Deutliche Kritik übt Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache an "finanziellen Exzessen ohne soziales Verantwortungsbewusstsein" und Managern und Bankern "ohne Maß und Mitte". Merkel weist darauf hin, dass die Welt über ihre Verhältnisse gelebt habe. "Nur wenn wir diese Ursachen benennen, können wir die Welt aus dieser Krise führen. Dazu brauchen wir klare Grundsätze: Der Staat ist der Hüter der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung. Der Wettbewerb braucht Augenmaß und soziale Verantwortung." Auf selbstkritische Worte verzichtet Merkel. Standen nicht am Beginn der Krise staatliche Eingriffe, um den US-Immobilienmarkt zu beleben? Entdeckte nicht eine kleine Schar Prüfer der Deutschen Bank bei der Hypo Real Estate die Finanzlöcher, die den 1.600 Mitarbeitern der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den vergangenen Jahren verborgen geblieben waren? War es nicht die Deutsche Bank, die auf Risiken bei der IKB Deutsche Industriebank hinwies und anschließend die Kreditlinien kürzen wollte, lange bevor die Finanzaufsicht BaFin bzw. das Bundesministeriums der Finanzen aus ihrem Schlaf mit offenen Augen erwachten?
Koalition von Inkompetenz und Pseudo-Kontrollorganen schließt Politik ein
Waren es nicht vor allem staatliche Landesbanken, die in den vergangenen Jahren auf den globalen Kapitalmärkten das große Rad drehten? Eigentlich sollten sie ohne Druck von Aktionären und privaten Eigentümern der regionalen und besonders der mittelständischen Wirtschaft dienen, sollen die Flächen bedienen und auch den sogenannten "kleinen Leuten" Geldgeschäfte sichern. Selbstüberschätzung, Übertreibungen, Missmanagement und grenzenloser Risikoappetit sind bei Vorständen und Aufsichtsräten von Landesbanken anscheinend besonders stark ausgeprägt. Sie stehen in der ersten Reihe, wenn auf den globalen Finanzmärkten das schnelle Geld verdient werden kann.
Selbstverständlich weist Angela Merkel nicht darauf hin, dass auch die Politik zur Koalition von Inkompetenz und Pseudo-Kontrollorganen gehört. In den vergangenen Monaten waren Politiker schnell dabei, Vorstände von Banken "gnadenlos" für Ihr Versagen im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise zur Verantwortung zu ziehen. Ausgeblendet wird regelmäßig das massive Versagen der Politik, u. a. auch in der Rolle ihrer Aufsichtstätigkeit der in den Subprime-Strudel geratenen Banken (allen voran die IKB, die SachsenLB, die WestLB und die BayernLB).
Vorgabe von Renditezielen ohne Risikoadjustierung
Ein Vorstand agiert nicht im luftleeren Raum. Vielmehr trifft der Aufsichtsrat auch die Entscheidung darüber, welche Renditen das Unternehmen anstreben soll und welche Risiken dafür eingegangen werden. Leider haben die wenigsten Aufsichtsräte jemals etwas von einer risikoadjustierten Rendite gehört. Eine ganz wesentliche Ursache für die aktuelle Krise liegt darin, dass das Grundprinzip einer wertorientierten Unternehmensführung verletzt wurde, nämlich das Abwägen der erwarteten Rendite und der Risiken. Ob 25 Prozent prognostizierte Rendite gut oder schlecht sind, kann man nicht beurteilen, wenn keine quantitativen Informationen über den Risikoumfang zum Vergleich verfügbar sind. Die Vorgabe eines Renditeziels ohne Risikoadjustierung führt zur gezielten Auswahl riskanter Geschäfte und dem Bestreben, deren Rendite durch den Einsatz von Fremdkapital immer mehr zu hebeln.
Frau Merkel unterstellt mit ihrer Kritik an Managern, dass es keine Aufsichtsräte gegeben hat, die von ihren Vorständen eine immer höhere Rendite verlangt haben und damit auch das Eingehen höherer Risiken gebilligt oder sogar darauf gedrängt haben. Liebe Frau Merkel, wenn Sie mit der Gier argumentieren, dann müssen sie möglicherweise woanders suchen.
Ein Blick in die Kontrollorgane der Landesbanken und Staatsbanken zeigt, dass Bankfachleute oder Risikomanagement-Experten extrem rar gesät sind. Weder die Politiker noch die Finanzaufsicht hat die Struktur und Komplexität von Conduits und Structured Investment Vehicles durch Asset-backed Commercial Papers (ABCP) und ähnliche Papiere verstanden. Jedoch hätte ein einfacher Blick in die reale Welt der US-Immobilienmärkte auch dem Nicht-Experten relativ schnell verdeutlicht, dass alle Marktteilnehmer auf einem Pulverfass saßen und die einzige Unbekannte im Spiel der Zeitpunkt der Explosion war.
Der Bundespräsident war deutlicher
Bundespräsident Horst Köhler hatte vor wenigen Wochen deutlichere Worte gefunden. Ende November wies er darauf hin, dass die Kette des Versagens viele einschließt, sowohl den Markt als auch den Staat. Daraus ergibt sich eine Verantwortlichkeit, so Köhler. "Alle Verursacher der Krise müssen sich dieser Verantwortung stellen. Deshalb sage ich auch: Allen wäre geholfen, wenn der Aufarbeitung der Krise eine sorgfältige Ursachenanalyse zugrunde gelegt würde – erstellt von Leuten, die wissen, worum es geht, und die in ihrem Urteil unabhängig sind." In den üblichen Lobbyismus zurückzufallen, um den eigenen Beitrag klein zu halten, ist keine angemessene Haltung, so der Bundespräsident. Es ist an der Zeit für uns alle, über den Tellerrand hinaus zu denken." Frau Merkel hat leider noch nicht über den Tellerrand hinaus geschaut ...
Kommentare zu diesem Beitrag
seit einiger zeit nun schon stehen deutschlands manager im kreuzfeuer der kritik. dabei wird leider immer wieder übersehen, dass es sicherlich schwarze schafe gibt. pauschalschelte schadet sowohl dem standort d als auch unserer wirtschaft ingesamt. etwas mehr selbstkritik wäre angebracht, frau bundeskanzlerin!
Alle sind im Rausch, der in der Regel auch lange gut geht. Doch plötzlich bekommt ein Zocker/Spieler kalte Füsse und steigt aus (beispielsweise bei der Tulpenblase, als im 17. Jahrhundert ein Händler nicht mehr bereit war, 5.500 Gulden = etwa 87.000 Euro heute für eine Tulpenzwiebel zu zahlen). Das Vertrauen bricht zusammen und die Blase platzt. Die Manager und Banker landen auf der Guillotine und irgendwann geht das Spiel wieder von vorne los.
Aber Neujahrsansprachen sind ja auch nicht ernst zu nehmen. Der Vergleich von politischen Ansprachen mit Horoskopen gefällt mir gut: Immer was zu sagen, es kommen auch zur aktuellen Lage passen Schlagwörter vor, aber dennoch unverbindlich und der Zuhörer weiß anschließend weder was konkret gesagt wurde geschweige denn was er nun für einen Handlungsnutzen daraus ziehen soll ... Einen guten Rutsch, wohin auch immer...