Die Deutsche Bank muss im Rechtsstreit um die Aufklärungspflichten beim Verkauf von Zinswetten noch bis zum 22. März zittern. Dann will der Bundesgerichtshof (BGH) die Entscheidung zur Klage eines hessischen Hygienartikelherstellers gegen die größte deutsche Bank verkünden, wie der Senat der obersten deutschen Gerichtsinstanz nach der Verhandlung am Dienstag mitteilte. Da das Urteil richtungsweisend für die Geschäfte von Banken mit Kunden sein könnte, drohen weitreichende Folgen.
Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, man werde Urteil und Begründung am 22. März abwarten. "Wir werden zunächst die Verkündung der Entscheidung abwarten und gegebenenfalls die schriftlichen Urteilsgründe analysieren. Dann wird sich feststellen lassen, ob und inwieweit andere Swapgeschäfte betroffen sind."
Im jetzigen Fall hatte die hessische Ille Papier Service GmbH die Deutsche Bank mit der Begründung verklagt, beim Kauf einer "Spread Ladder Swap" nicht genügend über die Risiken aufgeklärt worden zu sein. Mit der riskanten Zinswette wollte der Hygieneartikelhersteller, der laut seiner Webseite 2006 auf einen Jahresumsatz von 38,5 Mio EUR kam, ursprünglich Kreditzinsen sparen. Letztlich endete das Geschäft aber mit einem Verlust von über einer halben Million Euro. Mit der Klage war Ille zuvor in zwei Instanzen gescheitert.
Gewinn der Bank = Verlust der Klägerin
In der Verhandlung am heutigen Dienstagvormittag äußerte BGH-Richter Ulrich Wiechers laut der Onlineausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Zweifel daran, dass die Deutsche Bank richtig aufklärte, als sie dem hessischen Hygienebedarfs-Hersteller Ille 2005 einen so genannten "Spread Ladder Swap" verkaufte. Zudem habe der Vorsitzende Richter einen Interessenkonflikt gesehen, weil die Produkte durch finanzmathematische Berechnungen bewusst so konstruiert worden seien, dass der Gewinn der Bank der Verlust der Klägerin sei. Eine derartige Aufklärungspflicht sei mittlerweile auch aufsichtsrechtlich im Wertpapierhandelsgesetz geregelt.
Auch wenn die Streitsumme von rund einer halben Million Euro die Deutsche Bank kalt lassen kann, drohen je nach Art und Begründung des BGH im März schwerwiegende Folgen. Nach Angaben der Bank ist die Zahl der Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Zinswettgeschäften zwar überschaubar. Dem BGH lägen acht Verfahren vor, in den Vorinstanzen seien noch 17 Verfahren anhängig. Der Streitwert sämtlicher Gerichtsverfahren, welche die Deutsche Bank betreffen, sei "sehr begrenzt."
Allerdings warnte der Rechtsvertreter der Deutschen Bank laut einem Sprecher der Bank vor weitreichenden Folgen. So könnte der BGH eine neue Pflicht für die Banken zur Aufklärung über ihre Renditen schaffen, auf die sich alle Kunden berufen könnten, deren Spekulationen schiefgegangen seien. "Da kämen Milliardenforderungen auf die Banken zu", so der Anwalt Reiner Hall. Die Deutsche Bank verkaufte besagte Swap-Geschäfte an deutlich mehr als 100 Unternehmen und Kommunen, wobei die Zahl der Kommunen deutlich geringer ist.
Spread Ladder Swap:
Allgemein können mit Hilfe von Swaps Zahlungsströme fast beliebiger Natur getauscht werden. Dadurch können gezielt finanzielle Risiken in der Finanzierung, in der Bilanzstruktur oder in der Absicherung eines Portfolios optimiert werden. So ist ein Zinsswap ist ein Zinsderivat, bei dem zwei Vertragspartner vereinbaren, zu bestimmten zukünftigen Zeitpunkten Zinszahlungen auf festgelegte Nennbeträge auszutauschen. Die Zinszahlungen werden meist so festgesetzt, dass eine Partei einen bei Vertragsabschluss fixierten (festgesetzten) Festzinssatz zahlt, die andere Partei hingegen einen variablen Zinssatz ("Plain Vanilla Swap"). Zinsswaps werden sowohl zur Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken als auch als Spekulationsinvestment genutzt.
So genannte Spread-Ladder-Swaps spekulieren auf die Steilheit der Zinsstruktur, in dem die Vertragspartner Zinszahlungen austauschen. Die Bank zahlt dabei einen festen Zins über die gesamte Laufzeit. Der Vertragspartner demgegenüber zahlt im Gegenzug einen nach einer definierten Formel von der Bank festgelegten Zins. So zahlt in der Regel im ersten Jahr der Vertragspartner einen vorab definierten festen Zins. Ab dem zweiten Jahr zahlt der Kunde zusätzlich zum Zins des Vorjahres einen Aufschlag, d.h. einen Zusatzzins abzüglich der Differenz zwischen einem langfristigen und einem kurzfristigen Zinssatz. Der Gesamtzins des zweiten Jahres bildet dabei die Grundlage für die Berechnung des Folgejahres (daher die Bezeichnung "Ladder" = Leiter).
Bleibt die Zinsstruktur hinreichend steil, beschert sie dem Vertragspartner einen Zahlungsüberschuss. Erst ein Abflachen der Zinsstruktur, wie sie in den vergangenen Jahren zu beobachten war, führt zu Verlusten.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Verklagt werden müssten die Treasurer der Unternehmen und Kommunen, die leichtfertig mit dem Geld der Anteilseigner bzw. Steuerzahler umgegangen sind.
Allein die Stadt Neuss verlor durch die Zockerei mit Spread Ladder Swaps 10 Millionen Euro und Remscheid gar 13 Millionen Euro. Insgesamt sollen etwa 700 Kommunen im Spielkasino mitgezockt haben - insgesamt sollen sie rund eine Milliarde Euro verloren haben. Das ist der eigentliche Skandal ;-(
Wofür brauchten die den Swap eigentlich???
Warum die der Meinung sind, langfristige UND kurzfristigee Zinskurven besser prognostizieren zu können, um damit Geld zu verdienen?!?!?
Es gäbe bei uns gewissen Bedarf nach solchen Experten,.....
Frage: Wie haben sich die Herrschaften abgesichert?!?!?
Der Richter hat es ja bereits korrekt beschrieben: "Dieses Finanzprodukt ist eine Art spekulative Wette". D.h. für Ille war das ein Spiel, reine Zockerei. Absicherung = Null. Reine Spielsucht ... im Glauben besser zu zocken als die Finanzmathematiker bei der Deutschen Bank! Völlig verrückt, dass die nun vor Gericht ziehen und Richter - die das Thema Swaps wohl kaum durchdringen dürften - darüber entscheiden sollen, ob beide Wettpartner den gleichen Wissensstand hatten. So ein Blödsinn ;-(
Aber wenn die Deutsche Bank dann auch noch solche Pfeifen als Juristen in den Gerichtssaal schickt: http://www.jordan-hall.de/de/pages/hall.html. Er mag ja fachlich gut sein. Nur meistens sind solche Leute ohne jegliche Sozialkompetenz. Und wer mit solchen Drohungen in der jüngeren Geschichte nach der Finanzmarktkrise mit allen ihren persönlichen Opfern vieler Menschen gedankenlos um sich wirft, gehört selbst an den Pranger gestellt. Aber bei der Deutschen Bank hat das so ein Verhalten schon lange Tradition ("Peanuts", "Victory-Zeichen" im Gericht usw.). Selbst schuld wer da Kunde ist!