"Social Media" sind heute ein zentrales Thema in der Kommunikation und bestimmten zunehmend auch den öffentlichen Diskurs. Denn die Möglichkeiten des blitzschnellen Informationsaustausches und der multioptionalen Vernetzung von Usern eröffnen ganz neue kommunikative Dimensionen. So sind die gesellschaftlichen Netzwerke im Web 2.0 in nur wenigen Jahren zu einem Medium avanciert, das in rasantem Tempo wächst und das auch die Beziehung Kunde – Marke grundlegend verändert hat. Fachmedien beschwören einen Paradigmenwechsel in der Markenführung durch zunehmenden Kontroll- und Hoheitsverlust der Unternehmen über ihre Marken. Es wird sogar befürchtet, dass die Markenführung in den Hoheitsbereich der User von Social-Media-Plattformen übergegangen ist. Ein Bedrohungs-Szenario, das ein zentrales Risiko für die Unternehmen bedeuten würde. Doch wie hoch ist der Wahrheitsgehalt solcher Prognosen?
Social-Media-Plattformen wecken zunehmend falsche Erwartungen
Als inzwischen größte "Empfehlernetzwerke" wecken Social-Media-Plattformen zunehmend die Begehrlichkeiten von Marketing- und PR-Managern, die in den neuen Medien ungeahnte Möglichkeiten zur Kommunikation mit den Konsumenten sehen, um das Image ihrer Marke zu verbessern, aber auch um Innovationen zu generieren oder Kreativwettbewerbe auszuschreiben. Der besondere Reiz dabei ist, dass diese Reichweitenstarken Medien dazu auch noch kostenlos nutzbar sind. Marketing- und PR-Spezialisten verfolgen deshalb oftmals die Vision, mit geringstem Aufwand eine maximale Verbreitungsdynamik zu initiieren. Doch ganz im Gegensatz zu den Hoffnungen der Werbetreibenden wollen nur wenige Konsumenten über gesellschaftliche Netzwerke mit Marken kommunizieren, wie eine aktuelle Grundlagenstudie der Different Strategieberatung in Deutschland dokumentiert. Dabei ist laut der Studie das Markenbewusstsein der Social-Media-Nutzer ähnlich hoch wie bei den Nutzern anderer Medien. Die Studie belegt zugleich, dass Social-Media-Plattformen im Kaufentscheidungsprozess dennoch eine wichtige Rolle spielen.
Das Social Web wird als Risikofaktor für Marken erkannt. Doch nur wenige gehen damit proaktiv um
Laut einer aktuellen und repräsentativen Studie des Kompetenzportals RiskNET, der PRGS Unternehmensberatung und Executive Partners Group, die 2.400 Risikomanager und Kommunikationsverantwortliche aus dem deutschsprachigen Raum befragte – sieht dies ein nicht unerheblicher Teil der befragten Manager offenbar auch so: 22 Prozent gaben an, sich an Social-Media-Plattformen zu beteiligen, um das Unternehmens- und Markenimage zu verbessern und 16,5 Prozent um Kunden zu gewinnen und zu betreuen. Doch gleichzeitig dokumentiert die Studie, dass 60 Prozent der Befragten das Risikopotenzial der gespeicherten und transportierten Informationen auf Social-Media-Plattformen – bezogen auf Reputationsrisiken – als hoch bis sehr hoch einschätzen. Nur 8 Prozent sehen hier keine Risiken. Fast 90 Prozent der Befragten befürchten sogar in Zukunft eine deutliche Zunahme des Risikopotenzials durch wachsende Frequentation der Social-Media-Plattformen. Was lässt sich nun aus diesen Informationen für die Führung von Marken im Social Web ableiten?
