Normalauslastung der Produktionskapazitäten überschritten

Stabilitätsrisiken als Folge anhaltender Hochkonjunktur


Stabilitätsrisiken als Folge anhaltender Hochkonjunktur Studie

Die Erwartungen eines Wirtschaftsaufschwungs in Deutschland haben sich in dieser Woche weiter verfestigt. Die Prognosen mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute deuteten für dieses Jahr auf ein Wachstum von knapp unter zwei Prozent und für nächstes Jahr knapp darüber. Im europäischen Kontext ist Deutschland damit weiterhin das konjunkturelle Zugpferd. Die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) warnten angesichts einer zu erwartenden "anhaltenden Hochkonjunktur" sogar vor Stabilitätsrisiken.

Die Kieler Ökonomen rollten am Donnerstag ein optimistisches Szenario für die kommende Zeit aus. Gegenüber der Vorhersage im Dezember erhöhten sie ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 1,7 auf 1,9 Prozent. Für 2015 erwarten sie dann eine deutliche Steigerung auf 2,5 Prozent Wachstum. "Neben dem privaten Verbrauch werden die Anlageinvestitionen zunehmend zur zweiten Säule der insgesamt binnenwirtschaftlich getragenen Expansion in Deutschland", erklärte das IfW. Der Außenhandel werde sich spürbar beleben, aber kein treibender Faktor sein.

Bereits im laufenden Jahr wird nach der Einschätzung des IfW die Normalauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten überschritten. In diesem und im nächsten Jahr expandiere die Wirtschaftsleistung in Deutschland stärker als die Produktionsmöglichkeiten wüchsen. Während der Verbraucherpreisauftrieb in diesem Jahr noch verhalten sei, dürfte sich die beginnende Hochkonjunktur im kommenden Jahr nach Erwartung der Kieler Ökonomen bereits in größeren Teuerungsraten bemerkbar machen.

"Alles in allem steuert die deutsche Wirtschaft - wenn nichts dazwischen kommt - auf eine Hochkonjunktur zu, die vor allem durch die expansive Geldpolitik getrieben wird", resümierten sie. Der Aufschwung könne sogar noch stärker ausfallen als prognostiziert. Allerdings würde dadurch auch die Gefahr eines Rückschlags größer, denn erfahrungsgemäß folge auf einen Boom fast immer eine Rezession.

"Mit der andauernden Hochkonjunktur nehmen die Stabilitätsrisiken zu, zumal die Zinsen für Deutschland gemessen an der Produktionslücke und der Inflationsrate weiterhin deutlich zu niedrig sein werden", warnten die Kieler Ökonomen. Sie sagten für den gesamten Prognosezeitraum einen unveränderten Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) von 0,25 Prozent voraus.

Die Forscher geben damit indirekt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Recht, der sich am Mittwoch aus deutscher Sicht unzufrieden mit den niedrigen Zinsen gezeigt und die Erwartung bekräftigt hatte, dass das Zinsniveau in der Eurozone mittelfristig steigen wird. "Ich finde, dass wir mittelfristig ein zu niederes Zinsniveau jedenfalls aus deutscher Sicht haben", sagte er.

In den verschiedenen Euro-Ländern herrschen immer noch deutlich unterschiedliche Konjunkturszenarien. Während Deutschland sich im Aufschwung befindet, kämpfen andere Staaten der Eurozone nach wie vor mit schleppenden Wirtschaftsaussichten. Die Bundesregierung aber rechnet mit einem Wachstum von 1,8 Prozent in diesem und 2,0 Prozent im kommenden Jahr, und jüngste harte Wirtschaftsdaten belegen, dass die Wirtschaft mit Rückenwind in das erste Quartal gestartet ist.

Das Bundeswirtschaftsministerium bekräftigte dies in seinem Monatsbericht am Mittwoch. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Aufschwung", heißt es darin. "Ihr gelang ein guter Start in das laufende Jahr." Nicht nur habe die Produktion nochmals zugelegt, Industrie und Bau hätten auch mehr Auftragseingänge verbucht, und das ifo-Geschäftsklima habe sich weiter aufgehellt. "Zu Jahresbeginn könnte sich das Wachstum leicht beschleunigen", sagte das Ministerium voraus.

Mehrere Wirtschaftsverbände und Ökonomen halten sogar bereits für dieses Jahr ein Wachstum von 2 Prozent für erreichbar. Unter ihnen befinden sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV).

Am Mittwoch hatte schon das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) seine Prognose des deutschen Wirtschaftswachstums für 2014 gegenüber der Dezemberprognose von 1,5 auf ebenfalls 1,9 Prozent angehoben. Für 2015 erwarten die Essener Ökonomen 2,1 Prozent Wachstum.

Die Vorhersage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist fast identisch. Um 1,8 Prozent wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach der Erwartung der Berliner Ökonomen in diesem Jahr steigen und um 2,1 Prozent im nächsten.

Etwas pessimistischer hatte sich am Montag das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) für dieses Jahr gezeigt. Es rechnet unverändert mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent und bleibt damit unter der Erwartung von Bundesregierung und der anderen Konjunkturforscher. Für 2015 erwarten aber auch die Hamburger Ökonomen einen Zuwachs des deutschen BIP von immerhin 2,1 Prozent.

"Die Konjunktur in Deutschland hat gegen Ende des vergangenen Jahres deutlich an Schwung gewonnen", konstatierte das RWI. Diese positive Tendenz dürfte sich dieses Jahr fortsetzen. Hierfür sprächen vor allem die günstigen Stimmungsindikatoren. Die realwirtschaftlichen Indikatoren verbesserten sich dagegen nur langsam, was "auf einen nicht übermäßig dynamischen Aufschwung" hindeute. Das RWI erwartet eine recht starke Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Produktion im ersten Quartal wegen der milden Witterung. Dem dürfte aber eine Gegenbewegung im zweiten Quartal folgen, gaben die Essener Ökonomen zu bedenken. 

 

[Bildquelle: © Serg Nvns - Fotolia.com]

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