Die Rohstoffpreise haben in den letzten Jahren hohe Volatilität gezeigt, die in vielen Fällen mögliche Parallelen zur weltwirtschaftlichen Konjunktur aufgewiesen hat. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass Rohstoffpreise eine größere Bedeutung bekommen haben, wenn es darum geht, die zukünftige Entwicklung der Weltkonjunktur einzuschätzen. Auch am aktuellen Rand ist dies der Fall. Nach der Erholungsphase im vergangenen Jahr scheint die Rohstoffpreisentwicklung 2017 etwas an Dynamik verloren zu haben. Das wirft nun die Frage auf, ob diese Entwicklung ein mögliches Indiz für eine bevorstehende Abkühlung der Weltwirtschaft darstellt.
Wie alle Preise werden auch die Rohstoffpreise durch Angebot und Nachfrage bestimmt, auch wenn Finanzmärkte kurzfristig für erhöhte Volatilität bzw. Überreaktionen der Preisentwicklung führen können. Beispiel dafür ist die Rohölpreisentwicklung der Jahre 2008 und 2015/16. Der Zusammenhang zwischen Weltkonjunktur und Rohstoffpreisen ergibt sich vor allem durch die Nachfrageseite der Preisbestimmung. Kühlt sich die Konjunktur ab, sinken erst die Nachfrage nach Rohstoffen und anschließend der Preis. Die Angebotsseite ist weniger relevant, denn sie erweist sich oftmals als träge, da die Kapazitäten nicht kurzfristig angepasst werden können. Volkswirte sprechen dann von einem unelastischen Angebot. Allerdings können die Bedingungen für Rohstoffmärkte durchaus unterschiedlich sein. So kann eine schlechte Witterung (Stichwort El Niño) die Angebotsseite von Agrar-Rohstoffen stark beeinflussen und somit für Preisveränderungen oftmals bedeutender sein als Änderungen der Nachfrage. Preise für Industrierohstoffe sind hingegen vor allem von der globalen Industrieproduktion abhängig und werden somit durch die Nachfrage beeinflusst.
Abbildung 01: Rohstoffpreisindizes; 2005 = 100 [Quelle: IWF]
Trotz unterschiedlicher Treiber von Angebot und Nachfrage scheint eine ähnliche Entwicklung bei vielen Rohstoffpreisen erkennbar zu sein. Da Rohstoffe in US-$ gehandelt werden, hat eine markante Veränderung im Wert der Währung einen synchronen Einfluss auf die Preise verschiedener Rohstoffe. Ein anderer Grund des Gleichlaufs mag darin liegen, dass Märkte – vor allem Finanzmärkte – in extremen Situationen zu synchronen, heftigen Reaktionen neigen. Ähnliches scheint auch bei Schwellenländern zu passieren, wo es häufig infolge veränderter Risikoeinschätzungen zu Ansteckungseffekten kommen kann. So mag die Sorge um die globale Konjunktur kurzfristig zu einer generellen Reaktion beziehungsweise einem Gleichlauf verschiedener Rohstoffpreise führen. Zwischen 1992 und 2007, eine Phase mit relativ stabiler Risikowahrnehmung und solidem globalen Wachstums, lag die Korrelation der monatlichen Veränderungen bei ausgesuchten Rohstoffpreisindizes bei 0,2. Für die Zeitperiode 2008 bis 2017 ergibt sich ein Wert von 0,6, wobei sie nach 2010, also in der Post-Krisenphase, tendenziell eher wieder sinkt und seit 2015 auf 0,3 zurückgegangen ist. So haben einschneidende Entwicklungen wie die Finanzkrise die Korrelation und damit den Gleichlauf deutlich erhöht. Dies ist allerdings keine Entwicklung, die sich auf Rohstoffe beschränkt. Grundsätzlich zeigen Finanz- und Devisenmärkte seit 2008 einen deutlich höheren Gleichlauf. Hierfür sind globale Krisen verantwortlich, die zu ähnlichen Reaktionen auf allen Märkten führten. Wie jedoch aus der sinkenden Korrelationen ersichtlich ist, scheinen sich die weltweiten Turbulenzen seit 2015 gelegt zu haben.
Bei der Beziehung zwischen Rohstoffpreisen und der globalen Konjunktur ist es umgekehrt: In extrem volatilen Zeiten sinkt die Bedeutung der globale Konjunktur als Treiber der Rohstoffe, da Märkte ein deutlich volatileres Verhalten zeigen als dies für die Realwirtschaft der Fall ist. So liegt die Korrelation in der Phase 2008 bis 2017 bei 0,6, während sie für den Zeitraum seit 2010 bei fast 0,9 liegt. Grundsätzlich scheint somit der Zusammenhang in der Zeit nach einer Krise bedeutender zu sein als vor einer Krise, wobei Schätzungen über kurze Zeiträume sicherlich mit Skepsis zu sehen sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass diese Ergebnisse auf den jährlichen Veränderungsraten der Variablen beruhen und somit eher den grundsätzlichen Zusammenhang als eine kurzfristige Volatilität spiegeln.