Wirkungsvoll Markenführung orientiert sich nicht an der zufälligen Mehrheit im Netz
Marken bilden eine Kundschaft. Mit anderen Worten: Sie verbinden die einzelnen Kunden mittels ihrer Produkte und Leistungen zu einem sozialen System und setzen damit eine Massenbildung in Gang. Je größer das Vertrauen in die Markenleistung bei der Markenkundschaft ist, desto gleichgerichteter kann die Marke ihre Leistungen anbieten, und desto erfolgreicher werden diese vermarktet. Aufgrund der Struktur und Verbreitung klassischer Medien wie Anzeigen oder TV-Spots, die kaum direkte Kontakte unter den Nutzern ermöglichen, findet keine massenhaft vernetzte Meinungsbildung statt, die unter Umständen negative Auswirkungen auf das Vertrauen in die Marke ausüben könnte. "Schwächen können sich herumsprechen, führen aber nicht zu einer willkürlich beeinflussbaren Reaktion" erläutert Manfred Schmidt vom Institut für Markentechnik in einem Interview mit der Fachzeitschrift Markenartikel (Ausgabe 3/2011). Aufgrund "physischer Nähe" der Nutzer bieten Social-Media-Plattformen laut Schmidt dagegen die Möglichkeit einer massenhaften negativen Meinungsbildung wie zum Beispiel "plötzliche Meinungsumschwünge, die durch völlig unqualifizierte Bewertungen ausgelöst werden". Insofern sollten Social Media-Plattformen nicht zu neuen "Wundermedien" hochstilisiert, sondern ob ihrer Chancen und Risiken für die eigene Marke sehr genau geprüft werden. Vor allem sollte sich dabei die Erkenntnis durchsetzen, dass sich wirkungsvolle Markenführung nicht an einer zufälligen Mehrheit im Netz, sondern an den treuen Kunden der Marke ausrichtet, die mit ihrer Marke über die gleichen Wertvorstellungen sinnhaft verbunden sind.
Im Social Web wird das Vertrauen in die Marke in einer ganz neuen Dimension geprüft
Eines ist jedoch sicher: Wer glaubt, kostenlos die Bekanntheit seiner Marke steigern oder Social-Media-Nutzer auf die Schnelle zu gläubigen Kunden machen zu können, der befindet sich – auf gut deutsch gesagt – "auf dem Holzweg". Denn die Beziehung der Marke zur Öffentlichkeit baut auch im Social Web allein auf Vertrauen auf. Und das kann gerade im Internet sehr schnell verspielt werden, wenn man die Identität seiner Marke nicht kennt und vor allem, wenn man die Bedürfnisse des Kunden ignoriert oder ihn gar für dumm verkaufen will. Das haben in jüngster Zeit so renommierte Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Nestlé, Jack Wolfskin oder Vodafone schmerzlich erfahren müssen. Sogar der Global Player Henkel bekam im Frühjahr 2011 die Macht des Social Web zu spüren, als er für sein Spülmittel Pril einen Design-Wettbewerb zur Gestaltung einer neuen Pril-Flasche veranstaltete. Da die Social-Web-Community in diesem demokratischen Medium ihre eigene Auswahl auch selbst prämieren wollte und sich von der von Henkel eingesetzten Jury schlicht übergangen fühlte, eskalierte blitzschnell auf Facebook der Wettbewerb und löste einen "Shitstorm" aus.
Die Reaktion in anderen Medien blieb nicht aus: Sogar der Spiegel und Focus berichteten über das Desaster. Besonders fatal für die Marke Pril: Die Suchmaschinen im Internet vergessen im Unterschied zu Menschen nichts. Die schlechte Nachricht ist und bleibt für immer im Netz. Hier entsteht also eine ganz neue Qualität der Vertrauensprüfung durch die Nutzer, die den Nachrichten im Internet geradezu blind vertrauen. So bestätigt zum Beispiel auch die FUR-Reiseanalyse 2009, dass 19 Prozent aller Reisenden ein anderes als das zuerst ausgewählte Hotel gebucht haben, nachdem sie herausfanden, dass ihr ursprünglicher Favorit im Internet schlecht bewertet wurde. Mit anderen Worten: Schlecht bewertete Hotels verlieren jeden fünften Gast allein aufgrund der Bewertung im Internet.
