IWF Prognosen

Schlechte Nachrichten aus Europa


Schlechte Nachrichten aus Europa Kolumne

Als die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, Anfang voriger Woche in Davos ihre neue Prognose für die Weltwirtschaft vorstellte, verschlug es mir fast den Atem. Sie zählte fünf Länder auf, die mit ihrer schlechten Performance das globale Wachstum in diesem Jahr herunterziehen würden. Dass sie dabei Mexiko und die Türkei erwähnte, kam nicht wirklich überraschend.

Dass Frankreich und Italien dabei waren, war auch nicht ganz unerwartet.

Der Hammer aber war: Die größte Revision nach unten nahm der IWF für Deutschland vor. Die Wachstumsrate wurde hier um mehr als einen halben Prozentpunkt zurückgenommen: Von 1,9 Prozent auf 1,3 Prozent. Die Bundesrepublik wurde damit zur lahmen Ente der Weltwirtschaft degradiert.
Nun handelt es sich hier nicht um Fakten, sondern um Prognosen, in denen natürlich viel Unsicherheit steckt. Die Vorhersage des Fonds vom letzten Oktober war schon damals von vielen Experten als zu hoch angesehen worden. Sie musste in jedem Fall nach unten korrigiert werden. Andererseits ist der IWF mit seiner neuen Prognose noch keineswegs an das unterste denkbare Ende gegangen. Es gibt Vorhersagen, die das deutsche Wachstum noch deutlich niedriger ansetzen.

Eurokrise: Reale Wachstumsraten [Quelle: IWF, eigene Schätzung]

Eurokrise: Reale Wachstumsraten [Quelle:  IWF, eigene Schätzung]

Hinter der Prognose des IWFs steckt jedoch nicht nur ein deutsches Problem. Auch der Euroraum insgesamt kommt schlecht weg. Schauen Sie sich die Grafik an. Sie zeigt, dass 2017 sowohl die USA als auch Europa noch etwa gleich schnell gewachsen sind. Seitdem hat Amerika spürbar an Dynamik zugelegt. Der Euroraum ist dagegen kräftig zurückgefallen. Es ist eine Lücke entstanden, die sich wenige in dieser Größenordnung hatten vorstellen können.

Sie liegt zum Teil daran, dass die USA ihr Wachstum durch Steuersenkungen kräftig ankurbelten. Darüber hinaus hat sich aber auch das europäische Wachstum stark abgeschwächt. Lange Zeit haben sich die Experten auf dem Kontinent schwer damit getan, das Ausmaß und die Bedeutung dieses Rückschlags anzuerkennen. Jetzt kann aber kein Zweifel mehr daran bestehen.

Zwei Gründe sind dafür verantwortlich. Wirtschaftlich war es der Dieselskandal vor allem in Deutschland und die Einführung des neuen WLTP-Verfahrens zur Abgasmessung von Autos. Das hat sehr viel länger gedauert, als die Fachleute vermutet hatten. Es ist bis jetzt noch nicht abgeschlossen. Es ist erstaunlich, wie stark sich Probleme in einem – zugegeben wichtigen – Sektor auf die Gesamtwirtschaft auswirken.

Wichtig war daneben aber, dass es in einer Reihe von Staaten unerwartete politische Probleme gab. Zu nennen ist hier natürlich der immer noch ungeklärte Brexit. Dazu kamen im letzten Herbst in Frankreich die Demonstrationen der "gelben Westen", die den Reformkurs der Regierung Macron durcheinanderbrachten und zu Produktionsausfällen führten. Der Streit zwischen Brüssel und Rom über die Einhaltung der Maastricht-Kriterien trieb die Zinsen für italienische Staatsanleihen nach oben. In Deutschland haben die Auseinandersetzungen unter den Regierungsparteien und der Rücktritt der Bundeskanzlerin vom Parteivorsitz zu einem Nahezu-Stillstand der Politik geführt. Die Unzufriedenheit in der Wirtschaft wuchs. Die Bereitschaft zu einer umfassenden Steuerreform, von der neue Dynamik ausgehen könnte, ist nicht zu erkennen.

Es sind aber nicht nur Probleme in einzelnen Ländern.

