Marktkommentar

Strukturelle Inflationseffekte könnten sich verfestigen 


Strukturelle Inflationseffekte könnten sich verfestigen  Kolumne

Über das Jahr 2021 hinweg waren in vielen Ländern Teuerungsraten zu beobachten, die zuletzt vor mehr als 30 Jahren vorherrschten. Einige der preistreibenden Effekte können noch immer den Folgen der Corona-Krise zugerechnet werden (beispielsweise angebotsseitige Teuerung aus unterbrochenen Lieferketten). Die Beschwichtigung der Notenbanken, die Inflation sei ausschließlich "temporärer" Natur, kann aber pauschal nicht als zutreffend gewertet werden. Vielfach sind die Basiseffekte des Jahres 2020 nun bereits verarbeitet, doch noch immer steigen etwa Import-, Erzeuger- oder Großhandelspreise stark an. Sie werden sich mit Zeitverzögerung in die Verbraucherpreise durchfressen und zunächst für anhaltenden Preisdruck sorgen. Auch die Vermögenspreisinflation wird weiterhin durch die anhaltende Geldmengenausweitung der Notenbanken befeuert. Entlastung könnte 2022 hingegen von möglicherweise nachlassenden Preissteigerungen bei Energiekosten ausgehen.

Zwei strukturelle Faktoren der Teuerung bleiben aber wohl auch erhalten, wenn Corona-spezifische Inflationstreiber verarbeitet sind: Zum einen führen von China ausgehend die demographische Entwicklung mit zunehmender Arbeitskräfteknappheit, steigenden Lohnkosten und anziehenden Produzentenpreisen zu einer Umkehr der "importierten Deflation" hin zu künftig strukturell "importierter Inflation" (wozu auch die Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Euro beiträgt). Zum Zweiten wird der wachsende Einfluss von ESG- und Klimaschutzvorgaben und die begleitende Regulierung Einfluss auf die realwirtschaftliche Teuerung haben.

Klimapolitik als Preistreiber

Der Umstieg in der Energieerzeugung und Mobilität von fossilen auf regenerative Energieträger erfordert gigantische Mengen an Grund- und Industriemetallen, deren Preise bereits jetzt schon stark gestiegen sind und mit anhaltender Angebotsknappheit aller Voraussicht nach weiter steigen werden. Silber etwa wird nachgefragt in der Herstellung von Solarmodulen, Platin in Wasserstoff-basierten Technologien. Insbesondere Kupfer kommt eine Schlüsselrolle bei der Elektrifizierung und dem Netzausbau zu. Der Preis für das vielseitig einsetzbare Metall ist binnen Jahresfrist um knapp 25 Prozent gestiegen von weniger als 8.000 US-Dollar/Tonne auf über 9.500 US-Dollar/Tonne.

Wegen der im Vergleich zur konventionellen Verbrennungstechnologie noch immer kürzeren Lebenszyklen der Batterietechnologien müssen Nickel, Lithium und andere Metalle in entsprechenden Mengen für den Ersatz erschöpfter Speichertechnik verfügbar sein. Gleichermaßen wird der kontinuierliche Ersatz ausgedienter Wind- und Solaranlagen eine konstant hohe Nachfrage nach Rohstoffen generieren.

Dem steigenden Bedarf stehen zunehmend Hürden auf der Angebotsseite gegenüber. Verschärfte Umweltauflagen erschweren die Erschließung neuer Rohstoff-Vorkommen. Darüber hinaus verknappt die ESG-Regulatorik oft wenig differenziert Rohstoff- und Energieunternehmen den Zugang zu Kapital, das viele dieser Unternehmen für die Erschließung neuer Vorkommen und Investitionen in effizientere Abbaumethoden aber dringend benötigen.

Selektive Grund- und Rohstoffaktien bieten Potenzial 

Der absehbar steigende Verbrauch von Industriemetallen und seltenen Erden wird den Minenbetreibern einen strukturell hohen Auftragsbestand sichern. Die Bewertungen vieler Grund- und Rohstoffaktien bieten nach jahrelanger Underperformance daher aktuell noch eine begehrte und im Gesamtmarkt rar gewordene Sicherheitsmarge. Als unterinvestierte, ungeliebte und unterbewertete Aktien erfüllen sie die gängigen Anforderungen an ein Value-Investment. Der realwirtschaftliche Nachfrageboom trifft auf eines der wenigen verbliebenden Kapitalmarktsegmente, das auch im "Rausch des billigen Geldes" noch als vertretbar bewertet gelten kann.

Unter Aspekten der nachhaltigen Geldanlage erscheinen Rohstoffinvestitionen für einige Anleger grundsätzlich als fragwürdig. Es ist aber möglich, in der Selektion entsprechender Unternehmen hochgradig differenziert vorzugehen und innerhalb der Branche Unternehmen mit hohen Umwelt- und Sozialstandards zu identifizieren. In unserem Mischfonds BKC Treuhand Portfolio wählen wir solche Unternehmen aus, die bereits über längere Zeiträume einen konsistent hohen ESG-Track-Record demonstriert haben und zugleich über ein profitables Geschäftsmodell und ansprechende Bewertungseigenschaften verfügen.

Resilienz gegen die Inflation: Portfolioanpassungen für robuste Inflations-Eigenschaften

Es wäre fahrlässig, in der aktuellen Gemengelage nicht auf Anlagestrategien zu setzen, die eine gewisse Robustheit gegenüber einer strukturell höheren Teuerung aufweisen. Innerhalb von festverzinslichen Investmentstrategien sind inflationsgeschützte Anleihen erste Wahl. Vermögenswerte aus Schwellenländern haben sich historisch (Assetklassen übergreifend) im Reflationsumfeld besser schlagen können als unter Bedingungen mit deflationärem Gegenwind. Im Aktienportfolio erfordert ein inflationäres Umfeld eine stärkere Differenzierung in der Selektion. Als Inflationsschutz geeignet sind Branchen und Geschäftsmodelle mit hoher Preisfestsetzungsmacht. Diese finden sich in zyklischen Branchen wie Energie, Grundstoffen oder bei Industriewerten. Enttäuschungen dürften hingegen Investoren erwarten, die zur Inflationssicherung auf defensive Konsumwerte, Versorger oder Pharmawerte setzen.

Die Bedeutung alternativer Vermögenswerte, die nicht oder nur gering mit dem Aktien- oder Zinsrisiko korrelieren, steigt. Neben Positionen in Absolute Return und CAT-Bonds, bleibt Gold im aktuellen Umfeld eines der wichtigsten Selbstverteidigungsinstrumente gegenüber einer "Policy"-Seite, die vorsätzlich Inflation herbeiführt. Auch Fremdwährungsengagements in Währungsräumen, in denen eine stabilitätsorientierte Geldpolitik verfolgt wird, können zunehmend sinnvoll sein, wenn der Außenwert des Euros weiter unter Druck gerät.

Autor:
Bernhard Matthes, CFA, Bereichsleiter BKC Asset Management und Portfoliomanager des BKC Treuhand Portfolios
Bernhard Matthes
, CFA, Bereichsleiter BKC Asset Management und Portfoliomanager des BKC Treuhand Portfolios

 

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / Fokussiert ]
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