Markenführung im Web 2.0 bedarf noch mehr Professionalität und Kundenorientierung
Die Unternehmen müssen deshalb alles tun, um insbesondere die Reputation ihrer Marken positiv zu beeinflussen und kontinuierlich zu verbessern. Denn nicht zuletzt ist die Reputation ein zunehmend wichtiger Kaufauslöser: Sie fördert die Kundenloyalität und das Empfehlungsverhalten. Die Entwicklung und der Einsatz von professionellen Social-Media-Strategien als Teil der Vertriebs- und Kommunikations-Strategie, schaffen die Voraussetzung dafür, dass über die eigene Marke im Social Web positiv gesprochen wird. Und dies ist zwingend notwendig, denn die Konsumenten glauben immer weniger dem "werblich geschönten Eigenlob" der Unternehmen, sondern immer mehr den Erfahrungen, die zufriedene oder unzufriedene Kunden, Käufer oder Verwender in den Plattformen mitteilen. Insofern ist es nicht mehr so relevant, was die Unternehmen über die Marke verkünden, sondern allein was die Web-User über die Marke sagen – und wie die Unternehmen damit umgehen.
Allerdings haben nur 25 Prozent der von RiskNET und deren Partnern befragten Unternehmen bisher eine Social-Media-Strategie entwickelt. Und nur 14 Prozent haben diese in die Risikomanagement-Prozesse ihres Unternehmens eingebettet. Knapp über die Hälfte der Unternehmen lassen eine solche Strategie immer noch von den Abteilungen Unternehmenskommunikation, PR oder Investor Relations steuern. Nur 8 Prozent haben hierfür eine eigene Abteilung gegründet. Die Zahlen zeigen, wie groß der Nachholbedarf der Unternehmen in Sachen Social-Media-Marketing immer noch ist.
Was muss denn nun eine Social-Media-Strategie leisten, damit die Kommunikation im Social Web auf die Marke einzahlt? Social-Media-Strategien verfolgen an erster Stelle das Ziel, die Marke im Social Web risikoarm zu führen. Mit anderen Worten: Die Markenführung liegt auch hier noch allein in den Händen des Unternehmens und nicht – wie vielfach behauptet wird – im Hoheitsbereich der User. Starke Marken bieten zudem wenig Spielraum für Spekulationen und Fehlinterpretationen, da sie die Produkt- und Servicequalität kontinuierlich sicher stellen und ihre Selbstähnlichkeit bewahren. Im Unterschied zur klassischen Markenführung sind jedoch im Social Web bestimmte Grundprinzipien zu berücksichtigen, um das Risiko unzufriedener Kunden als wesentliche Ursache für eine negative Konsumenten-Kommunikation deutlich zu minimieren:
- Konsequente Kommunikation der wertegeleiteten Marken-Identität zur Schaffung von Vertrauen und Orientierung.
- Stärkere Integration der Wünsche und Bedürfnisse der Kunden in die Gestaltung der Marken-Identität als Voraussetzung zur Erzeugung eines glaubwürdigen positiven Marken-Images.
- Entwicklung von Direktmaßnahmen für eine "Krisen-Kommunikation" und Schaffung von Organisationsstrukturen im Unternehmen, damit die Social-Media-Strategie ihre Kraft voll entfalten kann.
Mit klaren Markenführungsregeln im Social Web auf das Markenkonto einzahlen
Social-Media-Strategien sollten im Unternehmen "top down" geplant und umgesetzt werden, dabei aber eine gesunde Mischung von autokratischen und demokratischen Aspekten in der Markenführung berücksichtigen. Die folgenden Regeln schaffen die Voraussetzung für eine effiziente und risikoarme Führung der Marke im Social Web:
Markenversprechen kontinuierlich einlösen: Grundlegend für eine wertsteigernde Markenführung im Social Web ist die Erkenntnis, dass die User Social Media dazu benutzen, ihre Erfahrungen mit der Markenleistung zu veröffentlichen, das Verhalten der Marke Dritten gegenüber zu kommentieren und sich diesbezüglich untereinander auszutauschen. Die Gestaltung der Marken-Identität als Bezugspunkt der Markenbildung steht deshalb auch beim Social-Media-Marketing im Fokus. Denn löst die Marke ihr Markenversprechen nicht kontinuierlich ein, hat das unmittelbare Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten der User im Web und zwar mit der Folge, dass sich negative Meinungen massenhaft verbreiten können.
