70 Prozent der Deutschen sind beunruhigt über die hohe Inflationsrate. Damit führt das Thema Inflation den Sorgen- und Risikokatalog der Bevölkerung an. 66 Prozent der Bundesbürger sind über die wirtschaftlichen Schäden der Covid-19-Pandemie besorgt.
Auch das persönliche Bedrohungsgefühl durch geopolitische Konflikte und Kriege steigt. 62 Prozent der Deutschen befürchten, dass die Lage in Europa und in der Welt immer unberechenbarer wird. Russland und China werden mit Abstand als die größten Bedrohungen für den Weltfrieden wahrgenommen.
Das sind zentrale Ergebnisse des „Sicherheitsreports 2022“, einer aktuellen repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Centrums für Strategie und Höhere Führung und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Der Sicherheitsreport wird seit 2011 jährlich erhoben.
Abb. 01: Was die Bürger zurzeit besonders beunruhigt [Quelle: Sicherheitsreport 2022. Hrsg.: Centrum für Strategie und Höhere Führung / Institut für Demoskopie Allensbach]
Wirtschaftliche Ängste von Inflation dominiert
An der Spitze der Sorgen der Bundesbürger steht die steigende Inflation. Der Anteil der Menschen, die sich persönlich durch die Geldentwertung bedroht fühlen, ist binnen eines Jahres von 32 auf jetzt 51 Prozent angestiegen. Dagegen ist die Angst vor Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Vor einem Jahr machten sich 18 Prozent der Bundesbürger Sorgen um ihren Arbeitsplatz, aktuell 14 Prozent.
"Insgesamt ist die große Mehrheit bisher finanziell bemerkenswert gut durch die zweijährige Krise gekommen, aber die hohe Inflationsrate alarmiert die Bevölkerung zunehmend und trifft überdurchschnittlich die schwächeren sozialen Schichten" fasst Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach die Ergebnisse zusammen.
Abb. 02: Wirtschaftliche Ängste von Inflation dominiert [Quelle: Sicherheitsreport 2022. Hrsg.: Centrum für Strategie und Höhere Führung / Institut für Demoskopie Allensbach]
Große Zweifel am Erfolg der Corona-Politik
60 Prozent der Bundesbürger treibt die Sorge um, dass die Pandemie mit der aktuellen Corona-Politik nicht in den Griff zu bekommen ist. Trotz dieser allgemeinen Skepsis sinkt das persönliche Bedrohungsgefühl. Fühlten sich im Vorjahr noch 43 Prozent der Bundesbürger von neuen weltweiten Pandemien bedroht, sind es aktuell nur noch 31 Prozent. Auch die Sorge, sich selbst zu infizieren, ist gesunken.
Beim Abwägen von Sicherheit und Freiheit in der Pandemie gibt es nach wie vor eine starke Präferenz in Richtung Sicherheit – jedoch mit abnehmender Tendenz. Votierten 2021 noch 77 Prozent der Bundesbürger dafür, dass möglichst große Sicherheit Priorität haben müsse, sind es aktuell noch 66 Prozent.
Bemerkenswert groß ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit der medizinischen Versorgung auch in Pandemiezeiten. 76 Prozent haben großes Vertrauen, dass sie medizinisch gut versorgt werden, wenn sie einen Arzt brauchen, 70 Prozent auch in die Notfallversorgung in Krankenhäusern.
Äußerst gemischtes Vertrauen in die politischen Akteure
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach genießt in der Bevölkerung großes Vertrauen. 62 Prozent sind überzeugt, dass er sein Amt gut ausfüllen wird. Damit liegt er weit vor anderen Kabinettskollegen. Auf den nächsten Rängen folgen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (43 Prozent) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (41 Prozent).
Lediglich 23 Prozent haben Vertrauen in die Arbeit von Außenministerin Annalena Baerbock. Die für innere und äußere Sicherheit zuständigen Ministerinnen Nancy Faeser und Christine Lambrecht kennen zurzeit noch viele Bundesbürger nicht. Das gilt insbesondere für Nancy Faeser (46 Prozent). Verteidigungsministerin Lambrecht ist zurzeit noch 28 Prozent nicht bekannt. Beide erhalten bisher nur einen geringen Vertrauensvorschuss: 15 Prozent trauen Nancy Faeser, 13 Prozent Christine Lambrecht zu, dass sie ihr Amt gut ausfüllen werden.
Abb. 03: Heterogenes Vertrauen in einzelne Minister [Quelle: Sicherheitsreport 2022. Hrsg.: Centrum für Strategie und Höhere Führung / Institut für Demoskopie Allensbach]
Sorge um Spaltung der Gesellschaft steigt
56 Prozent der Bundesbürger befürchten, dass es in der Gesellschaft zunehmende Spaltungstendenzen gibt. Das ist eine Zunahme von vier Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Eine überwältigende Mehrheit von 70 Prozent fordert stärkere staatliche Bemühungen, um diese Entwicklung einzudämmen. Die Mehrheit hält jedoch die Demokratie durch Gruppierungen, die gegen das politische System und seine Repräsentanten Front machen, für nicht gefährdet. Allerdings ist die Sorge, dass die Bundesregierung zu schwach sein könnte, innerhalb von einem Jahr von 24 Prozent auf 35 Prozent gestiegen.
