Global Risks 2010

Schuldenlast als Top-Risiko auf der globalen Risikolandkarte


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In Verbindung mit der steigenden Arbeitslosigkeit ist die erdrückende Schuldenlast der Industrienationen zu einem zentralen globalen Risiko geworden, das die weltwirtschaftliche Entwicklung gefährden könnte. Dies zeigt der jährlich erscheinende Global Risk Report des Weltwirtschaftsforums. Daneben gehören ungenügende Infrastrukturinvestitionen und die Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden und Diabetes zu den langfristig größten Gefahren. Der Report benennt darüber hinaus zahlreiche weitere zentrale Risiken mit weltweit hohen ökonomischen und sozialen Kostenpotenzialen, beispielsweise die grenzüberschreitende Kriminalität und Korruption, den Rückgang der biologischen Vielfalt oder die zunehmende Verwundbarkeit gegenüber einem Ausfall der globalen Informations- und Kommunikationstechnologie.

Die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Art und Zahl der globalen Risiken nur geringfügig verändert. Allerdings wurde die Fähigkeit der Industrieländer, auf künftige Krisen reagieren zu können, stark geschwächt: Haushalte, Wirtschaft und Regierungen verfügen meist über keine finanziellen Reserven mehr, um auf weitere globale Probleme oder Katastrophen angemessen reagieren zu können. Der Vorjahresreport beschäftigte sich vornehmlich mit den direkten Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise und benannte als die vier Hauptrisiken das zu erwartende Minus in den Staatshaushalten, eine Wachstumsabschwächung in China, einen weiteren Verfall der Vermögenswerte und eine weltweite Deflation. "Diese Risiken bestehen auch weiterhin und die daraus resultierenden Gefahren sind unverändert", sagt Sven A. Kado, Chairman von MMC Deutschland, beim Jahrestreffen in Davos. "Global Risks 2010 blickt jedoch über die momentan noch andauernde Krise hinaus."

36 globale und miteinander vernetzte Risiken identifiziert

Der diesjährige Report identifiziert insgesamt 36 globale und miteinander vernetzte Risiken, von denen drei eine besonders hohe Eintrittswahrscheinlichkeit mit besonders großen ökonomischen Auswirkungen verbinden: Öffentliche Schuldenlast und Arbeitslosigkeit Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Regierungen der Industrieländer ihre Ausgaben drastisch erhöht. Viele Staaten laufen derzeit Gefahr, sich zu überschulden, was wiederum den Druck auf die Zinsen erhöht. Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass die Kombination aus hohen Zinszahlungen aufgrund steigender Staatsschulden und hohen Sozialausgaben wegen steigender Arbeitslosigkeit die Industrieländer strukturell überfordert. In der Regel könne dieses Defizit nicht durch Tilgung und Wirtschaftswachstum alleine wieder abgebaut werden, vielmehr seien erhebliche Reformen in den fortgeschrittenen Gesellschaften notwendig.

Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wird das durchschnittliche Verhältnis von Schulden zu Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) von 78 Prozent im Jahr 2007 auf 118 Prozent im Jahr 2014 steigen. Nach Ansicht der Autoren der Studie ist jedoch eine Verschuldung von über 100 Prozent des BIP dauerhaft nicht aufrechtzuerhalten, ohne irgendwann unter der Schuldenlast zusammenzubrechen. Dubai und Griechenland seien hier nur die Vorläufer.

Spätestens ab einem Verschuldungsgrad von 90 Prozent sei zudem mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums gegenüber den Normalerwartungen zu rechnen. Mangelnde Infrastrukturinvestitionen Weltweit belegen zahlreiche Studien, dass große Bereiche der Wasser-, Energie- und Transportinfrastruktur defizitär oder überlastet sind. Der IWF schätzt, dass bis 2020 Investitionen in Höhe von 35 Billionen US-Dollar für Infrastruktur benötigt werden. Diese Schätzungen beinhalten einerseits die Aufrechterhaltung und Erneuerung existierender Infrastrukturen in den Industrieländern – davon alleine 2,2 Billionen US-Dollar in den USA – und andererseits die für weiteres Wachstum erforderlichen Einrichtungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Defizitäre Budgets bedrohen essenzielle Investitionen

Defizitäre Budgets in den Industrieländern und knappe Haushalte in den Schwellen- und Entwicklungsländern bedrohen diese essenziellen Investitionen. Ohne eine verstärkte Einbeziehung privater Investoren wird das benötigte Kapital voraussichtlich nicht aufzubringen sein. Infrastrukturrisiken sind sehr eng mit vielen weiteren Risiken verflochten, so dass der Aufrechterhaltung und dem Ausbau von Infrastrukturen nach Ansicht des Global Risk Reports ein hohes Gewicht zukommt. Handel, Industrieansiedlung, die Versorgung der Bevölkerung, schnelle Hilfe bei Naturkatastrophen und viele andere Faktoren hängen an einer funktionierenden Infrastruktur. Für die zweite und dritte Welt identifiziert der Report vor allem in den Bereichen Land- und Wasserwirtschaft dringliche Infrastrukturaufgaben. Im Energiebereich wird vor allem die Umstellung auf erneuerbare Energien hohe Investitionen erfordern. Auch der Klimawandel wird hohe Infrastrukturaufwendungen nach sich ziehen: zum Schutz von Küstenregionen und Überschwemmungsgebieten einerseits, zur Wasserversorgung in trockener werdenden Gebieten andererseits.