Eine transparente, dialogorientierte Kommunikations-Kultur verfolgen: Eine offene und ehrliche Kommunikations-Kultur, die den User ernst nimmt, aufkommende Probleme proaktiv aufgreift und konkrete Lösungen in Echtzeit anbietet, ist immer schon der bessere Weg gewesen, wenn es darum geht, die Unzufriedenheit der Kunden in Zufriedenheit umzuwandeln. Arrogantes und ignorantes Verhalten ruft auf Kundenseite dagegen nur Enttäuschung und Frustration hervor, der sich sehr schnell und mit großer Wirkung im Web entladen kann – siehe den berühmten "Megaphone-Effekt". Frühzeitiger und direkter Dialog mit den "unzufriedenen Usern" kann Risiken insofern proaktiv vermeiden.
Relevante Informationen beschaffen, um die richtigen Angebote zu machen: Über ein Online-Monitoring sollte herausgefunden werden, welche relevanten Informationen über die eigene Marke im "Online-Buzz" (Gerede im Web) ausgetauscht werden. Auf dieser Basis können eigene Schwachstellen evaluiert und die Angebote entsprechend verbessert werden. Dazu gibt es heute bereits professionelle Anbieter wie Yahoo Pipes, Google Blog Search, Google Alerts oder Yasni & Co., die diesen Dienst kostenfrei bereitstellen. So können nicht nur die Online-Quellen aufgedeckt, sondern auch herausgefunden werden, ob diese eine Multiplikatoren-Funktion haben. Im Ergebnis lassen sich Risiken frühzeitig entdecken, auf deren Basis wirksame Strategien entwickelt werden können.
Die einflussreichsten Empfehler sondieren und als Markenbotschafter gewinnen: Wie die 2011 durchgeführte Grundlagenstudie der Different Strategieberatung ergab, haben nur 16 Prozent aller intensiven Nutzer von Social-Media-Plattformen eine hohe Interaktionsbereitschaft mit Marken. Allerdings wirkt diese kleine Gruppe als "intensive Brand Socialiser" – also als wichtigster Multiplikator von Markenbotschaften –, während der Großteil der User im Social Web eine wenig erfolgversprechende Zielgruppe für Marken darstellt. Wichtig für die Unternehmen ist es daher, nicht blindlings im Social Web zu agieren, sondern im Vorfeld ihre Anspruchsgruppen festzulegen und die wichtigsten User mit Empfehlungspotenzial zu evaluieren, zu gewinnen und zu binden, damit diese die Markenbotschaften auf ihre Websites stellen. Denn diese über Word-of-Mouth verbreiteten Inhalte zeigen eine deutlich höhere Wirkung, wenn es um Markenpräferenz und Kaufentscheidung geht, als die Werbebotschaften der Unternehmen. Schließlich geht es im Social Web nicht darum, was das Unternehmen mit seinem Content tut, sondern was die User damit tun.
Markeneigene "Territorien" bilden: Social-Media-Kampagnen bei Drittanbietern wie Twitter oder Facebook bergen das Risiko, dass das Unternehmen die Plattform nicht "unter Kontrolle" hat und markenstilfremde User angesprochen werden, die sich nicht als Kunden gewinnen lassen. Mit dem Aufbau von eigenen "Markenplattformen", wie Kunden-Foren, Contest-Sites, oder ein Social Media Hub / Corporate Blog, steigern die Unternehmen nicht nur die Markenbekanntheit, sondern bauen auch im Social Web verstärkt eine zur Marke passende Kundschaft auf, die ein nachhaltiges Wachstum sicherstellt.
Die Kontakte der Markenempfehler und von deren "Freunden" nutzen: Social-Media-Nutzer sind kontaktfreudig und vernetzen sich aktiv mit anderen Nutzern, wenn die Inhalte für sie nützlich und unterhaltsam sind. Die Unternehmen müssen ihnen deshalb alle Steine aus dem Weg räumen, damit diese ihre Markenbotschaften finden. Besser als zum Beispiel Sharing-Tools in die Website zu integrieren, ist es deshalb, den "Freunden der Freunde der Marke" zu folgen und deren Nachrichten durch Retweets weiter zu verbreiten. Der Ausdruck "Retweet" entstand übrigens in Bezug auf den Dienst "Twitter" und bedeutet, dass man eine Kurznachricht (einen Tweet) eines anderen meist wörtlich oder auch kommentiert wiederholt (re-peat).