Die gesamte Zusammenarbeit in der Gemeinschaft stockt. Nichts geht mehr in Brüssel. Symptomatisch war in der letzten Woche das Auftreten der Regierungschefs verschiedener Mitgliedstaaten der EU in Davos. Sie machten sich auf offener Bühne gegenseitig Vorwürfe über so wichtige Dinge wie die Verteilung von Flüchtlingen, über rechtsstaatliche Reformen in einzelnen Ländern, über die Steuerpolitik, die fiskalpolitische Disziplin oder über die Fortschritte beim Ausbau der Reformen im Euroraum. Von einem gemeinsamen europäischen Interesse war nichts zu sehen. Frankreich und Italien, die sich bisher stets in ihrer Opposition zu Deutschland einig waren, haben sich zerstritten, nachdem Rom die Gelbwesten in Paris unterstützt. Wie soll da Schwung in Europa aufkommen? Jedenfalls sind es Töne, die ich in europäischen Diskussionen so schon lange nicht mehr gehört habe.

Tröstlich ist nur, dass der Euro von all dem nicht betroffen ist. Er funktioniert. Gut ist auch, dass es keine Solvenzprobleme in einzelnen Ländern gibt, wie das in der großen Eurokrise der Fall war. Im Gegenteil, Griechenland geht in diesen Tagen an den Kapitalmarkt und nimmt zum ersten Mal wieder private Mittel auf.

Wirtschaftliche Schwächeperioden sind meist vorübergehend. In jedem Fall gibt es genügend Instrumente zur Bekämpfung. Bei politischen Auseinandersetzungen ist das schwieriger. Da gibt es keine Standardrezepte. Es bräuchte in dieser Situation glaubwürdige Persönlichkeiten oder Institutionen, die die Initiative ergreifen und zu einer gemeinsamen Haltung führen könnten. Ich sehe da leider niemanden. Die Europäische Zentralbank verfügt zwar inzwischen auch über einen politischen Vertrauensbonus, sie kann hier aber nicht helfen. Zu der Konfusion trägt auch bei, dass in diesem Jahr nicht nur das Europäische Parlament gewählt wird, sondern auch viele wichtige Personalentscheidungen anstehen. Das beschränkt die Handlungsmöglichkeiten noch mehr.

Insgesamt sieht es in Europa derzeit nicht gut aus. Die konjunkturelle Schwäche und die politische Uneinigkeit färben natürlich auch auf die Stimmung an den Finanzmärkten ab. Man sollte daher Anlagen diversifizieren und angesichts der bestehenden Wachstumsdifferenzen auch in den USA investieren.

Andererseits Vorsicht vor Übertreibungen. Ich habe den Eindruck, dass es im Augenblick auf den Finanzmärkten zu viel Pessimismus gibt. Jedenfalls die wirtschaftliche Stimmung dürfte sich im Laufe des Jahres bessern.

Autor: 

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock | Bild Hüfner: Stefan Heigl / RiskNET GmbH ]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /30.01.2019 17:00
+++ Bundesregierung erwartet schwächstes Wachstum seit sechs Jahren +++

Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr eine deutliche Abkühlung der Konjunktur. Wie aus dem vom Kabinett am Mittwoch beschlossenen Jahreswirtschaftsbericht hervorgeht, rechnet sie nur noch mit einem Wachstum von 1,0 Prozent. Sollte die Prognose Bestand haben, wäre das das schwächste Wachstum seit sechs Jahren. Im abgelaufenen Jahr hatte das Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Prozent zugelegt.

Gegenwind für die deutsche Wirtschaft kommt aus dem Welthandel und von unkalkulierbaren politischen Krisen, wie dem Handelsstreit zwischen den USA und China sowie dem Brexit. Die Bundesregierung sieht "Deutschland deutlich erhöhten Risiken aus der Weltwirtschaft ausgesetzt", wie sie in ihrer Konjunktureinschätzung mahnt. Der Bericht wird am Mittag von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgestellt. Dow Jones Newswires hatte vorab Einblick in das Dokument.

Getragen wird der anhaltende, wenngleich abgeschwächte Aufschwung von der Binnennachfrage. Die Regierung geht davon aus, dass die Nettolöhne um 4,8 Prozent klettern werden, wozu auch die Entlastungen bei Steuern und Abgaben beitragen dürften. Sorgen um ihren Arbeitsplatz müssen sich nur die wenigsten Beschäftigen machen. Die Arbeitslosigkeit dürfte weiter zurückgehen und auf eine Quote von 4,9 Prozent fallen. Gleichzeitig stellen die Unternehmen weiter ein, weshalb die Marke von 45 Millionen Beschäftigen laut Vorhersage stabil überschritten wird.

