Ein extrem starkes Seebeben traf am 26. Dezember 2004 den Norden Sumatras; seismische Flutwellen brandeten mit großer Wucht gegen weit entfernt liegende Küstenabschnitte. Zehntausende wurden getötet oder verletzt, Millionen obdachlos. Die Versicherungsdichte ist relativ gering; die versicherten Sachschäden dürften sich wegen nur punktueller Wertekonzentrationen in Grenzen halten. Für eine substantiierte Schadeneinschätzung ist es noch zu früh. Nach den bisher vorliegenden Informationen erwartet die Münchener-Rück-Gruppe für sich eine begrenzte Belastung, nach derzeitigem Informationsstand unter 100 Mio. €. Derzeit gibt es damit keinen Anlass, die Ergebnisaussage für das Geschäftsjahr (Gewinnziel 1,8 - 2 Mrd. €) zu verändern.
Bilanz Naturkatastrophen 2004: Die Münchener Rück dokumentiert und analysiert seit 30 Jahren weltweit alle Meldungen über Naturereignisse mit großen Sach- oder Personenschäden, die diesmal vor allem in der zweiten Jahreshälfte auftraten. Das dritte Quartal war von extremen Wetterkatastrophen geprägt: Hurrikane im Atlantik sowie Taifune im Westpazifik verursachten Rekordschäden.
Stefan Heyd, Vorstandsmitglied der Münchener Rück: "Wir sind betroffen angesichts der menschlichen Tragödie in Südasien. Wie beim verheerenden Erdbeben in Bam (Iran), auf den Tag genau ein Jahr zuvor, verloren Zehntausende ihr Leben. Die schrecklichen Auswirkungen rings um den Indischen Ozean bis hin zum Horn von Afrika machen erneut die weltweiten Bedrohungen durch Naturkatastrophen deutlich." Heyd, im Vorstand unter anderem zuständig für Grundsatzfragen des Versicherungsgeschäfts, zu den Wetterextremen des Jahres 2004: "Sie unterstreichen unsere langjährige Forderung nach raschen, konsequenten Maßnahmen gegen den globalen Klimawandel. Nach dem enttäuschenden Ausgang des jüngsten Klimagipfels in Buenos Aires wird die Zeit dafür immer knapper. Wir werden weiterhin Schäden aus Naturkatastrophen decken, wenn der Preis dem durch Wetterphänomene und Wertekonzentrationen hoch exponierten Risiko entspricht. Die bisher ungekannte Schadenlast aus Sturmereignissen hat dazu beigetragen, dass das Risikobewusstsein und dass die Wertschätzung von Versicherungsschutz wieder gewachsen sind. Auch darum sind die Preise für diese Deckungen in der auslaufenden Erneuerungssaison stabil geblieben."
Die Analyse-Ergebnisse für 2004 im Überblick:
- Die versicherten Schäden stiegen auf über 40 Mrd. US$ (Vorjahr: 15 Mrd. US$); mehr als 35 Mrd. US$ gingen auf das Konto zerstörerischer Hurrikane und Taifune. Damit ist 2004 – das galt schon vor dem jüngsten Erdbeben – das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr der Versicherungsgeschichte (zweitteuerstes Jahr: 1992 mit seinerzeit 26 Mrd. US$ – geprägt vom Hurrikan Andrew).
- Die volkswirtschaftlichen Schäden verdoppelten sich im Vergleich zum Vorjahr und erreichten über 130 Mrd. US$. Die Schäden aus dem Seebeben vom 26. Dezember lassen sich vorläufig nicht genau beziffern. Das Erdbeben vom 27. Oktober im Nordwesten Japans (Niigata) schlägt mit rund 30 Mrd. US$ zu Buche; dort wurden hauptsächlich unversicherte Infrastruktureinrichtungen zerstört. Höhere volkswirtschaftliche Schäden hatte bisher nur das Jahr 1995 gebracht mit 172 Mrd. US$ (wegen des Kobe-Erdbebens). Der Durchschnitt der letzten 10 Jahre lag bei 70 Mrd. US$.
- Mit rund 650 Schadenereignissen entsprach die Zahl der dokumentierten Naturkatastrophen dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Die Anzahl der Ereignisse sagt also wenig aus über die Schäden für Volks- und Versicherungswirtschaft.
- Im zu Ende gehenden Jahr forderten die Naturkatastrophen bereits ohne das jüngste Seebeben über 15.000 Todesopfer. Die Karibik erlebte zwei folgenschwere Katastrophen: Bei Sturzfluten und Überschwemmungen im Mai kamen in Haiti und der Dominikanischen Republik über 2.000 Menschen ums Leben. Beide Länder wurden dann im September von Hurrikan Jeanne verwüstet, der noch einmal fast 2.000 Opfer forderte. Am 24. Februar erschütterte ein Erdbeben den Norden Marokkos und kostete 640 Menschen das Leben. Die Anzahl der Todesopfer im Gesamtjahr 2004 wird sich noch stark verändern. Aktuellen Medienberichten zufolge forderte das Seebeben bis zu 45.000 Todesopfer.
Von den rund 650 analysierten Ereignissen gingen etwa 80 auf das Konto geologischer Gefahren (70 Erdbeben, die Schäden verursachten; 10 Vulkanausbrüche). Am 26. Dezember richteten ein Seebeben der Stärke 9,0 (Richterskala) und Tsunamis erhebliche Schäden an und forderten Zehntausende Todesopfer und Verletzte. Am schwersten betroffen waren Küstenabschnitte von Indien, Indonesien, Sri Lanka und Thailand, wo die Fluten den zum Teil dicht besiedelten Küstensaum trafen und auch einzelne touristische Zentren. Entsprechende Schäden wurden auch aus Malaysia, Bangladesch, Myanmar und von den Malediven gemeldet, selbst vom Horn von Afrika. Trotz der betroffenen langen Küstenlinien wird die Belastung für die Versicherungswirtschaft begrenzt sein. Grund: Seismische Flutwellen reichen meist nur wenige 100 Meter ins Landesinnere; die Zerstörungen können dort hoch sein, sind aber kaum vergleichbar mit den großräumigen Verwüstungen durch schwere Stürme. Dazu kommt, dass die Wertekonzentrationen und die Versicherungsdichte in den betroffenen Gebieten gering waren und nur dort punktuell höher, wo es touristische Infrastruktur oder Hafenanlagen gibt. Zudem ist in den meisten dieser Länder das Erdbebenrisiko (einschl. Tsunamis) aus den Sachversicherungspolicen ausgeschlossen; Zusatzdeckungen sind – ebenso wie Lebens- und Krankenversicherungen – eher selten.
Neben dem Ereignis vom 26. Dezember und seinen zahlreichen Nachbeben kam es im abgelaufenen Jahr zu weiteren zum Teil schweren Erdbeben. 640 Menschenleben forderte ein Erdbeben am 24. Februar im Norden Marokkos. Das Niigata-Beben (Japan) mit einer Stärke von 6,6 auf der Richterskala ist nach den Erdbeben von Kobe 1995 (100 Mrd. US$ volkswirtschaftlicher Schaden) und Northridge (44 Mrd. US$ volkswirtschaftlicher Schaden) das drittteuerste Beben bisher. Es kostete 40 Menschen das Leben und richtete bei volkswirtschaftlichen Schäden von rund 30 Mrd. US$ versicherte Schäden in Höhe von 450 Mio. US$ an. Ein schweres Seebeben mit einer Stärke über 8 hatte sich wenige Tage vor dem 26. Dezember nahe der Antarktis ereignet; es blieb ohne Folgen.
2004: Höchstschäden für Versicherer – größtenteils wegen Wetterkatastrophen
Etwa die Hälfte der rund 650 erfassten Naturkatastrophen entfiel 2004 auf Stürme und Unwetter. Diese Wetterkatastrophen machten aber über 90 % der gesamten versicherten Schäden aus. „Wir sehen uns erneut in der seit langem geäußerten Annahme bestärkt, dass der – mit hoher Sicherheit vom Menschen ausgelöste – Klimawandel zu einer Häufung und Intensivierung von außergewöhnlichen Wetterereignissen führen wird“, so Dr. Gerhard Berz, der scheidende Leiter der GeoRisikoForschung der Münchener Rück.
Die Hurrikansaison im Atlantik und die Taifunsaison im Pazifik waren völlig außergewöhnlich. Dies gilt sowohl für das Schadenausmaß als auch für die meteorologischen Fakten:
- Ende März bildete sich vor der brasilianischen Küste – den Aufzeichnungen zufolge zum ersten Mal überhaupt – ein Hurrikan, der im Bundesstaat Santa Catarina schwere Gebäudeschäden anrichtete. Das Gebiet galt aufgrund der bisher zu niedrigen Wassertemperaturen im Südatlantik als hurrikanfrei.
- Die Hurrikane Charley, Frances, Ivan und Jeanne trafen auf ihren Zugbahnen durch die Karibik zahlreiche Inselstaaten schwer. Sie richteten dort volkswirtschaftliche Schäden von über 7 Mrd. US$ an, von denen rund 2,5 Mrd. US$ versichert waren. Innerhalb nur weniger Wochen trafen diese vier schweren Stürme dann Florida und brachten der Versicherungswirtschaft somit absolute Rekordschäden. Die Hurrikansaison 2004 ist mit fast 60 Mrd. US$ volkswirtschaftlichen Schäden und über 28 Mrd. US$ versicherten Schäden (Atlantik) die bisher teuerste aller Zeiten (zum Vergleich die Hurrikansaison 1992: volkswirtschaftliche Schäden 30 Mrd. US$; versicherte Schäden 18 Mrd. US$, hauptsächlich durch Hurrikan Andrew).
- Japan wurde zwischen Juni und Oktober 2004 von insgesamt 10 tropischen Wirbelstürmen getroffen – eine Anzahl, wie sie seit Beginn durchgängiger Wetteraufzeichnungen vor mehr als 50 Jahren bisher nie erreicht wurde. Die Taifune Chaba, Songda und Tokage richteten insgesamt über 10 Mrd. US$ volkswirtschaftliche Schäden an, über die Hälfte davon trägt die Assekuranz. Weitere Informationen zu den Sturmserien im Atlantik und Pazifik finden Sie im Anhang.
- Gegen Ende der Taifunsaison wütete der tropische Sturm Winnie Ende November mit sintflutartigen Regenfällen über den Philippinen. In Fluten und Erdrutschen verloren über 750 Menschen ihr Leben.
Europa blieb 2004 von extremen Winterstürmen und Unwettern weitgehend verschont; Aufsehen erregten jedoch einige kleinere Tornados in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien, die aber nur geringe Schäden anrichteten.
Über den Mittleren Westen der USA zog im Mai eine Unwetterfront mit starken Hagelschlägen und rund 85 Tornados. Sie führten zu mehr als 800 Mio. US$ versicherten und über eine Milliarde US$ volkswirtschaftlichen Schäden.
Weitere Informationen finden Sie hier:
Die 10 größten Naturkatastrophen 2004 (PDF-Format, 12 KB):
Bedeutende Erdbeben und Tsunamis 1900 – 2004 (PDF-Format, 16 KB):
Die teuersten Sturmkatastrophen der Versicherungsgeschichte (PDF-Format, 12 KB):