Die klassischen Kommunikations-Maßnahmen beibehalten: Erfolgreich gelernte Methoden wie E-Mail- und Instant Messaging zur Kundengewinnung sollten nicht gleich aufgegeben werden, weil die Social-Media-Plattformen plötzlich "in" sind. Diese Methoden sind jedoch mit Inhalten aufzuladen, die für die anvisierte Kundengruppe von Bedeutung sind und dadurch kommunikative Wirkung erzielen. Verstärkt kann die Wirkung zum Beispiel durch nutzenstiftende Incentives werden, mit dem Ziel, die User anzuregen die Informationen an Dritte weiter zu geben.
Kommunikations-Inhalte mit Social Dimensions aufladen: Social-Media-Strategien sollten im Wesentlichen nicht darauf abzielen, klassische Werbung zu betreiben wie Anzeigen zu schalten oder Botschaften auf Foren-Pinnwände zu platzieren. Solche Aktivitäten erzeugen keine anziehende Wirkung bei der Zielgruppe und wirken eher kontraproduktiv. Dies gilt auch für das Anschreiben von Bloggern oder für Seedings (Seeding kommt von dem Wort Säen bzw. Platzieren: Bei Onlineaktivitäten wird das Seeding zum Beispiel bei Viralkampagnen eingesetzt, um in Foren, Blogs, Internetseiten und Portalen Botschaften zu verbreiten). Wenn das Unternehmen im Web kommuniziert, sollten die Informationen deshalb nur mit Inhalten aufgeladen werden, die zum Mitmachen und zum Dialog einladen.
Social-Marketing-Programme als Kunden-Service betrachten: Klassische Mediaplanung ebenso wie Reichweiten- und Frequenz-Analysen sind in der komplexen Social-Media-Welt nicht wirklich hilfreich. Entscheidend ist vielmehr, den Usern Informationen zu liefern, die für sie interessant und nützlich sind und deshalb von ihnen auch an weitere User weitergeleitet werden. Mit diesen Informationen – verstanden als Kunden-Service – erhöhen die Unternehmen nicht nur die Effektivität ihrer Kommunikation, sondern steigern auch das Vertrauen der User in die Marke, das für die Gewinnung neuer Kunden und für die Festigung der Bindung bestehender Kunden an die Marke besonders wichtig ist.
Marken erhalten im Social Web ihre anziehende Wirkung, wenn sie authentisch bleiben und ihr Qualitätsversprechen einlösen
Als Fazit kann man festhalten: Das Social Web stellt eine riesige Informations-Landschaft dar, die sich mittlerweile sehr stark auf die Bekanntheit und das Image von Marken auswirkt. Eine professionelle Social-Media-Strategie als Teil einer erfolgreichen Vertriebsstrategie ist deshalb heute ein "Muss". Denn auch im Social-Media-Marketing kommt es darauf an, ein glaubwürdiges, einheitliches und stringentes Bild von der Marke zu formen, um so deren Reputation zu fördern. Hierbei gilt eine einfache Tatsache: Wer mit nutzenstiftenden Alleinstellungsmerkmalen und Top-Leistungen glaubwürdig am Markt auftritt, sorgt auch für positive Kommentare, Fans und Fürsprecher im Social Web. Dabei sollten nicht nur die Prinzipien der Transparenz und des Dialoges verfolgt, sondern die eigenen Ideale bewahrt und die Einbindung des Kunden in die Identitätsgestaltung aktiv betrieben werden. Denn wer nach dem Motto agiert, "Der einzige der stört ist der Kunde", braucht sich über eine schlechte Reputation auch im Social Web nicht zu wundern.
Durch professionelles, strategisches Social-Media-Marketing Risiken proaktiv vermeiden
Die nachfolgenden Beispiele zeigen auf, welche Risiken im Web 2.0 lauern und welche Fehler man unbedingt vermeiden sollte.
Abbildung 1: November 2009 – Die Bahn stellt im Web 2.0 die Weichen falsch
Fall eins: Abmahnung Blogger
Die Abmahnung des Bloggers Markus Beckedahl von www.netzpolitik.org.
