Ein aktuelleres Thema hätte man kaum finden können. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass Managergehälter, Pensionsansprüche und Abfindungen künftig individuell offen gelegt werden müssen. Diese von der Bundesregierung initiierte Neuerung gilt für die knapp 1.000 börsennotierten Kapitalgesellschaften. Bisher sind Unternehmen deren Aktien am Kapitalmarkt gehandelt werden, nur verpflichtet, die Gesamtsumme der Gehälter ihrer Spitzenkräfte zu publizieren. Künftig müssen die Einkommen im Jahresabschluss grundsätzlich individuell angegeben werden. Bei Verstößen sind Bußgelder von bis zu 50.000 Euro möglich. "Es geht um Kontrolle durch Transparenz", sagte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss über das Gesetz. Die Offenlegung gilt laut Zypries auch für Sachzuwendungen wie Dienstwagen oder -villen. Allerdings ist auch eine "Opting-Out-Regelung" vorgesehen: das Gesetz gibt es den Aktionären in die Hand, von der Entscheidung des Gesetzgebers für die individuelle Offenlegung abzusehen. Dazu muss die Hauptversammlung mit einen qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals einen entsprechenden Beschluss fassen. Dieser gilt für höchstens fünf Jahre, danach ist eine neue Entscheidung erforderlich. Die Maxime "Kontrolle durch Transparenz" stand auch im Mittelpunkt der Vorträge auf dem SAS CFO Briefing. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, legten mehrere hochkarätige Referenten in Ihren Vorträgen dar.
90 Milliarden Dollar in 24 Tagen vernichtet
Lynn Brewer, die als so genannte "Whistleblower" den Zusammenbruch des US-amerikanischen Energieriesen ENRON ins Rollen brachte, ging auf dem SAS CFO Briefing 2005 der Frage nach, was man aus diesem Fall eigentlich lernen könne. Brewer ist Autorin des Buches "Confessions of an Enron Executive” und Gründerin sowie Vorsitzende des Integrity Institute, Inc. Zuvor war sie war über einen Zeitraum von drei Jahren bei ENRON für das Risikomanagement im Energiebereich verantwortlich. Während dieser Zeit deckte sie eine ganze Reihe von illegalen und korrupten Geschäften auf, etwa Spionage, Energiepreismanipulationen und Falschinformationen gegenüber der Presse und Finanzwelt. Bei ENRON standen die Frühwarnsysteme im Jahr 2001 auf Rot. "So waren allein im Zeitraum 2000 bis 2001 die Anzahl der gemeldeten Vorfälle um 300 Prozent gestiegen, d. h. die Anzahl der "Whistleblows" stieg von etwa zwei pro Monat auf zwei pro Tag", so Lynn Brewer in ihrem Vortrag. In diesem Kontext wies Brewer auch darauf hin, dass allein bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht, der Secuities & Exchange Commission (SEC), im Jahr 2001 monatlich etwa 6.400 "whistleblowing reports" eingingen. Im Jahr 2005 ist diese Anzahl auf 45.000 angestiegen. Hieraus kann vor allem eine größere Sensitivität gegenüber den Themen "Integrität" und "Corporate Governance" abgeleitet werden.
Deutscher Corporate Governance führt zu positiver Resonanz
Axel von Werder, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin und gleichzeitig Mitglied der Regierungskommission "Deutscher Corporate Governance Kodex", gab in seinem Vortrag einen Überblick über den aktuellen Stand und die zukünftigen Entwicklungen der Corporate Governance in Deutschland.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält in seiner heutigen Fassung insgesamt 72 Empfehlungen sowie 19 Anregungen zur Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften. Auch nicht börsennotierten Gesellschaften wird die Anwendung des DCGK empfohlen. Die tatsächliche Befolgung der Empfehlungen und Anregungen ist den Unternehmen jedoch freigestellt. Börsennotierte deutsche Gesellschaften sind allerdings nach § 161 AktG gesetzlich verpflichtet, in einer jährlichen Entsprechenserklärung darzulegen, welche Empfehlungen sie nicht anwenden (das so genannte "comply or explain"-Prinzip). Axel von Werder wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass die Akzeptanz des DCGK in der Praxis auf eine insgesamt sehr positive Resonanz stößt. So ergab eine im Auftrag der Regierungskommission durch das Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) durchgeführte Studie, dass die 29 DAX-Gesellschaften, die an der Befragung teilgenommen haben, schon heute im Durchschnitt 69,3 der 72 Empfehlungen befolgen. Bis Ende 2005 steigt die Anzahl der durchschnittlich angewendeten Empfehlungen auf 70. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass die Befolgungsquote tendenziell von der Größe der Unternehmen bzw. dem Börsensegment abhängt. Während die Zustimmung zum Kodex im DAX besonders groß ist, fällt sie im TecDAX, MDAX und SDAX vergleichsweise niedrig aus. Über alle Unternehmen betrachtet, erweisen sich heute 39 und bis Ende 2005 noch 33 der 72 Kodexempfehlungen als neuralgisch, da sie nicht von mindestens 90 Prozent der Unternehmen befolgt werden. Konkret geht es dabei um die Empfehlungen über einen angemessenen Selbstbehalt bei D&O-Versicherungen für Vorstand und Aufsichtsrat, den individuellen Angaben zur Vorstandsvergütung sowie dem gegliederten und individualisierten Ausweis der AR-Vergütung. Als zukünftige Themen sieht der Wissenschaftler vor allem die umfassenden Reformvorhaben auf europäischer und nationaler Ebene, die Transparenz hinsichtlich Vorstandvergütung, die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sowie die Reform der Mitbestimmung im Aufsichtsrat.
Steigerung der Performance ohne große Überraschungen
Gary Cokings, Strategist bei SAS Institute, ging in seinem Vortrag auf die Verbindung von Performance Management und Corporate Governance ein. Seiner Meinung nach ist der Erfolg eines Unternehmens vor allem davon abhängig, wie gut und schnell die richtigen Informationen die richtigen Adressaten erreichen. Hierbei ist insbesondere eine integrierte Sicht auf die Organisation und Unternehmenssteuerung erfolgsentscheidend. David C. Schwerbrock, CFO SAS Institute International, skizzierte in seinem Vortrag die Gründe für das Versagen traditioneller Finanzsysteme. "Insbesondere die Insellösungen in den einzelnen Abteilungen führen dazu, dass nicht mit unternehmensweit vereinheitlichten Metadaten gearbeitet wird". Außerdem seien viele Finanzsysteme sehr vergangenheitsorientiert. Ein großes Risiko sieht Schwerbrocks auch bei der Nutzung von Spreadsheets bzw. Tabellenkalkulations-Software. Hierbei verwies er auf eine aktuelle Studie von ProceWaterhouseCoopers, nach der etwa bis zu 90 Prozent aller Spreadsheets Fehler aufweisen.