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Sturm im Wasserglas um die Inflationszahlen?


Sturm im Wasserglas um die Inflationszahlen? News

Die Aufregung über die steigenden Preise in Deutschland kam mit Verspätung. Ende Juli gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass die Inflationsrate auf 1,9 Prozent gestiegen war. Aber erst zwei Wochen später setzte die Diskussion darüber ein. Das weckt den Verdacht, dass es sich eher um einen Lückenfüller während der nachrichtenarmen Ferienzeit handelte. Dies auch deshalb, weil die Argumente nicht unbedingt neu sind. Die Preissteigerung, so wurde gesagt, sei höher als die Zinsen. Die Sparer machten real Verluste. Das ist aber schon seit einiger Zeit so. Ist das Ganze nur ein Sturm im Wasserglas?

Nicht ganz: Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise ist schon heftig. Butter war im Juli 31 Prozent teurer als vor einem Jahr, Kartoffeln 44 Prozent, Obst 11 Prozent. Das ist für breite Bevölkerungsschichten eine erhebliche Belastung. Insofern ist die Empörung verständlich. Die Preissteigerung hängt nicht nur mit üblichen saisonalen Entwicklungen zusammen. Vielmehr spielten in diesem Jahr auch der lange Winter, der dann einsetzende Regen und die folgende große Flut in einigen Gebieten mit bedeutender landwirtschaftlicher Nutzung eine Rolle. Es ist zu vermuten, dass sich der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln nach Auslaufen dieser Effekte wieder normalisieren wird.

Alle anderen Güter und Dienste der privaten Lebens-haltung haben sich kaum verteuert. Ausnahme ist Strom, für den im Juli 12 Prozent mehr bezahlt werden musste. Das hängt mit der Energiewende zusammen und wird sicher noch einige Zeit so bleiben.

Mit Konjunktur und Kapitalmarkt haben diese Entwicklungen nicht viel zu tun. In anderen Ländern werden die saisonabhängigen Nahrungsmittel sowie die Energiepreise häufig aus der allgemeinen Inflationsrate herausgerechnet. Das ergibt dann die "Kernrate" der Inflation. Wenn man dies auch in Deutschland machen würde, käme man auf deutlich niedrigere Raten, vermutlich in der Größenordnung von 1,4 Prozent. Das sieht schon weniger furchterregend aus.

Gibt es also – außer den Nahrungsmittel- und Strompreisen – keinen Grund zur Sorge? Immerhin liegt die Geldentwertung mit 1,9 Prozent immer noch im grünen Bereich, den die Zentralbank als Stabilität definiert. Ganz so einfach ist es leider nicht.

Schaut man sich die Grafik an, so zeigen sich drei Probleme. Das eine ist, dass die Preissteigerung in Deutschland seit April kontinuierlich ansteigt. Vor vier Monaten lag sie noch bei 1,2 Prozent. Manches spricht dafür dass sich die Zunahme allein aus Basisgründen fortsetzen wird. Sie wird über 2 Prozent steigen. Das ist auch noch nicht dramatisch, man muss es aber beobachten.

Zunehmende Inflation: Preissteigerungsrate in % gegenüber Vorjahr [Quelle: Bundesbank, EZB]
Zunehmende Inflation: Preissteigerungsrate in % gegenüber Vorjahr [Quelle: Bundesbank, EZB]

Das zweite Problem ist, dass die Inflationsrate in Deutschland deutlich stärker anzieht als die in Europa. Vor zwei Jahren war die Preissteigerung im Euroraum insgesamt um mehr als einen halben Prozentpunkt höher als in Deutschland. Jetzt ist sie um drei Zehntel niedriger. Das hat es bisher selten gegeben. Die Bundesrepublik ist in Sachen Stabilität plötzlich nicht mehr Klassenbester. Für viele Deutsche ist das ein Schock. Andererseits entspricht es genau den Notwendigkeiten in der Währungsunion.

Wenn sich die Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer verbessern soll, dann müssen sie ihre Kosten senken, die Produktivität erhöhen und die Preise dürfen nicht mehr so stark steigen. Umgekehrt muss Deutschland stärker expandieren. Die Löhne müssen mehr steigen, das Wachstum muss höher sein. Lange Zeit hatten die Deutschen Angst vor einer Angleichung in der Währungsunion durch eine höhere Geldentwertung in ihrem Land. Solange sich die Entwicklung aber auf so niedrigem Niveau vollzieht, ist dagegen nichts einzuwenden. Man muss es sogar ausdrücklich begrüßen, weil es ein Zeichen der Gesundung in der Eurokrise ist.