Markus Beckedahl hatte ein internes Memo der Bahn zur Mitarbeiter-Rasterfahndung im Netz veröffentlicht. Die darauf folgende Abmahnung der Bahn stellte er ebenso online. Erst durch das Aufgreifen dieser "David-gegen-Goliath-Geschichte" durch traditionelle Medien wurde eine breitere Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Ein Phänomen, das immer wieder zu beobachten ist, wie zum Beispiel auch im Falle der Sportmarke Jako oder von Jack Wolfskin. Am Ende gab sich die Bahn geschlagen und verzichtete auf weitere rechtliche Schritte.
Fall zwei: Erfundene User
Im Auftrag der Bahn wurde im Rahmen einer Viralkampagne in verschiedenen Foren und Blogs versucht, das Image der Bahn aufzupolieren. Erfundene User äußerten sich über die Kompetenz der Bahn, schrieben Leserbriefe und stellten Videos auf YouTube. Die Imagekampagne erzielte sogar kurzfristig Erfolge, bis sich herausstellte, dass diese User frei erfunden waren und es sich um eine von der Bahn mit 1.3 Millionen Euro bezahlte PR-Kampagne handelte, die der Bahn neben der Vertrauensbeschädigung sogar eine öffentliche Rüge des Deutschen Rates für Public Relations einbrachte.
Abbildung 2: September 2009 – Auf Dialog ausgerichtete Kommunikation ist der beste Weg
Jack Wolfskin mahnte die Dawanda GmbH aus Berlin ab, auf deren Internetseite Hobbydesigner Textilien mit einem Zeichen einsetzten, das angeblich Ähnlichkeiten mit dem Jack Wolfskin Bildzeichen, der bekannten "Wolfstatze", hatte. Nun handelt es sich bei Dawanda aber nicht um einen dreisten chinesischen Plagiateur, sondern um ein Online-Portal das Unikate und Selbstgemachtes "With Love" anbietet. Dawanda hatte daraufhin die beanstandeten 43 Artikel mit Pfotenabdrücken von der Seite genommen.
Trotzdem ließ der Konzern über eine Anwaltsfirma Abmahnungen an zehn der Verkäufer schicken. Diese sollten eine Unterlassungserklärung unterschreiben und jeweils 991,00 Euro für die Kosten des Abmahnschreibens bezahlen. Es war jedoch völlig umstritten, ob die Pfotenabdrücke auf den Produkten der Hobby-Designer überhaupt genügend Ähnlichkeit mit der Wolfstatze von Jack Wolfskin hatten. Das Unternehmen rechtfertigte jedoch sein Vorgehen damit, dass man zur Verteidigung der Marke gezwungen sei. Daraufhin rollte eine riesige Protestwelle der Internet-Gemeinde auf Jack Wolfskin zu, so dass sich der Konzern gezwungen sah, die Abmahnungen zurück zu ziehen und die beanstandeten Fälle als erledigt erklärte. In Zukunft will nun Jack Wolfskin sein "Vorgehen in Fällen von kleingewerblichen Angeboten verändern”: Statt Anwälte einzuschalten, wolle man lieber den Kontakt zu den Anbietern selbst aufnehmen.
Abbildung 3: März 2010 – Was Nestlé lernen musste: Mit Verboten kann man das Vertrauen der User im Web 2.0 nicht gewinnen
Sogar der Weltkonzern Nestlé hat lernen müssen, wie man professionelles Social-Media-Marketing betreibt: Für seinen Schokoriegel Kitkat bezog Nestlé Palmöl von seinem indonesischen Lieferanten Sinar Mas. Wie Greenpeace herausfand, rodete das Unternehmen zur Palmöl-Gewinnung große Urwaldflächen und bedrohte damit den Lebensraum von Orang-Utans. In einer viralen Kampagne prangerte Greenpeace dieses negative Verhalten an und ein Sturm der Entrüstung brach im Internet los. Nestlé reagierte und beendete die Zusammenarbeit mit dem Palmöl-Lieferanten. Zurück blieb dennoch eine Delle im Image der Marke. Warum?
