Rückwirkungsschäden – nicht alle Räder stehen still


In einer immer stärker verzahnten Welt entfalten bereits minimale Störungen enorme Wirkung und legen im Extremfall ganze Produktionszweige lahm. Die Münchener Rück weist in einer aktuellen Veröffentlichung darauf hin, dass den Versicherern aus den steigenden Rückwirkungsschäden erhebliche Kumulrisiken erwachsen. Doch nicht alle Branchen sind gleichermaßen betroffen.

Die Wertschöpfungskette produzierender Unternehmen ist einem permanenten Wandel unterworfen. Das Diktat der Kostensenkung, das die Globalisierung den Firmen auferlegt, erfordert immer schlankere und flexiblere Produktionsprozesse. Um die Kapitalbindung zu reduzieren, fahren Unternehmen ihre Lagerhaltung zudem auf ein Minimum zurück und beschaffen sich Vor- und Zwischenprodukte zeitnah auf dem Weltmarkt. Die Verflechtungen haben in den vergangenen Jahren immer stärkere zwischenbetriebliche Abhängigkeiten erzeugt. Bleibt die Lieferung unverzichtbarer Komponenten aus, gerät die Produktion allerdings rasch ins Stocken. Bereits eine kleine Störung kann somit fernab ihrer Entstehung erhebliche Schäden hervorrufen.

Von "just in time" zu "just in sequence"

Hinzu kommt, dass für bestimmte Produkte immer weniger Zulieferer – im Extremfall nur ein einziger – zur Verfügung stehen ("single sourcing"), gleichzeitig als Folge von Outsourcing immer mehr Unternehmen ein Endprodukt herstellen. Die Verbreitung leistungsfähiger IT-Systeme hat dieser Entwicklung Vorschub geleistet und gipfelt in der Weiterentwicklung des Just-in-time-Prinzips zum Just-insequence-Prinzip. Bei diesem Verfahren sorgt der Zulieferer nicht nur dafür, dass die Module rechtzeitig in der notwendigen Menge angeliefert werden, sondern dass auch die Reihenfolge (sequence) stimmt. Die Vorlaufzeit beträgt je nach Produktionssystem mehrere Tage bis wenige Minuten. Diese Entwicklungen stellen Versicherer, die Rückwirkungsschäden (CBI-Schäden) decken, vor erhebliche Herausforderungen, denn Produktionsausfälle können vielfache Ursachen haben. Um nur einige Beispiele zu nennen: Tarifkämpfe (Streik), Zahlungsprobleme (Insolvenz) oder Schadenereignisse (Feuer, Erdbeben). Bislang sind in aller Regel nur Produktionsausfälle infolge von Rückwirkungsschäden gedeckt, die aus sachschadenbezogenen Ereignissen wie Feuer oder Erdbeben entstehen.

Erdbeben legt japanische Automobilindustrie lahm

Mitte 2007 hat das Erdbeben von Chuetsu in Japan gezeigt, welche Folgen eine Produktionsunterbrechung haben kann. Bei Riken Corporation, einem Zulieferer, der die japanische Automobilindustrie mit unentbehrlichen Motor- und Getriebeteilen versorgt, kam die Produktion zum Erliegen, obwohl nur einige Maschinen leicht beschädigt wurden. Kurz darauf standen die Bänder aller großen japanischen Autofirmen still, so die Münchener Rück in ihrer Veröffentlichung. Der Produktionsausfall summierte sich auf circa 120 000 Fahrzeuge. Hunderte von Ingenieuren brachten die Produktion bei Riken nach einer Woche wieder in Gang.

Weit über Japan hinaus wirkte sich im Herbst 2007 der Brand bei Matsushita Battery Industrial Co. aus. Das Unternehmen war gezwungen, die Produktion von Lithium-Ionen-Zellen wegen des Feuerschadens komplett einzustellen. Dringend benötigte Akkus für Notebooks, Handys und Digitalkameras, die OEMs (Original Equipment Manufacture) in ihren Geräten einsetzen, konnten nicht rechtzeitig geliefert werden. Mehrere internationale Großabnehmer der Telekommunikations- und Fotoindustrie erlitten dadurch CBI-Schäden. Der gesamte versicherte CBI-Schaden wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt.

Herkömmliche Mechanismen der Kumulkontrolle versagen

CBI-Einzelschäden stellen die Versicherungsindustrie grundsätzlich vor keine nennenswerten Probleme. Rückwirkungsschäden haben dann eine besondere Bedeutung, wenn der Ausfall eines Zulieferers einen Produktionsstopp bei vielen verschiedenen Abnehmern seiner Produkte bewirkt. Dieses Kumulpotenzial kann enorme Dimensionen erreichen. Kritisch sind diese Kumule aber nicht nur wegen ihrer Höhe. Angesichts der globalen Arbeitsteilung und der Dynamik der Weltwirtschaft sind sie sehr intransparent und unterliegen darüber hinaus einem rapiden Änderungsprozess.

[Quelle: MunichRe]

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