Das dritte Problem betrifft nicht die deutsche Inflationsrate (die bei Konjunktur- und Kapitalmarktproblemen ohnehin weniger beachtet wird), sondern die Rate im Euroraum. Auch sie geht nach oben. Im April lag sie noch bei 1,2 Prozent. Jetzt beträgt sie 1,6 Prozent. Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, dann sind wir auch im Euroraum bald über 2 Prozent und damit nicht mehr in der "Komfortzone" der Stabilität.

Im Augenblick sieht es aber nicht danach aus. Das Wachstum im Euroraum ist nach wie vor niedrig, auch wenn im zweiten Quartal glücklicherweise die Rezessionsphase überwunden wurde. Der starke Eurokurs auf den Devisenmärkten verbilligt die Importe. Die Rohstoffpreise steigen nicht so stark, auch nicht Benzin (trotz der Feriensaison). Selbst in den USA mit viel höheren Wachstumsraten gibt es bisher keine nennenswerte Inflation (2,0 Prozent).

Angesichts dieser Perspektiven besteht bei den Preisen im Euroraum kein Grund zur Beunruhigung. Die Europäische Zentralbank sieht die Risiken eher darin, dass die Konjunktur zu schlecht ist und dass sie mit weiteren Erleichterungen helfen müsste als umgekehrt. Dies umso mehr, als dass durch das voraussichtliche Auslaufen der Wertpapierkäufe der Federal Reserve die Kapitalmarktzinsen weltweit steigen und die EZB alles tun muss, um ein zu starkes Überschwappen der Entwicklung auf den Euroraum zu verhindern.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 




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Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /29.08.2013 18:03
+++ Basiseffekt drückt deutsche Inflationsrate im August +++

Die Inflationsrate in Deutschland ist im August auf Grund eines Basiseffekts bei den Ölpreisen deutlich zurückgegangen. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) fiel die jährliche Teuerungsrate auf 1,5 Prozent von 1,9 Prozent im Vormonat. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten lediglich einen Rückgang auf 1,7 Prozent erwartet.

Da in den Bundesländern, die zur Berechnung der vorläufigen Verbraucherpreise für Deutschland herangezogen werden, die Inflationsraten teilweise stark zurückfielen, hatte sich bereits abgezeichnet, dass die Teuerung niedriger als vorausgesagt ausfallen würde.

"Die vergleichsweise niedrige Inflationsrate ist insbesondere auf die moderate Entwicklung der Preise für Mineralölprodukte im August 2013 im Vergleich zu August 2012 zurückzuführen", erklärten die Statistiker. Dagegen liegt der Preisanstieg bei den Lebensmitteln mit 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr weiterhin deutlich über der Gesamtteuerung.

Gegenüber dem Vormonat blieben die Lebenshaltungskosten auf Basis von Daten aus mehreren Bundesländern unverändert. Volkswirte hatten dagegen ein Plus von 0,1 vorausgesagt. Im Mai waren die Verbraucherpreise um ein halbes Prozent gestiegen.

Der für europäische Vergleichszwecke berechnete Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) stagnierte gegenüber dem Vormonat, auf Jahressicht erhöhte sich der Index um 1,6 Prozent. Die endgültigen Ergebnisse für August will das Bundesamt 11. September vorlegen.
RiskNET Redaktion /28.08.2013 11:22
+++ Kalte Progression: Schäuble greift Opposition scharf an +++

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat SPD und Grüne aufgefordert, ihren Widerstand gegen den Abbau der sogenannten kalten Progression und eine Entlastung der Steuerzahler aufzugeben. "Wir müssen die kalte Progression bekämpfen. Da geht es um die Korrektur von heimlichen Steuererhöhungen, die der Gesetzgeber nicht beschlossen hat und auch nicht will", sagte Schäuble im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse.

Mit der kalten Progression wird das Phänomen beschrieben, dass die Bürger selbst dann mehr Steuern bezahlen müssen, wenn Löhne und Einkommen nur um einen Inflationsausgleich steigen. Die Kaufkraft bleibt gleich, aber die Belastung nimmt zu, weil der Steuertarif steigt.

"Deshalb ist es ein Skandal, dass der Bundesrat aus parteipolitischen Gründen die vom Bundestag beschlossene Entlastung der Bürger verhindert hat. Das war Obstruktion", erklärte der Finanzminister und kündigte an, dass CDU und CSU das im Bundesrat gescheiterte Gesetz im Falle eines Wahlerfolges erneut einbringen würden. Die Chancen auf Zustimmung seien am Anfang einer Legislaturperiode immer größer, so Schäuble.

Der Bundesfinanzminister sprach sich auch für eine umfassende Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern nach der Bundestagswahl aus: "Man wird ohnehin über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sprechen müssen. Wir brauchen einen neuen Föderalismuskonsens und eine grundlegende Reform", erklärte er.
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