Die Greenpeace-Kampagne erzielte eine riesige mediale Wirkung. In ganz Europa fanden Straßenaktionen statt: Greenpeace-Orang-Utans luden zum Beispiel die Mitarbeiter von Nestlé dazu ein, um 11 Uhr Pause zu machen. Greenpeace wählte dafür den Slogan "Nestlé, give the Orang-Utan a break” - als Anspielung auf den Nestlé Werbeslogan "Have a break have a Kitkat". In kurzer Zeit klickten rund 1,5 Millionen Internetnutzer den Spot an, 2.000 Verbraucher twitterten die Forderungen, die Greenpeace an Nestlé stellte und ca. 250.000 Menschen folgten innerhalb von 2 Monaten dem Aufruf. Außerdem äußerten sich User kritisch über Nestlé auf einer inoffiziellen Kitkat-Fanpage bei Facebook und auf der offiziellen Unternehmens-Fanpage bei Facebook rund 90.000 Mitglieder. Nun machte Nestlé entscheidende Fehler im Umgang mit der aufgebrachten Öffentlichkeit: Nestlé schaltete die Facebook Seite ab und löschte kritische Kommentare. Die User reagierten darauf mit Empörung und Unverständnis: "nestle, you have much to learn about the internet. and about common human decency” schrieb ein "Facebook-Freund”. Nestlé entschuldigte sich anschließend für sein Vorgehen. Doch was hätte Nestlé kommunikativ besser machen können? Welche drei zentralen Fehler hätte ein professionelles Social-Media-Marketing vermeiden können?
Fehler Nr. 1: Der Konzern agierte nicht in Echtzeit selbstbewusst und proaktiv, sondern reaktiv und träge. Dadurch ließ sich Nestlé nicht nur von Greenpeace "an den Pranger stellen", sondern lieferte den Social-Media-Usern den Zündstoff, um das Thema zu entdecken und kommunikativ zu besetzen.
Fehler Nr. 2: Statt in den Dialog zu treten, hat Nestlé vielmehr versucht, das Greenpeace Video zu verbieten. Allerdings erreichte man mit den Verbotsversuchen genau das Gegenteil: Das Video wurde von den Usern immer wieder eingestellt und erhielt eine noch größere Publicity.
Fehler Nr. 3: Der Weltkonzern besaß offenbar keine Social-Media-Strategie, die auch Regeln zur Nachhaltigkeits-Kommunikation und Strukturen zu deren Einhaltung im Unternehmen sowie klare Vorgaben für eine wirkungsvolle Krisen-PR beinhalteten.
Abbildung 4: Mit Schnelligkeit und Transparenz proaktiv Risiken vermeiden
Dass es auch anders geht als bei Nestlé, zeigte die Kaffeehauskette Starbucks. Im Dezember 2010 kritisierte das ZDF-Magazin Frontal 21 das Unternehmen für seine Arbeitsbedingungen. Am Nachmittag vor der Ausstrahlung wurde Starbucks aktiv, ging mit den Vorwürfen offen um und kündigte den Beitrag auf seiner Facebook-Seite an:
Aus diesen Fallbeispielen lassen sich für Unternehmen aller Branchen klare Empfehlungen für eine wirksame Social-Media-Strategie ableiten:
- Nimm Kritik und negative Informationen im Web ernst. Gehe offensiv damit um und agiere durch transparente Informationen im direkten Dialog mit den Usern.
- Bleib authentisch und betreibe keine "Lügenkampagnen" im Netz.
- Kommuniziere aktiv mit potenziellen Plagiateuren und suche den direkten Dialog mit ihnen.
- Versuche nicht, Informationen im Web zu unterdrücken oder zu verbieten. Sprich lieber offen mit den Usern und kläre sie durch Tatsachen im Sinne einer glaubwürdigen Krisen-Kommunikation auf.
Autor:
Wolfgang Schiller ist Inhaber und strategischer Marken-Berater der SCHILLER® BRAND COMPANY, Freiburg, Wien und Zürich.
