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Rolle der Finanzmärkte ist neu zu definieren und zu kalibrieren


Rolle der Finanzmärkte ist neu zu definieren und zu kalibrieren News

Der Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re hat sich für die Zerschlagung von Großbanken ausgesprochen. Er sei ein Freund des Trennbankensystems, Investmentbanken müssten vom übrigen Bankengeschäft abgekoppelt werden, sagte Nikolaus von Bomhard zu Journalisten. Angeschlagene Institute müssten dann auch pleitegehen können. "Ein 'too big to fail' darf es nicht geben", sagte der Manager, ohne jedoch einzelne Institute beim Namen nennen zu wollen.

Vor Einführung einer Bankenunion in Europa müssten deren Regeln und Eingriffsmöglichkeiten geklärt sein, so von Bomhard. Außerdem sei eine Beteiligung der Gläubiger an der Rettung von in der Krise steckenden Länder im Prinzip notwendig, auch damit der Kapitalmarkt Kreditrisiken risikoadäquat preisen könne. Die Bedingungen bei den Staatsschulden sollten aber für alle klar sein, es dürfe keinen "plötzlichen Paradigmenwechsel" geben. Bei strukturellen Reformen zu diesen Themen drängte von Bomhard die europäischen Politiker zur Eile.

Nachhaltige Fortschritte seien wichtig, damit Unternehmen wie Munich Re zum Tagesgeschäft zurückkehren können, sagte Nikolaus von Bomhard. Zwar sind Versicherer trotz beträchtlicher Abschreibungen auf Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie sowie der Teilnahme am Schuldenschnitt Griechenlands größtenteils besser durch die Krise gekommen als Banken. Die Erträge der Versicherer leiden jedoch unter dem Niedrigzinsumfeld, was durch die Liquiditätsflut zur Unterstützung des Bankensektors noch verschärft wird. Das zwingt sie gleichzeitig dazu, woanders nach Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen zu suchen, ohne höhere Risiken auf die Bücher zu nehmen.

Europa müsse bei der weitreichenden Reform seiner Institutionen, Prozesse und der Kapitalmarktregulierung nun auch liefern, sagte von Bomhard, nicht zuletzt, um das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen.

Auf Roadshows würden internationale Investoren derzeit nur nach Europa fragen und danach, wann die Region endlich ihre Probleme lösen wird, anstatt über die Strategie der Munich Re zu diskutieren. Sein Unternehmen selbst sei bei der Krise auf jeden Ausgang vorbereitet, denn der Konzern verfüge über ein gut diversifiziertes Geschäft, das sowohl Rück- als auch Erstversicherung sowie breit gestreute Investments umfasst.

"Wir gehen keine Wette ein, wir sind sowohl gewappnet für ein Auseinanderbrechen des Euro wie auch für eine Fiskalunion", sagte von Bomhard. Das gehe aber zu Lasten der Rendite. Eine nachhaltige Lösung wäre deshalb wünschenswert.

"Die Rolle der Finanzmärkte ist neu zu definieren und neu zu kalibrieren", forderte der Manager, auch die Interaktion zwischen Banken und Staaten, die die Zinsen extrem niedrig halten. Darunter leiden die Versicherer extrem. Er forderte fundamentale Veränderungen an den Kapitalmärkten, bei den Banken mehr als bei den Versicherungen. Verbesserungen seien notwendig bei der Aufsicht sowie den Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften.

Unter den europäischen Institutionen sei der Europäische Rat am dringendsten reformbedürftig. Europa brauche eine demokratische Verfassung. Den damit einhergehenden Souveränitätsverlust nannte von Bomhard "schmerzlich aber notwendig". Eine Direktwahl der Exekutive in Europa, zum Beispiel einen Präsidenten, könnte identitätsstiftend für Europa als Ganzes wirken.

 

[Bildquelle oben: © Calado - Fotolia.com]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /18.07.2012 23:29
+++ Asmussen: Bei Ablehnung durch Richter wäre ESM gescheitert +++

EZB-Direktor Jörg Asmussen sieht neue Gefahren für den Euro, falls das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm ESM ablehnt. Wie er dem Magazin stern sagte, würde dann "ein ganz wichtiges Krisenbewältigungsinstrument fehlen". Er wolle den unabhängigen Richtern keinen Ratschlag erteilen, sagte Asmussen, aber bei einem negativen Urteil "wäre der ESM in der geplanten Form gescheitert".

Im dem Interview sorgt sich Asmussen auch um den Zusammenhalt in der Europäischen Union. "Es gibt eine wahrgenommene Nord-Süd-Spaltung wie ich es in den vergangenen 10 bis 15 Jahren noch nicht erlebt habe. Wir müssen davon schnell wieder wegkommen", sagte Asmussen. Er sieht Europa an einem "Scheideweg". Entweder würden die Staaten weitere Politikfelder integrieren und nationale Macht abgeben oder Europa würde sich auseinander entwickeln. "Es gibt nur noch diese beiden Möglichkeiten. Eine dauerhafte Instabilität können wir uns nicht leisten", so Asmussen weiter.

Der Notenbanker forderte die deutsche Regierung auf, weitere Reformen anzupacken. "Es wäre aber gut, wenn nicht der Eindruck entstünde, dass Deutschland nur von den anderen fordert, sich zu reformieren. Das muss für einen selber auch gelten", sagte Asmussen. Derzeit profitiere das Land "ganz stark" von den Folgen der Agenda 2010, es gebe aber "noch ganz viel zu tun". Asmussen verwies darauf, dass Migranten zu wenig in den Arbeitsmarkt integriert seien und das Steuersystem nicht besonders modern sei. "Man darf sich nicht ausruhen", betonte Asmussen.
RiskNET Redaktion /20.07.2012 10:13
+++ Wirtschaftsweiser Bofinger kritisiert EU-Krisenpolitik +++

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht kein Ende in der Abwärtsspirale der Euro-Krise. "Die Sparpolitik wird überzogen", kritisiert das Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung. "Die Politik hat das Problem nicht erkannt", sagt er im Interview mit der Passauer Neuen Presse. "Die Sparpolitik wird überzogen. Das führt die Krisenländer nur noch tiefer in eine Rezession."

Wenn man das Sparen überziehe, schwäche man die Konjunktur so stark, dass die finanzielle Situation des Staates sich verschlechtere statt verbessere, sagte der Wirtschaftsprofessor der Zeitung. "Wenn man diese Abwärtsbewegung nicht stoppt, können die Hilfen von Staaten für Staaten und Banken auch nicht allzu viel bewegen."

Bofinger warnte davor, dass die Weltwirtschaft in eine problematische Lage komme. "Auch in Schwellenländern gab es zeitversetzt einen starken Kreditboom, der jetzt ausläuft". So seien in Indien, Brasilien und China deutliche Bremsspuren zu sehen und auch die amerikanische Konjunktur sei keineswegs robust. "Für die Weltkonjunktur ist der Euro-Raum wie eine offene Wunde."
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