Insgesamt werden die Exporte von Waren und Dienstleistungen in diesem Jahr wohl nur um etwa 2,7 Prozent steigen. Wegen der dynamischen Inlandsnachfrage werden die Importe mit 4,0 Prozent spürbar stärker wachsen. Der umstrittene Leistungsbilanzüberschuss der Bundesrepublik wird der Prognose zufolge von 7,5 auf 7,3 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgehen. Damit bleibt er wohl aber über der von der EU als bedenklich eingestuften Schwelle. Die USA, der Internationale Währungsfonds (IWF) und EU-Partner werfen Deutschland vor, dass es zu viel in das Ausland liefert und damit für Ungleichgewichte im Welthandel führt.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal, verlangte von Altmaier eine umfassende Industriestrategie, "um die Schlüsselsektoren für unsere Wirtschaftsstruktur von morgen zu identifizieren". Er müsse nach dem Kohlekompromiss ebenfalls rasch Vorschläge auf den Tisch legen, wie neue Arbeitsplätze in den Braunkohleregionen geschaffen werden können.
RiskNET Redaktion /30.01.2019 17:01
+++ Nach schwacher Wachstumsprognose macht Wirtschaft Druck für Steuersenkungen +++

Nachdem die Bundesregierung ihre Wachstumsprognosen deutlich nach unten nehmen musste, verlangt die Wirtschaft umfassende Entlastungen, um der Konjunktur neuen Schwung zu verleihen. Steuern müssten gesenkt, und weitere Sozialleistungen dürften nicht beschlossen werden, lautet der Tenor.

"Eine spendierfreudige Sozialpolitik und der demografische Wandel führen schleichend dazu, dass die Sozialversicherungsbeiträge durch die Decke schießen", mahnte der Präsident des Arbeitgeberverbandes BDA, Ingo Kramer. Er erwartet Maßnahmen, damit die Sozialausgaben nicht die Marke von 40 Prozent der Wirtschaftsleistung überschreiten.

Die deutsche Industrie sieht bei einem erwarteten Wachstum von nur noch 1,0 Prozent in diesem Jahr "enormen Handlungsdruck" in der Wirtschaftspolitik. "Deutschland ist zum Höchststeuerland geworden. Es ist längst überfällig, die Steuern zu senken, damit Unternehmen mehr investieren", forderte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. Die effektive Steuerlast der Unternehmen sei inzwischen auf mehr als 30 Prozent gestiegen.


Steuersenkungen als Konjunkturspritze


Der Exporteursverband BGA schlug in die gleiche Kerbe. "Es gilt rechtzeitig steuerliche Impulse gegen die konjunkturelle Abschwächung zu setzen - und Deutschland kann sie sich auch leisten", sagte BGA-Präsident Holger Bingmann. Bei den Zukunftsthemen Künstliche Intelligenz und Plattformwirtschaft habe Deutschland hohen Nachholbedarf. "Die Entwicklung muss durch steuerliche Anreize und den Ausbau der Infrastruktur beschleunigt werden", meinte Bingmann.

Die Bundesregierung erwartet in ihrem Jahreswirtschaftsbericht nur noch ein Wachstum von 1,0 Prozent und damit 0,8 Prozentpunkte weniger als noch im Herbst. "Der Gegenwind, vornehmlich aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld, nimmt zu", begründete Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei der Vorstellung des Zahlenwerkes den eingetrübten Ausblick. Als Beispiele nannte er den Handelsstreit zwischen China und den USA sowie den Brexit.

Als Bonbon brachte er den Unternehmen die steuerliche Forschungsförderung mit, die bis zur Sommerpause auf den Weg gebracht werden soll. Unternehmen sollen künftig Ausgaben für Forschung und Entwicklung von der Steuerlast abziehen können. Im Raum steht eine Entlastung von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Ob die Union in der großen Koalition mit der SPD den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags durchsetzen kann, wollte er den Firmen nicht versprechen. In den kommenden Jahren kommen durch ausgeweitete Sozialleistungen, die Streichung des Soli für 90 Prozent der Steuerzahler und den Kohleausstieg zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe zu. Für das nächste Jahr erwartet die Bundesregierung wieder ein Anziehen der Konjunktur nach der diesjährigen Delle. Sie sagt ein Wachstum von 1,6 Prozent voraus, wie Dow Jones Newswires aus Regierungskreisen erfuhr.
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