Media-Knigge zusammengefasst:
1. Oberstes Gebot ist die Authentizität
Wer als Firmenvertreter bloggt oder postet, muss sich als Mensch zu erkennen geben. Nicknames und Pseudonyme sind Gift für eine wahrhaftige Kommunikation. Das gilt auch für die Botschaften: Aufdringliche Werbung ist tabu. Gefragt sind hingegen Witz und Selbstironie.
2. Je nach Plattform sind die Angaben zur Person unterschiedlich
Während User auf einer Businessplattform wie Xing und LinkedIn gerne ausführliche Lebensläufe lesen, gelten diese Infos auf allen anderen Kanälen eher als Angeberei. Hier ist weniger mehr, es reichen Angaben zum aktuellen Status im Unternehmen (beispielsweise Leiter Forschung) sowie der aktueller Stand- und ehemalige Studienort. Oder Hinweise auf Mitarbeit in anderen sozialen Netzwerken oder Gruppen.
3. Ähnliches gilt für die Bildauswahl
Bei Karriere-Plattformen sollte das Foto businesslike sein: Anzug, Kostüm, auf die Person beschränkt und seriös. Für Facebook & Co. sind hingegen kreativere Fotos geeignet, die individueller gestaltet sind und mehr als das Porträt zeigen. So kann ein Firmen-Blogger mit dem Produkt seines Unternehmens in die Kamera lächeln: Ein Bierbrauer vor dem Sudkessel, eine Reisekauffrau am Strand oder ein Modeexperte auf dem Laufsteg stehen.
4. Kommunikation in sozialen Netzwerken ist ein Drahtseilakt was die Häufigkeit der Nachrichten betrifft
Während mehrmals täglich 140 Zeichen-Mitteilungen bei Twitter als normal empfunden werden, nerven diejenigen, die sich auf MySpace und in den VZ-Netzwerken öfters als sechsmal am Tag mitteilen.
5. Man sollte sparsam mit Posts umgehen
Wer als Experte oder zumindest als kompetenter Firmenvertreter wahrgenommen werden will, sollte sparsam mit seinen Posts umgehen. "Sag nur etwas, wenn du etwas zu sagen hast", ist ein ungeschriebenes Gesetz im Web 2.0. Wie im realen Leben sind Labertaschen auch in Sozialen Netzwerken mitunter verpönt.
6. Expertise entsteht durch Teilen
Immer noch sind fast alle Inhalte im Netz kostenfrei. Fachleute geben in Foren ihr Wissen unentgeltlich preis und selbst Nachrichtenplattformen wie Spiegel-online finanzieren sich ausschließlich über Werbung. Lediglich die Aufforderung, die E-Mail-Adresse für einen Download, etwa einer Checkliste anzugeben, wird akzeptiert.
7. Wer einen Blog betreibt und interessante oder gar streitbare Inhalte bietet, wird Kommentierungen bekommen
Hier ist Souveränität gefragt. Zensur geht gar nicht und auch die Antworten auf bissige Kommentare sollten Dialogbereitschaft signalisieren. Die Angst davor, dass Unverschämtheiten in Kommentaren den eigenen Ruf belasten könnten, ist unbegründet. Denn Spinner entlarvt die Community und straft sie mit Ignoranz ab.
8. Auch Besserwisser und die sogenannten "Trolle" gelten als nicht beachtenswert
Sie sind nicht am Thema interessiert, sondern suchen im besten Fall eine Bühne. Im schlechten Fall wollen sie sabotieren oder beleidigen. Sie kann man aussperren.
9. Empfehlen Sie Links, die Antworten liefern
Wer im Netz hingegen ernsthaft sucht, Interesse zeigt und die Gemeinschaft befragt, will Antworten und wird ernst genommen. Deshalb sind Sprüche wie "Schau unter FAQ" wie im echten Leben überflüssig. Stattdessen besser einen Link empfehlen, der die Antwort liefert.
10. Das Internet und speziell die sozialen Plattformen leben von der Schnelligkeit
Als kompetent wahrgenommen wird, wer flott reagiert. Ein Firmenblog sollte daher täglich gecheckt werden. Gerade bei Anfragen von Kunden sollte der Kommunikationskanal den gleichen Stellenwert genießen wie eine Hotline oder der persönliche Besuch.
[Bildquelle: iStockPhoto]
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