es wohl 40 bis 50 Prozent. Dies bedeutet wohl, dass die Zukunft den Quants gehören wird. Es gibt wohl auch erste Ideen, die Handelsalgorithmen direkt auf Chips zu brennen, um die Entscheidungen zu beschleunigen ... Mich würde interessieren, ob die Finanzkrise hier zu einem Umdenkprozess geführt hat ... also eher weg von den Quants und mathematischen Modellen ...
Pleitegeier /29.07.2009 20:34
Irgendwie hat mich dieser Artikel an den schwarzen Montag 1987 erinnert, nach einem kurzen Blick bei Wikipedia hat es sich bestätigt: "Zum Ausmaß des Börsencrashs trug wesentlich die zunehmende Computerisierung des Börsenhandels bei. Seit den frühen 1980-Jahren setzten die Händler verstärkt Computer zur Absicherung ihrer Portfoliostrategien ein. Dadurch fand eine weitgehende Automatisierung statt, die es ermöglichte, binnen kurzer Zeit große Mengen an Ordern auszuführen."

Ich finde es nicht schlimm dass Investmentbanker so handeln, aus den gleichen Beweggründen essen wir ja heute auch Alpha-Käse oder Analog-Käse und aus Resten zusammengeklebtes Fleisch. Man sollte die Verantwortlichen eben nur zur persönlichen Haftung heranziehen können (statt die Allgemeinheit) oder gleich die Todesstrafe verhängen :-) ... o.k. war ein Scherz.

Auf jeden Fall dürften solche Erkenntnisse den privaten Anlegern eines klar machen: Sie haben an der Börse nichts zu gewinnen! Und dann sollte man solch ein Feld denen überlassen, die mit gleicher Sperrlänge kämpfen. Sonst wird es zum Glückspiel und da ist bekanntlich die erwartete Gewinnquote kleiner als 50 % der Fälle (wiederum aus gleichen Gründen wie oben genannt).
Petra /30.07.2009 14:29
@Pleitegeier: Auch der LTCM-Zusammenbruch kann darauf zurückgeführt werden. Die LTCM-Manager (mit Myron Scholes und Robert C. Merton immerhin mit "Experten" besetzt, denen im Jahr 1997 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde) hatten sich primär auf technische Analysen verlassen und Psychologie und Verhaltensrisiken komplett ausgeblendet. Die LTCM-Strategie bestand vor allem darin, minimale Preisdifferenzen und Bewertungsfehler (mit Hilfe von IT-Systemen und entsprechenden Algorithmen) aufzuspüren. Stiegen zum Beispiel südafrikanische Rand-Anleihen auf den globalen Märkten, so suchten die klugen Algorithmen jene Börse, wo sie am langsamsten stiegen, deckte sich dort in großem Stil ein und verkauft die Papiere anderswo weiter.
Psychologische Aspekte, wie etwa das Verhalten des russischen Regierung, werden komplett ausgeblendet. Im wesentlichen kennen die Algorithmen nur das, was in der Vergangenheit passiert ist ... damit fährt man dann nicht selten gegen die Wand (sh. LTCM, Finanzkrise, Tulpenkrise in Holland und so weiter)
Peter /06.08.2009 10:09
Basierend auf einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters sowie diversen Presseberichten will die US-amerikanische Börsenaufsicht "Securities and Exchange Commission" (SEC) das „flash trading“ verbieten, bei dem einige Börsenhändler vorab über Aktienorders informiert werden. Die SEC wies darauf hin, dass die daraus entstehende Ungerechtigkeit schnell unterbunden werden müsse. Im Juni hatte unter anderem die Technologiebörse Nasdaq damit begonnen, Kauf- und Verkaufsaufträge ihren Marktteilnehmern wie Banken und Hedgefonds mitzuteilen, bevor der gesamte öffentliche Markt davon erfährt.
Hansi /09.08.2009 14:54
Wie schlau und gleichzeitig skrupellos. Irgendwie passt Moral und Wertpapiergeschäft immer seltener zusammen. Schon verrückt alles.
Grüßé von einem jugendlichen Aktionär
Pleitegeier /09.08.2009 14:59
@ Hansi
Du hast so Recht. Du bekommst meinen vollen Respekt, dass du dies mal offen sagst. Machen nicht viele in der heutigen Zeit.. 5 / 5 Sterne für deinen Kommentar.
Adrian /10.08.2009 10:31
Hmm, das Beispiel im Kästchen verstehe ich nicht.
Limitorder Kauf zu 12,20, während der NBBO 12,10 - 12,12 steht?

Dann würde die agressive Limitorder (12,20) doch gegen das (Brief)Limit (12,12) (teil)ausgeführt werden.
Mehr noch, eine Ausführung zu 12,20, wie Sie im Beispiel angeführt wird, während der NBO bei 12,12 steht, wäre ein verbotener Trade Through.

Ganz so läuft das bestimmt nicht ab, es ist eher Front Running, womit hier Geld verdient wird.
Jörg /10.08.2009 20:11
Stimmt ein Teil der Order wird zum National Best Offer von 12,12 ausgeführt. Der Vorwurf (übrigens von anderen Börsen wie NYSE vorgebracht) ist aber, dass dies im eigenen Börsennetzwerk geschieht. Und was dann geschieht kann man in der Tat als front running bezeichnen. Sobald die Computer das Limit entdecken, werden die verfügbaren Offers am outside Markt bis zum Limit abgeräumt. NBBO steht dann plötzlich bei 12,18-12,20 bevor die Order überhaupt an den öffentlichen Markt gelangen konnte. Das funktioniert natürlich am besten bei marktengen Papieren. Vielleicht auch ein Grund, warum die NYSE so etwas nicht angeboten hat.
Redaktion /25.12.2009 09:06
Trading is now essentially a virtual art, and its practitioners put such a premium on speed that NASDAQ has considered issuing equal 100-foot lengths of cable to the brokers who send orders to its exchange servers. (Though Narang and his team program their algorithms on PCs in their own office, actual trading is done through brokers' servers located on the premises of an exchange--NASDAQ, the NYSE, and dozens of others.)
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