Die Subprime-Krise und die daraus resultierende negative Entwicklung an den weltweiten Finanzmärkten haben exemplarisch vor Augen geführt, dass viele Entscheidungsträger in den Unternehmen ihre Möglichkeiten, den Turbulenzen der Finanzmärkte zu entgehen und die damit verbundenen Risiken erfolgreich zu managen, überschätzt haben. Dies untermauert eine weltweite Studie der Unternehmensberatung Towers Perrin, die gemeinsam mit der Economist Intelligence Unit mehr als 1.400 Entscheidungsträger aus mittleren und großen Unternehmen zu den Chancen und Risiken im Rahmen ihrer Geschäftsstrategien und deren Umsetzung befragt hat. Zu den von den Teilnehmern weltweit benannten größten Risiken in der erfolgreichen Umsetzung der Geschäftsstrategie zählen nachhaltiges Wachstum (business continuity), Kundenwünsche sowie Wettbewerb. Als die Top-Chancen für Unternehmen wurden die Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiter eines Unternehmens, der Wettbewerb sowie nachhaltiges Wachstum identifiziert. Allerdings weichen die Ergebnisse für einige Branchen deutlich ab. So wird in der Bankenindustrie das Thema Kreditrisiko als höchstes Risiko eingestuft, in der verarbeitenden Industrie sind es die Rohstoffpreise sowie die Arbeitskosten; in Unternehmen, die vor allem im Bereich Kundenservice und Markenstärke konkurrieren, sind es Arbeitskosten, Mitarbeiter-Engagement sowie die Qualifikation und Erfahrungen der Mitarbeiter.
Optimistische Grundhaltung
Die Ergebnisse der Studie belegen eine relativ hohe Selbsteinschätzung der Manager: 9 von 10 Befragten beurteilen ihre Fähigkeit zur Bewältigung von Krisen und ihre Wahrnehmung von Chancen mindestens genauso gut wie die ihrer Kollegen in vergleichbaren Positionen. Von den westeuropäischen Managern sind 42 %, von den osteuropäischen Managern 39 % der Meinung, dass sie genauso gut oder sogar erfolgreicher mit Risiken und Chancen umgehen als ihre Kollegen. Im Gegensatz dazu liegt dieser Anteil in den USA und im asiatisch-pazifischen Raum mit über 50 % noch höher. Insgesamt zeigt sich gerade die Finanzbranche in besonderem Maße überzeugt, strategische, operative wie auch finanzielle Risiken erfolgreich managen zu können - ein Ergebnis, das vor dem Hintergrund der aktuellen Krise an den Finanzmärkten darauf schließen lässt, dass Risiken zum Zeitpunkt der Studienerhebung entweder unterbewertet oder noch nicht erkannt wurden. Michael H. Kramarsch, Managing Director der Human Capital Group von Towers Perrin in Deutschland betont daher: "Das frühzeitige Erkennen von Chancen und Risiken ist für die Verantwortlichen eine besondere Herausforderung, auf die viele bislang nur unzureichend vorbereitet sind. Idealerweise werden Handlungsabläufe etabliert, die es ermöglichen, situationsabhängig und flexibel zu agieren." Heijo Hauser, Managing Director der Risk & Financial Services von Towers Perrin in Deutschland, unterstreicht die Notwendigkeit einer besseren Prävention: "Unternehmen müssen in Hinblick auf die sich permanent verändernden Risikoszenarien ihre Anstrengungen verstärken, um dauerhaft konsistente Prozesse zu definieren, die jeweils geeignete Reaktionen sowie auch das Wahrnehmen von Chancen gewährleisten."
