Wie robust urbane Infrastrukturen in Krisen sind, hängt vor allem von einer stabilen Stromversorgung ab. Für die Planung der intelligenten Netze der Zukunft, die ohnehin volatilen Bedingungen ausgesetzt sind, ist dies eine Herausforderung. Denn in Smart Grids spielen nicht nur viele Komponenten zusammen, sie werden auch zunehmend automatisiert gesteuert und damit verletzlicher für Störungen durch Cyber-Attacken oder Naturkatastrophen. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wollen die Resilienz der Netze zielgerichtet und nachhaltig stärken.
"Mit der zunehmenden Steuerung unserer Stromversorgung durch Informations- und Kommunikationstechnologien vergrößert sich die Angriffsfläche", erklärt Sadeeb Simon Ottenburger, Wissenschaftler am Institut für Kern- und Energietechnik (IKET) des KIT. Der Austausch von Daten über eine parallel laufende IKT-Infrastruktur ist die Voraussetzung für eine dezentrale, am Bedarf orientierte und ökonomische Stromversorgung, wie Smart Grids sie künftig ermöglichen sollen. Über die Manipulation dieser Daten können Hacker bereits heute Bedarfszahlen und Werte verändern und so eine vermeintliche Überlastung des Netzes herbeiführen oder auch einzelne Komponenten ausschalten, die Strom einspeisen sollen. "Theoretisch kann man alles hacken", sagt der Experte. Was dies bedeutet, zeigt zum Beispiel ein Blick in die Ukraine, wo eine solche Attacke im Dezember 2015 die Stromversorgung lahmlegte.
"Micro Grids" zur Erhöhung der Resilienz
Mit Blick auf mögliche Cyber-Angriffe, aber auch auf andere Krisenszenarien wie Erdbeben oder Starkregen zielt Ottenburger auf eine präventive Strategie, die bereits in der Planungsphase Risiken berücksichtigt und im Energiemanagementsystem implementiert werden soll. Sie soll in Echtzeit greifen, und dies nicht erst bei einem Blackout, sondern bereits bei Strommangel-Szenarien, so genannten Brownouts. Hierfür setzt der Mathematiker an zwei Stellschrauben an. Freiheitsgrade bietet zum einen die Gestaltung der Netztopologie. Sie soll auf "Micro Grids" aufbauen, also vielen kleinen Inseln, die voneinander unabhängig Strom zur Verfügung stellen können. Dies bietet unter anderem die Möglichkeit, kritische Infrastrukturen auf verschiedene Mikronetze zu verteilen. Ein solches Subnetz konnte zum Beispiel nach dem Erdbeben in Fukushima die Stromversorgung eines Universitätsklinikums sicherstellen.
Simulation von Ausfall-Szenarien
Spielraum bietet zum anderen die Konfiguration der für die Stromverteilung wichtigen Komponenten innerhalb eines "Micro Grids", also der Erzeuger und Speicher sowie der Komponenten des IKT-Netzes selbst. Die Topologie eines Smart Grids, welche durch die Zerlegung in "Micro Grids" und die Konfiguration der Einzelnetze im Wesentlichen bestimmt wird, soll als variabler Parameter in ein Simulationsmodell einfließen. Dieses kann für einzelne Modellstädte verschiedene Ausfall-Szenarien durchspielen und dabei sich ändernde Rahmenbedingungen und die Situation in anderen kritischen Infrastrukturen mit einbeziehen. "Wir öffnen in der Energieforschung am KIT ein neues Feld und wollen mit unserem Modell einen weiteren Beitrag leisten, um die Resilienz urbaner Räume insgesamt zu stärken", betont Ottenburger.
Das Simulationsmodell soll in Kooperation mit dem Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) auf der Basis lokaler Daten aus Karlsruhe entstehen. Am CEDIM, einer interdisziplinären Forschungseinrichtung des KIT, kooperieren 16 Institute im Bereich des Katastrophenmanagements. Sie entwickeln Werkzeuge und Technologien, die helfen, natürliche und vom Menschen verursachte Risiken zu analysieren, früher zu erkennen und besser zu bewältigen.
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