Zivilisationskrankheiten weiter auf dem Vormarsch

Der demographische Wandel sowie veränderte Lebens- und Ernährungsgewohnheiten haben die Zahl und die Behandlungskosten von nicht ansteckenden Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes rapide nach oben getrieben. Obwohl diese Krankheiten üblicherweise mit Industrieländern in Verbindung gebracht werden, finden sich 80 Prozent ihrer jährlich 35 Millionen Opfer in Schwellen- und Entwicklungsländern, und die Hälfte von ihnen ist unter 70 Jahre alt. Wird dieses Problem nicht angegangen, so wird die Mehrheit dieser Länder – mit Ausnahme Zentralafrikas – im nächsten Jahrzehnt einen historischen Wandel erleben: Während die Todesrate durch Infekte, Fehlernährung, Schwangerschaften und Kindersterblichkeit um 3 Prozent zurückgeht, wird die durch nicht ansteckende Krankheiten verursachte Sterblichkeit um 71 Prozent steigen. Dies bedroht die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Stabilität dieser Länder.

Aber auch in den Industrieländern sind die nicht ansteckenden Krankheiten ein zunehmendes Problem, in den USA sorgen sie bereits heute für rund ein Drittel der Ausgaben des Gesundheitssystems. Die Gründe für diese Krankheiten sind meist Fehlernährung sowie übermäßiger Alkohol- und Tabakgenuss. Sie könnten relativ einfach durch eine breite Gesundheitserziehung bekämpft werden, wie Beispiele aus Großbritannien und den USA zeigen. Stärkere Vernetzung der Risiken In den fünf Jahren der Existenz des Reports hat nach Ansicht des Global Risk Council die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Risiken deutlich zugenommen.

Komplexe Abhängigkeiten zwischen den Risiken

Neu in Global Risks 2010 ist deshalb die "Risks Interconnection Map"; diese Übersicht wurde erstmals für den Report erstellt und zeigt die Abhängigkeiten zwischen den wichtigsten globalen Risiken auf. Eine solche vernetzte Sicht von globalen Risiken führt zum besseren Verständnis und macht die erhöhte Komplexität im Risikomanagement deutlich. Derzeit sind die Verantwortlichkeiten bei der Mehrheit der identifizierten Risiken auf viele Organisationen und Regierungen verteilt und oft bleibt unklar, wer für ihr Management verantwortlich ist. Der Report fordert deshalb, die Position nationaler Risikomanager einzurichten. "Bisher gibt es noch kein adäquates System, um globale Risiken gezielt managen zu können", so MMC Deutschland Chairman Sven A. Kado. "Doch die Anfänge sind gemacht, wie die gemeinsame Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr oder die Erweiterung der G8- auf eine G20-Runde zeigen. Inzwischen ist allen Verantwortlichen bewusst, dass langfristiges und vernetztes Denken sowie gemeinsames und diszipliniertes Handeln notwendig sind, um die globalen Risiken besser managen und bewältigen zu können."


Download des Risikoreports "Global Risks 2010":


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

oekoek68 /26.01.2010 13:20
Na die Abhängigkeiten zwischen Arbeitslosigkeit - mangelnder Gesundheitsvorsorge und -behandlung - Schuldenlast einzelner Personen und Staaten - Wirtschaftsflaute - sozialen Unruhen usw. sind ja nicht so schwer zu erkennen. Man will wohl bloß nichts von dem Thema wissen. So, ich muss nun weiter an meinem Panic Room bauen :-)
RiskManager /26.01.2010 13:26
Interessant ist vor allem ein Vergleich des Reports "Global Risks 2008" mit 2009 und nun 2010. Die globale Risikolandkarte ist massiv in Bewegung. Während vor einigen Jahren noch die Themen Terrorismus dominierten, kämpfen wir im Jahr 2010 vor allem mit makroökonomischen Risiken. Glückwunsch an die Autoren. Klasse Idee und interessante Ergebnisse ...
Pleitegeier /26.01.2010 17:13
Spannend wäre auch wer auf welchem Erdteil welche Risiken stärker im Fokus hat: In Deutschland interessiere ich mich mehr für makroökonomische Risiken, im Libanon wohnend würde ich wahrscheinlich eine andere Prioritätsliste von wichtigen Risiken erstellen :-)
seneca /27.01.2010 09:55
Ja, Pleitegeier, da sind wir beim Thema Risikowahrnehmung. Da spielen einfache Fragen eine Rolle: Fühle ich mich bedroht? Menschen im Libanon oder in Afganistan werden die Frage anders beantworten als wir in Europa. Wenn ich am Tropf der staatlichen Transferleistungen hänge, dann wird meine Risikolandkarte anders aussehen. Wenn ich eine Exportnation bin (D, China, Japan), dann werde ich vor allem makroökonomische Risiken im Fokus haben. Spannend wäre einmal ein Vergleich unterschiedlicher Risikolandkarten aus verschiedenen Länder und auf unterschiedlichen Ebnenen (supranational, national, Mikroebene etc.)
hobi /28.01.2010 23:59
Gegen die Zunahme von Zivilisationskrankheiten ... wie Herz-Kreislauf-Leiden und Diabetes ... kann viel getan werden. Vor allem gesünder ernähren und mehr Bewegung. Für unser Rentensystem kann die Zunahme aber auch einen positiven Aspekt haben.
Spannende Analyse! Glückwunsch an die Studienautoren!
sabine /29.01.2010 10:48
Das mit Abstand größte ökonomische Risiko sehe ich aktuell in China. Eine harte Landung von China würde die Weltwirtschaft mit in den Keller ziehen. ;-(
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