Die erheblichen wirtschaftlichen Turbulenzen der vergangenen anderthalb Jahre haben branchenübergreifend zu einer veränderten Risikosituation in den Unternehmen geführt. Der Neubewertung von Risiken und der Bekenntnis zur Stärkung von Risikomanagement-Praktiken auf Vorstandsebene kommt in Zukunft eine noch größere Bedeutung zu. Gleichsam klagen viele Risikomanager, es fehlten ihnen die nötigen die Instrumente oder Befugnisse, um ihre Arbeit noch effizienter zu erledigen. Die Gefahr ist, dass während des Konjunkturabschwungs weniger Investitionen bereitgestellt werden und es einen stetigen Druck gibt, die Kosten zu senken – bei gleichzeitiger Bewahrung und Verbesserung des Risikokontrollumfeldes.
Nach Ansicht von Risikomanagement-Profis wird Business Continuity während der kommenden 18 Monate das signifikanteste Risiko darstellen. 58 Prozent der vom Versicherungsmakler Marsh befragten Risikomanager sind der Ansicht, dass dies sehr oder ziemlich signifikant sein werde. Business Continuity wird dabei im weitesten Sinne interpretiert und bezieht sich auf die langfristige Lebensfähigkeit der Branche und/oder einzelner Unternehmen. Die als am zweit- und drittwichtigsten eingestuften Risiken sind Haftungs- und rechtliche Risiken (52 Prozent) sowie Betrug (44 Prozent). Anders als die Bedrohung durch den Terrorismus oder körperliche Gefahren, die bei früheren Risikoagenden ganz oben standen, resultieren diese Risiken aus verringerter Liquidität sowie Kredit- und Kontrahentenrisiken und manifestieren sich in den einzelnen Branchensegmenten auf jeweils unterschiedliche Weise. Die Marsh-Analyse ist eine der umfassendsten Studien zum Risikomanagement, die bisher bei europäischen Finanzinstituten durchgeführt wurden.
Für Banken und Hypothekenbanken resultieren die Risiken aus Interbankenkrediten, Insolvenzen und Zahlungsverzug bei Hypotheken, Krediten und Kreditkarten. Investmentmanager stehen vor den Folgen schwacher Anlageperformance, zunehmendem Kapitalabzug und dem schrumpfenden Wert des verwalteten Vermögens. Versicherer sorgen sich um ihre Anlageportfolios, insbesondere komplexe Anlageklassen, und die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf ihre Solvabilitätskoeffizienten. Die Liquiditätsverknappung und das konservative Anlageumfeld haben darüber hinaus zu einer Stagnation des Private-Equity-Sektors geführt. Alles in allem ist jedes Branchensegment besorgt über seine finanzielle Leistungsfähigkeit, seinen Ruf und seine Fähigkeit, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die zunehmende Zahl an Fusions-, Übernahme- und Veräußerungsaktivitäten hat, in Kombination mit der Serie teilweiser oder vollständiger Verstaatlichungen, die Branchen-, Markt- und Unternehmensstabilität negativ beeinflusst. Verstärkt werden diese Schwierigkeiten dadurch, dass die Finanzinstitute einen dramatischen Anstieg an Rechtsstreitigkeiten und kriminellen Aktivitäten verzeichnen, vor allem deshalb, weil Anleger bestrebt sind, ihre Verluste wieder hereinzuholen, und Untersuchungen von Kreditvergabepraktiken zunehmend interne und externe Betrugsfälle aufdecken.
Budgets für das Risikomanagement wachsen bei knapp der Hälfte (47 Prozent) der Finanzinstitute in der Marsh-Studie, wobei der am häufigsten erwähnte Bereich Neueinstellungen sind (47 Prozent). Es folgen Informationsmanagementsysteme (42 Prozent), Aus- und Weiterbildung (37 Prozent) sowie Instrumente für das Risiko-Mapping (33 Prozent). Der Konsens ist, dass die globale Finanzkrise das Versagen bestimmter Kontrollmechanismen für das Risikomanagement bei Finanzinstituten aufgezeigt hat. In Anerkenntnis dieser Tatsache und in dem Bemühen, staatliche Interventionen zu verhindern und die Auswirkungen neuer Bestimmungen gering zu halten, stehen diese Unternehmen davor, mehr in die Verbesserung ihrer allgemeinen Risikomanagementsysteme zu investieren, um ähnliche Probleme in Zukunft zu vermeiden und das Vertrauen der betroffenen Interessengruppen wieder herzustellen.
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