Unterschiedliche Beurteilungen durch CEOs und CFOs
Für die Studie wurden 27 erfolgkritische Faktoren definiert, die entsprechend der Kategorien Kosten/Finanzen, Strategie, Operatives Geschäft und Personalfragen zusammengefasst sind. Bei der Beurteilung einzelner Themenkomplexe offenbaren sich signifikante Unterschiede zwischen CEOs und CFOs. Zum einen werden Chancen und Risiken der unterschiedlichen Teilbereiche voneinander abweichend beurteilt. Zum anderen gehen auch die Meinungen, wie diese zu managen sind, auseinander. Interessanterweise werden die jeweils bedrohlichsten Risiken außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches angesiedelt. Dementsprechend fürchten CEOs vor allem finanzielle Unwägbarkeiten, wie beispielsweise Personal- oder Kreditkosten. Zudem sind sie weniger als ihre Finanzexperten überzeugt, Chancen wahrzunehmen zu können, die sich durch gezieltes Kosten-Management ergeben. Außerdem zeigen CEOs ein deutlich größeres Vertrauen, sich auf strategischer Ebene oder im operativen Geschäft eröffnende Chancen, erfolgreich nutzen zu können. Die CFOs dagegen schätzen strategische Faktoren als besonders kritisch ein, wobei sie allerdings insgesamt in ihrer Beurteilung, was die Bewältigung von Risiken angeht, optimistischer sind als CEOs.
Erfolgsfaktor Mitarbeiter
Die Kategorie "Mitarbeiter (People/Workforce)" identifizierten jeweils die meisten Studienteilnehmer als den Bereich mit dem größten Risikopotenzial (64 %), aber auch als Bereich, der die meisten Chancen zur Umsetzung der Unternehmensziele bietet (78 %, gleichauf mit "Strategie"). Zu den im Bereich "Mitarbeiter" von den Studienteilnehmern weltweit identifizierten gefährlichsten Risiken zählen unzureichendes Mitarbeiter-Engagement, die Qualifikation und Erfahrungen der Mitarbeiter sowie die Gewinnung und Bindung von Leistungsträgern und Top-Talenten. Unterstützt wird diese Sichtweise durch andere Studien, wie die Towers Perrin Global Workforce Study, die die unmittelbare Verbindung zwischen Mitarbeitermotivation und dem finanziellen Unternehmenserfolg gezeigt hat. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Personalthemen im Vergleich zu finanziellen, strategischen oder operativen Fragen auch auf oberster Management-Ebene häufiger und intensiver diskutiert werden. "Der Handlungsbedarf ist groß, denn letztlich ist Risikomanagement immer dann erfolgreich, wenn gewährleistet ist, dass jeder Mitarbeiter optimal auf seine Aufgabe im Unternehmen vorbereitet ist, seinen Verantwortungsbereich versteht und entsprechend der Unternehmensziele handelt", so HR-Management-Experte Michael H. Kramarsch.
Sonderfall Versicherungsbranche
Länderübergreifend weichen die Faktoren, denen die Befragten besonderes Risiko- und Chancenpotenzial zuschreiben, kaum voneinander ab. Entsprechend der unterschiedlichen Wirtschaftszweige lassen sich allerdings spezifische Unterschiede erkennen. Während für das produzierende Gewerbe in erster Linie die Kosten und die operative Geschäftsentwicklung als erfolgskritische Faktoren gesehen werden, liegen sie für den Versicherungsbereich vor allem auf strategischer Ebene. Speziell im Versicherungssektor zeigt sich, dass Firmen, die von Ratingagenturen als exzellent bewertet werden, in geringerem Ausmaß risikobereit sind und ihre Fähigkeit, Chancen wahrzunehmen und Risiken zu handhaben, als weniger ausgeprägt bewerten als der Wettbewerb. "Risiken und Chancen zu erkennen und in der richtigen Balance zueinander zu managen, kann nur durch ein professionelles Risk-Management sichergestellt werden", erläutert Heijo Hauser, Managing Director von Towers Perrin Risk & Financial Services. Erfolgversprechend sind aus Beratersicht maßgeschneiderte Programme, die dem jeweiligen Wirtschaftszweig Rechnung tragen und der Businessstrategie sowie der Risikobereitschaft des Unternehmens entsprechen. "Um ein Geschäft langfristig erfolgreich zu führen, ist es notwendig, auch in wirtschaftlich guten Zeiten potenzielle Risiken nicht aus dem Blick zu verlieren und andererseits Chancen auch bei schwacher Konjunktur zu erkennen und wahrzunehmen", so Hauser.