Die Coface, weltweit drittgrößter Kreditversicherer, kommt mit einem neuen Unternehmensrating auf den Markt und will damit mit den etablierten Ratingagenturen Konkurrenz machen. Das Oligopol der drei Agenturen müsse aufgebrochen, Geschäftsmodelle und Verfahren müssten kontrolliert und vor allem die Ratingbewertungen auch einer statistischen Erfolgsauswertung unterworfen werden, sagt Jérôme Cazes, CEO der Coface. Nur so könne das Vertrauen wieder hergestellt werden, das durch die Bewertung von Finanzprodukten zerstört worden sei. In der Ausdehnung der Ratings über Unternehmen oder Staaten hinaus auf die komplexen Konstrukte hätten die Agenturen eine erhebliche Mitschuld an der aktuellen Krise, so Cazes. Gerade weil die Rartings starken Einfluss auf das Finanzgeschehen, zum Beispiel den Verkauf und den Erwerb von Finanzprodukten, aber auch Börsengänge hätten, müsse eine Erfolgskontrolle installiert werden. "Heute haben viele Angst vor den Ratingagenturen, weil sie sehr mächtig sind", meint Cazes. "Das Problem dabei ist auch, dass die Agenturen nicht in der Verantwortung stehen. Sie berufen sich darauf, dass ihre Bewertungen eine reine Meinungsäußerung seien und daher explizit unter dem Schutz insbesondere der amerikanischen Verfassung stünden." So sei keine kritische Kontrolle möglich, kritisiert der Coface-Manager. Weil sich aber viele Akteure blind auf die Aussagen verlassen, seien sie faktisch mehr als eine unverbindliche Meinungsäußerung. Folglich müssten die Agenturen als wichtiger Teil des Wirtschafts- und Finanzablaufs stringenter überwacht werden, wie es bei den Börsen, Banken und Versicherern auch der Fall sei. "Wenn die neuen europäischen Regelungen für Basel II den Banken für ihre internen vertraulichen Finanzratings eins solche statistische Qualitätskontrolle vorschreiben, wäre es paradox, wenn diese Regelungen nicht für die öffentlichen Finanzratings der Agenturen gelten würden."
Kommissionsentwurf reicht nicht aus – Statistische Qualität messen
Ein weiteres Mittel, die Situation langfristig zu verbessern, sei mehr Wettbewerb, glaubt Cazes. In dem Oligopol hätten sich die drei großen Agenturen gut eingerichtet. Um die Umsätze zu steigern, habe man sich aber nicht auf das ursprüngliche Geschäft mit Unternehmen beschränkt, sondern auf Finanzprodukte ausgeweitet. Solange diese Produkte noch mit realen Unternehmen verbunden seien, etwa bei der Bewertung von Unternehmensanleihen, sei das auch kein Problem gewesen. Erst mit der Bewertung von Verbriefungsprodukten, hinter denen kein Verantwortlicher mehr stand, sondern anonyme "Vehicle", habe das eigentliche Problem begonnen und sich rasend schnell global ausgebreitet. Wie extrem die Entwicklung verlief, verdeutlichte Jérôme Cazes mit einem Vergleich: "Während es in den USA nur vier Konzerne mit der Note AAA gab, bekamen gleich 5.000 Finanzprodukte die Höchstnote." Die heutige Krise begann nach Ansicht des Coface-CEO schon 2005, als der Export der verbrieften Hypothekenkredite aus den USA in alle möglichen Länder begann. Damit habe sich das Risiko wie ein Virus ausgebreitet. Zwar sei das Prinzip der Risikostreuung nicht prinzipiell falsch. "Risikotransfer ist aber gefährlich, wenn damit auch das Verantwortungsbewusstsein sinkt, erst recht, wenn die Risiken aus den Büchern verschwinden." Keiner habe zuletzt mehr gewusst, wo die Risken eigentlich gelandet waren. Dies habe auch zum Vertrauensverlust zwischen den Banken geführt.
Rating für konkrete Risikoübernahmen von Bedeutung
Mit der von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlägen hinsichtlich der Agenturen ist Jérôme Cazes nicht zufrieden. "In dem Papier geht es im Schwerpunkt um den technischen Ratingprozess", so Cazes in einer Beiratssitzung von Coface Deutschland. "Wichtiger ist aber eine Kontrolle der Qualität der Ratings". Dies hat die Coface auch in einem Schreiben an Abgeordnete des Europäischen Parlaments verdeutlicht. Weil die Qualität der Ratings nicht überprüft werde, könnte die Agenturen weiterhin schlechte Risiken mit guten Noten versehen. "Es ist keine rote Ampel vorgesehen." Die Coface schlägt deshalb vor, die Bewertungen jährlich auf den Prüfstand zu bringen, um zu sehen, ob die Agenturen richtig oder falsch lagen. So könnte dann auch die Aussage besser hinterfragt werden, kein mit einem Investmentgrade bewertetes Unternehmen oder Produkt sei ausgefallen. "Natürlich ist kein AAA ausgefallen", sagte Jérôme Cazes, "weil die Agenturen schnell, aber oft zu spät nach unten korrigierten und am Ende halt ein C oder D ausgefallen ist." Das verfälsche das Bild. Mit dem eigenen neuen Rating will Coface glaubwürdiger, verlässlicher und preiswerter werden als der mächtige Wettbewerb. Der Kreditversicherer sieht bei sich die wesentlich bessere Grundlage. "Wir haben mit Informationen über 50 Millionen Unternehmen eine viel breitere Informationsbasis. Und wir haben vor allem Erfahrung mit Risiken", verweist Cazes auf die Expertise als weltweit agierender Kreditversicherer. Als ganz wesentlichen Vorteil sieht der CEO zudem, dass Coface für seine Aussagen auch Verantwortung übernehme. Wie schon jetzt beim @rating Service werde das neue Rating auch für konkrete Risikoübernahmen Bedeutung haben. "Wir lassen uns demnach an unseren Bewertungen messen", sagt Cazes.
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Kommentare zu diesem Beitrag
Ratingagenturen definieren bzw. ermitteln nur die Ausfallwahrscheinlichkeit für Unternehmen.
Wenn Leute in Banken, Versicherungen usw. Bündel dieser Einzeltitel kaufen/verkaufen, basieren diese zwar auf den Ratings, aber nicht mehr und nicht weniger!!!
Problematisch ist die Modellierung (Stichwort Korrelation) und Preisfindung bzw. der angebliche OFFENE und TRANSPARENTE Handel von CDS, CDO usw.
Letzlich liefern alle Modellvarianten nur Näherungen, die es ermöglichen Handel mit obigem Produkten zu betreiben. ECHTE (sinnvolle)Preise wären locker um den Faktor 3-4 höher....... wenn nicht sogar nochmehr
Der gesunde Menschenverstand würde keines bzw. nur ganz bestimmte Produkten handeln.
Die Blindheit und Unkenntnis modellrelevanter Parameter in den entsprechenden Abteilungen und sind das eigentliche Übel dieser Krise, gepaart mit Gier und dem Glauben, man könne Derivate mit jedem Finanzprodukt bauen