Allerdings kann eine deutliche Korrektur auf den Rohstoffmärkten sicherlich als Indiz für sich aufbauende Konjunkturrisiken gesehen werden, auch wenn die Finanzmärkte oftmals übertreiben. Doch sind es die Rohstoffmärkte, die ein Signal für die Realwirtschaft geben oder ist es die Entwicklung der Realwirtschaft, die steigende Sorgen und Überreaktionen auf den Rohstoffmärkten verursachen? Um ein Frühindikator zu sein, müssen die Rohstoffpreise vor einer Veränderung der globalen Konjunktur reagieren und nicht anders herum, was auf Grundlage von Nachfrageffekten eigentlich zu erwarten wäre: Die Konjunktur trübt sich zuerst ein und spiegelt sich in fallenden Preisen in der Folgeperiode wider. Kausalitätstests können Aufschluss darüber geben, welche Veränderung zuerst stattfindet. Folgendes ist zu berichten:
- Zeitspanne 1992 – 2007: Kausalitätstests geben keine klare Indikation dafür, dass Rohstoffpreise ein Frühindikator für die Weltkonjunktur sind. So kann zwar ein gewisser Gleichlauf auf Grundlage von Nachfrageeffekten gegeben sein, ein Frühindikator waren Rohstoffpreise allerdings nicht.
- Zeitspanne 2008 – 2017: Kausalitätstests zeigen, dass es eher das globale Wachstum ist, das ein Frühindikator für die Rohstoffpreisentwicklung darstellt. Steigt die Produktion, wird dies in einer steigenden Nachfrage nach Rohstoffen sichtbar, was in Folge zu Preisdruck führt.
- Zeitspanne 1992 – 2016: Tests deuten auf eine klare Kausalität vom Wachstum der Industrieproduktion hin in Richtung einer Veränderung der Rohstoffpreise.
Abbildung 02: Welt-BIP und globale Industrieproduktion; Veränderung in % ggü. Vorjahr
Rohstoffpreisvolatilität kann die temporäre Sorge der Finanzmärkte über den globalen Konjunkturverlauf spiegeln. So deutet ein Rohstoffpreiseinbruch eher auf eine kurzfristige Wahrnehmung des Marktes für höhere Risiken hin, nicht aber auf einen bevorstehenden realwirtschaftlichen Rückgang der Nachfrage. Eine kurzfristige Volatilität der Rohstoffmärkte sollte somit nicht als Indiz für bevorstehende Veränderungen des konjunkturellen Umfelds dienen. Denn erst mit dem eigentlichen konjunkturellen Einbruch scheinen Rohstoffpreise nachhaltig unter Druck zu kommen. Da allerdings realwirtschaftliche Daten erst mit einer Verzögerung veröffentlicht werden, könnten Rohstoffpreisveränderungen durchaus gewisse Risiken andeuten – vor allem wenn sich eine Trendwende abzeichnet. Gemäß Abbildung 01 scheint die aktuelle Erholung der Rohstoffpreise jedoch immer noch in Takt zu sein. Der aktuelle monatliche Rückgang mancher Indizes ist deshalb alleine kein Indiz für eine Wende im globalen Konjunkturausblick.
Fazit: Rohstoffpreise werden seit 2008 zunehmend als Frühindikator globaler Konjunkturentwicklungen gesehen. Fakt ist, dass seit 2008 die Korrelation zwischen Rohstoffpreisveränderungen und globalem Wirtschaftswachstum höher ausfällt als vor der Finanzkrise. Doch Korrelationen bedeuten nicht, dass Rohstoffpreise einen Frühindikator für die globale Konjunktur darstellen. Empirische Ergebnisse zur Kausalität deuten eher daraufhin, dass es die globale Konjunktur oder Industrieproduktion ist, die zukünftige Rohstoffpreisentwicklung beeinflussen. So sollte der aktuelle Rückgang einiger Rohstoffpreise nicht als Indikation einer bevorstehenden erneuten Eintrübung der globalen Konjunktur gesehen werden. Auch hat der grundsätzliche Erholungstrend der Rohstoffpreise weiterhin Bestand. Die IKB erwartet für 2017 ein globales BIP-Wachstum von rund 3,5 Prozent und somit ein deutlich positiveres globales Umfeld als im Jahr 2016. Die deutschen Exporte sollten davon profitieren und 2017 mit rund 4 Prozent real zulegen.
Autor:
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG