Die geplante Regulierung der Versicherungsbranche durch Solvency II kann weitreichende Konsequenzen für die gesamte Immobilienbranche haben. "Durch die momentan geplante Eigenkapitalunterlegung werden Immobilieninvestitionen für Versicherungen weit weniger attraktiv", kündigt Bärbel Schomberg, Vizepräsidentin des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, an. Die Assekuranz sei einer der größten Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt - auch wenn nur knapp fünf Prozent des Gesamtvermögens der deutschen Versicherer in Immobilien investiert seien. "Bereits ein partieller Verlust dieser Investorengruppe würde den Immobilienmarkt schwer treffen", gibt Schomberg zu bedenken. Der ZIA setzt sich daher aktiv für eine adäquate Ausgestaltung der Richtlinie ein und hat sich gestern auch in einer Stellungnahme an die Europäische Kommission gewandt.
Zum Hintergrund: Im Zuge der Solvency-II-Richtlinie plant die EU-Kommission, Anlagen von Versicherungsunternehmen mit bestimmten Eigenkapitalquoten zu unterlegen. So sollen nach dem Standard Modell für Immobilieninvestitionen einheitlich 25 Prozent Eigenkapital hinterlegt werden. Implementieren Versicherer hingegen ein internes und von der Aufsichtsbehörde genehmigtes Risikobewertungsmodell, können die Quoten individuell angepasst werden und durchaus unter 25 Prozent liegen. "Ein solches Risikosystem zu installieren und zu pflegen, ist jedoch sehr aufwändig und wird vielen Versicherern nicht möglich sein", kritisiert Schomberg. Aktuell werden von der EU-Kommission Durchführungsbestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie erarbeitet.
"Durch die hohe Eigenkapitalunterlegung steigen die Renditeanforderungen für Immobilieninvestments", erklärt Schomberg. Da keine Unterscheidung nach der Risikoklasse einer Investition in Immobilien erfolgen soll, werden Versicherungsunternehmen voraussichtlich auf Investitionen in hochrentierliche und damit höher risikobehaftete Immobilien ausweichen, um das eingesetzte Eigenkapital höchstmöglich zu verzinsen. "Insbesondere der Wohnungsbau, der ein geringes Risiko und eher niedrige Renditen aufweist, wird dann unter sinkenden Investitionen leiden", befürchtet Schomberg. Das momentane Solvency-II-Konzept diskriminiere Immobilienmärkte mit geringer Volatilität und geringem Risiko und setze damit falsche Anreize. Es müssten unterschiedliche Eigenkapitalquoten je nach Risiko eines Investments festgelegt werden. "Für Versicherungen wäre es bei den geplanten Eigenkapitalregeln attraktiver, in bulgarische Gewerbeimmobilien zu investieren als in ein Wohnhaus im Münchener Stadtzentrum."
In der jüngsten Vergangenheit hatten viele Versicherer angekündigt, ihre Immobilienquote erhöhen zu wollen. "Mit der neuen Richtlinie wird die Umsetzung dieser Quoten gefährdet", prophezeit Schomberg. Dem deutschen Immobilienmarkt werde eine wichtige Investorengruppe genommen. Aktuell haben Versicherungen durchschnittlich etwa 4,8 Prozent ihres Gesamtportfolios in Immobilien angelegt, bei einem Gesamtvermögen der Branche von mehr als einer Billion Euro. Mit jedem Prozentpunkt, um den die Immobilienquote der Assekuranz sinkt, werden dem Immobilienmarkt rund 10 Milliarden Euro entzogen. "Und das wären nur die fehlenden Investitionen der deutschen Versicherer", so Schomberg. Da Deutschland als einer der stabilsten Immobilienmärkte gilt, haben auch viele Versicherungsunternehmen aus Europa ihr Geld in deutschen Immobilien angelegt. Sie könnten durch Solvency II ebenfalls zum Rückzug getrieben werden. "Den deutschen Immobilienmarkt derart zu bestrafen, ist keine akzeptable Konsequenz einer Richtlinie, deren eigentliches Ziel die Risikokontrolle der Versicherungen ist", sagt Schomberg.
Insbesondere Spezialfonds könnten unter der neuen Solvency-II-Richtlinie leiden, denn sie sind eines der bevorzugten Investmentvehikel der Assekuranz. "Der Hauptgrund ist, dass Spezialfonds ihre Investments mit Fremdkapital hebeln dürfen, während das den Versicherungen bei direkten Investments nicht erlaubt ist", erklärt Schomberg. Verzichteten Versicherer auf Anlagen in Spezialfonds und konzentrierten sich auf andere Anlageklassen, kämen harte Zeiten auf die Spezialfondsbranche zu und sie müssten auf andere Kundengruppen ausweichen. "Ob andere Anleger die ausbleibenden Investitionen der Versicherer ausgleichen können, ist mehr als fraglich."
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