Wenn von der Pleite der Kommunen die Rede ist, bleibt zunächst einmal festzuhalten, dass weder der Bund noch die Länder oder Gemeinden im Sinne des Rechts insolvent werden können. Im Paragraph 12 der Insolvenzordnung heißt es: Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht.
Doch angesichts der immensen Schulden, die in den letzten Jahren angehäuft wurden, sind dramatische Worte wie die von der Pleite oder dem Finanzkollaps durchaus angebracht. Der deutsche Städte- und Gemeindebund zählt mehr als 2.000 Kommunen, die hoch verschuldet sind. Es geht nun darum, Altschulden zu bereinigen. Zuständig für die prekäre Lage der Gemeinden sind die Länder und in letzter Konsequenz der Bund.
Alle Schulden der öffentlichen Hand zusammengerechnet ergeben die gigantische Summe von knapp 2,5 Bill. Euro. Aufgeteilt auf die Bundesbürger ergibt sich damit eine pro Kopf eine Verschuldung in Höhe von 28.943 Euro. Das sind für 2023 noch einmal 778 Euro mehr als am Jahresende 2022. Insgesamt stieg die Verschuldung um 3,3 Prozent oder 77 Mrd. Euro. Beim Bund liegen die Schulden bei 1,7 Bill. Euro. Dabei spielen besonders Ausgaben der jüngsten Zeit eine Rolle: Das war bis zum Jahresultimo 2023 etwa der Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Energie mit über 70 Mrd. Euro. Aktuell schlagen weiterhin der Stabilisierungsfonds für Corona und eben das neue Sondervermögen für die Bundeswehr mit 33 bzw. gut 8 Mrd. Euro zu Buche. Die Bundesländer verzeichnen Schulden in Höhe von über 600 Mrd. Euro und die Gemeinden von 156 Mrd. Euro. Ein Blick auf die Verteilung der Schulden der Länder weist Nordrhein-Westfalen mit 177 Mrd. Euro als Spitzenreiter aus. An zweiter Stelle steht Berlin mit 67 Mrd. Euro – das ist mehr als für Baden-Württemberg und Bayern zusammen. Das größte Plus bei den Ländern weisen Mecklenburg-Vorpommern mit 9,7 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 8,6 Prozent Steigerung aus.
NRW ist Spitzenreiter
Gemeinden und Gemeindeverbände spiegeln die Situation der Länder. Das zeigt sich auch bei der Reihenfolge. Hier werden vom Statistischen Bundesamt Berlin wie auch Hamburg und Bremen als Stadtstaaten nicht genannt. Mit fast 78 Mrd. Euro ist Nordrhein-Westfalen deutlicher Spitzenreiter, wenn es um die Summe der Schulden seiner Kommunen geht. Dieser Wert liegt weit über den Schulden der Kommunen in den ostdeutschen Bundesländern. Gegenüber dem Jahresende 2023 stiegen die Schulden der Gemeinden bis zum Ende des ersten Quartals auf 2.461 Mrd. Euro. Alleine gegenüber dem Jahresende 2023 ist dies eine Erhöhung um 15,7 Mrd. Euro. Hinzuzufügen ist allerdings, dass der Schuldenanstieg nicht zuletzt ausgelöst wurde durch die Verkehrsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr. Das Deutschlandticket kommt teuer zu stehen. Mittlerweile ist davon die Rede, dass sich die Verkehrsbetriebe nicht mehr durch den Umsatz beim Verkauf an die Fahrgäste finanzieren, sondern durch die Übernahme von Kosten durch die öffentliche Hand. Das Statistische Bundesamt, dass diese Zahlen auf Basis der vierteljährlich vorliegenden Kassenstatistik erstellt, teilt weiter mit, dass es sich hierbei um das erste kommunale Finanzierungsdefizit seit dem Jahr 2011 handelt. "In den Jahren von 2011 bis 2022 hatten sich durch eigene Steuereinnahmen und Zuweisungen von Bund und Ländern, die während der Corona-Pandemie zeitweilig zur Unterstützung der Kommunen erhöht wurden, stets Finanzierungsüberschüsse ergeben." So hatten die Kommunen noch 2022 einen Überschuss von 2,6 Mrd. Euro registriert.
Höhere Steuereinnahmen
Im Jahr 2023 waren die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent gestiegen – das waren 39 Mrd. Euro. Selbst das Bundesamt spricht von einem Treiber der Ausgabenseite durch die Sozialausgaben – ausgelöst durch die erhöhten Regelsätze für das Bürgergeld nach Sozialgesetzbuch II und für die Sozialhilfe nach SGB XII. Dazu trug auch die Berechtigung von Schutzsuchenden aus der Ukraine beim Bürgergeld bei. Einen erheblichen Teil musste für Unterkunft und Heizung aufgewendet werden – und dies noch in Zeiten der Energieverteuerung durch eben diesen Krieg in Osteuropa. Nicht zuletzt waren allerdings auch die Personalkosten in den Kommunen gestiegen. Das liegt zum einen am Tarifabschluss 2023, insbesondere aber auch an den Sonderzahlungen zum Inflationsausgleich im Juni des letzten Jahres. Die Gemeinden leiden unter der Zinswende. Es kam zu einem sprunghaften Anstieg der Zinsausgaben bei den Kernhaushalten um über 37 Prozent. Refinanzierungen und die Neuaufnahme von Krediten, die erforderlich waren, waren nunmehr nur für teures Geld zu bekommen. Wären die Einnahmen nicht auch gestiegen, so wäre das Defizit noch größer ausgefallen. Die Nettoeinnahmen an Steuern waren mit 130 Mrd. Euro im Jahr 2023 um mehr als 7 Prozent höher als 2022.
Nun sind entweder höhere Einnahmen gefragt oder eine striktere Ausgabendisziplin. Fast 30.000 Euro Schulden der öffentlichen Hand pro Kopf sind keine rechnerische Spitzfindigkeit, sondern werden sich im Alltag der Bürger bemerkbar machen. Die vielfach geforderten Investitionen, etwa im Wohnungsbaubereich, sind so kaum durchzuführen. Es droht eine Schuldenspirale, denn ohne Konjunkturprogramme sind schließlich auch die Einnahmen längerfristig nicht zu steigern. Der schlechte Zustand der Straßen und Schienen sowie von Schulen und Ämtern spricht eine deutliche Sprache. Die Zahlen zur Verschuldung der öffentlichen Hand sind, auch wenn es nicht zur Insolvenz kommen kann, bedrückend.
[Quellen: Creditreform Risikomanagement-Newsletter vom 06. August 2024 | Statistisches Bundesamt]