Abb. 04: Wachsende Sorgen über Spaltung der Gesellschaft [Quelle: Sicherheitsreport 2022. Hrsg.: Centrum für Strategie und Höhere Führung / Institut für Demoskopie Allensbach]
Wachsende Sorgen über militärische Konflikte
62 Prozent der Bundesbürger befürchten, dass die Lage weltweit immer unberechenbarer wird. 37 Prozent der Bevölkerung machen sich gar große Sorgen, dass Deutschland in militärische Konflikte hineingezogen werden könnte. Das Gefühl von militärischen Konflikten persönlich bedroht zu sein, war 2021 mit 10 Prozent auf einem Tiefpunkt. Anfang 2022 ist es deutlich angestiegen: 21 Prozent der Deutschen fühlen sich durch Krieg und militärische Auseinandersetzungen bedroht. Insbesondere Russland und China werden immer mehr als Staaten gesehen, die den Weltfrieden gefährden. Die Überzeugung, dass von Russland große Gefahren ausgehen, ist binnen eines Jahres von 32 auf 66 Prozent angestiegen, die Einschätzung von China als Sicherheitsrisiko von 46 auf 60 Prozent. Dabei gibt es bemerkenswert große Unterschiede zwischen der west- und der ostdeutschen Bevölkerung, die beide Länder weitaus weniger als Gefahrenherde sieht als die westdeutsche.
Stärkere Unterstützung für Bundeswehr und NATO
Der Rückhalt für die Bundeswehr und die NATO ist in der Bevölkerung gestiegen. 79 Prozent sind überzeugt, dass wir die Bundeswehr brauchen, ein Anstieg um 6 Prozentpunkte seit 2019. Gegenläufig ist der Anteil der Bevölkerung, die die Bundeswehr für entbehrlich halten, von 14 auf 9 Prozent geschrumpft.
Eine breite Unterstützung gibt es in der Bevölkerung auch für die NATO-Mitgliedschaft: 72 Prozent der Bundesbürger halten diese für wichtig. Weniger eindeutig ist das Meinungsbild, wenn es um Konsequenzen aus der NATO-Mitgliedschaft im Falle eines Angriffs auf ein Mitgliedsland geht. Nur 44 Prozent der Bundesbürger sind für eine Beteiligung an einem Verteidigungseinsatz nach Artikel 5 der NATO-Beistandsregel, während 29 Prozent die Meinung vertreten, dass sich Deutschland generell heraushalten sollte. Auf ein Engagement bei der Verteidigung von baltischen Staaten wie Lettland, Litauen oder Estland angesprochen, reagieren die Deutschen noch zurückhaltender, besonders in Ostdeutschland: In Westdeutschland befürworten 39 Prozent der Bürger eine Verteidigung der baltischen Staaten im Falle eines Angriffs, in Ostdeutschland sind es gerade mal 20 Prozent.
Abb. 05: Wo ist höheres staatliches Engagement gefordert? [Quelle: Sicherheitsreport 2022. Hrsg.: Centrum für Strategie und Höhere Führung / Institut für Demoskopie Allensbach]
„Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren, ungeachtet all der bekannten Schwächen und Versäumnisse, an Rückhalt in der Bevölkerung gewonnen. Im Inland ist sie durch ihre Amtshilfe in der Corona-Pandemie wieder sichtbarer geworden. Die rasant gestiegene Bedrohungslage im Osten führt den Deutschen vor Augen, wie wichtig Verteidigungsfähigkeit ist,“ betont Klaus Schweinsberg vom Centrum für Strategie und Höhere Führung.
Skeptisch blicken die Bundesbürger auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Allerdings haben die Entwicklungen in Afghanistan nicht zu einer wesentlich kritischeren Haltung geführt. – 47 Prozent der Deutschen wären generell für einen Rückzug aus Auslandseinsätzen, das ist ein Anstieg um nur drei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Speziell der Einsatz in Mali wird von der Mehrheit abgelehnt, nur 16 Prozent der Deutschen befürworten eine Beteiligung an dem Einsatz in Mali.
Über den Sicherheitsreport
Der Sicherheitsreport des Centrums für Strategie und Höhere Führung wird seit 2011 vom Institut für Demoskopie Allensbach erhoben. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren. Die Interviews für den Sicherheitsreport 2022 wurden mündlich-persönlich durchgeführt vom 6. bis 20. Januar 2022, befragt wurden 1.090 Personen.