Subsidence: Wenn einem der Boden unter den Füßen wegbricht


In der Regel kündigen sie sich an: entweder mit klemmenden Türen und Fenstern oder auch diagonalen Gebäuderissen. Gemeint ist eine Bodensenkung, die vor allem in Gebieten auftritt, in denen Tonböden vorherrschen, und vor allem in England als Subsidence bezeichnet wird. In Südengland und Frankreich kostete diese Naturgefahr die Versicherer in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel Geld, so die Münchener Rück. Denn die Böden können sich verschieben und unterschiedlich (differenziell) absinken, so dass man quasi den Boden unter den Füßen verliert.

Die Ursachen für Senkungen und Einstürze des Bodens sind vielfältig: Zum einen, wenn sich unterirdische Hohlräume bilden – wie in Karstgebieten. Dort löst die Kohlensäure im Regen- und Grundwasser das gesteinsbildende Mineral Calcit aus dem Kalksteinuntergrund. So entstehen Hohlräume (von Experten auch als Sinkholes bezeichnet), die unter der Last massiver Bebauung oder auch von selbst teilweise völlig überraschend einstürzen. Zum anderen senken sich Gebiete ab, in denen Kohle, Erdöl oder Erdgas gewonnen oder dem Boden Grundwasser entzogen wird. In diesem Zusammenhang sei an das jüngste Erdbeben im Saarland erinnert. Das Beben gilt als das bisher schwerste, das jemals durch den Bergbau ausgelöste wurde. Vor wenigen Wochen wurde das Saarland durch Erdstöße der Stärke 4,0 auf der Richterskala erschüttert.

Langanhaltende Trockenheit als eine Ursache

Eine weitere Ursache für das Absinken von Böden: Bei sogenannten Quelltonen schrumpfen Tonböden im Falle langanhaltender Trockenheit – Subsidence. Für Versicherer stellt dieser Schaden ein besonders großes Problem dar, denn es sind meist weitläufige Gebiete betroffen, in denen sich Werte (Gebäude) konzentrieren. Die direkten, sehr sichtbaren Auswirkungen geologisch bedingter Senkungen sind Gebäuderisse. Vor allem nach trockenen Sommern können hier die akkumulierten Schäden im dreistelligen Millionenbereich liegen, so die Experten der Münchener Rück.

Warum heiße Sommer schwer wiegende Folgen haben können, wird bei der chemischen Zusammensetzung der Tone deutlich. Sie enthalten unter anderem das Mineral Montmorillonit, das sein Volumen auf das Zehnfache vergrößern kann, wenn es Wasser aufnimmt. Da beispielsweise in England eher feuchte Witterungsbedingungen herrschen, treten dort die Schäden bei Wasserentzug auf: Der Boden schrumpft und senkt sich ab. In vorwiegend trockenen Gebieten dagegen lässt Wasser den Boden aufquellen – er hebt sich. Die Schäden, die dabei entstehen können, sind aber wegen der üblicherweise geringeren Werte in solchen Gebieten bei Weitem nicht so groß wie bei der Bodensenkung.

Kumulierte Schäden von über 8 Milliarden Euro

Geologisch bedingte Bodensenkungsschäden sind typisch für Südengland. Subsidence wurde 1971 auf Druck von Interessenvertretern prämienfrei in die Gebäudeversicherung eingeschlossen. Das böse Erwachen brachte dann der außerordentlich trockene Sommer 1976. Zunächst wurde er noch als Jahrhundertereignis interpretiert, doch die Schadenzahlungen gingen danach Jahr für Jahr weiter. 1991 lag der Spitzenwert bei 800 Millionen Euro. Insgesamt zahlten die Gebäudeversicherer seit 1976 über 8 Milliarden Euro. In Großbritannien haben die Versicherungen reagiert und Prämien und Selbstbehalte eingeführt, die von der geografischen Lage abhängen – mit der Folge, dass hoch exponierte Objekte kaum mehr versicherbar sind.

In Frankreich ist Subsidence unter dem staatlichen CatNat-Pool versichert. Bei der Einführung dieser Naturkatastrophen-Versicherung (L’assurance des catastrophes naturelles) wurde das Risiko mangels Schadenerfahrung nicht tarifiert. Die Schäden durch Bodensenkungen machen mittlerweile einen substanziellen Anteil der jährlichen Schadenlast aus.

Gute Frage: Wie kann man vorbeugen?

Gefährlich werden Senkungen in Gebieten mit Tonböden meist erst dann, wenn Bauten schlecht geplant und ausgeführt sind. Einem Schaden kann man mit Fundamenten und Kellern vorbeugen. In Südengland und Frankreich ist es üblich, die Gebäude nicht zu unterkellern; daher ist Subsidence dort ein großes Problem. Anders dagegen in verschiedenen Regionen Norddeutschlands, wo solche Schäden trotz ähnlicher geologischer Bedingungen weitgehend ausbleiben: Hier ist es üblich, Wohnhäuser zu unterkellern.

Gebäude nachträglich zu sanieren ist sehr kostspielig. In England passte man aufgrund der Erfahrung des Hitzesommers 1976 die Bauvorschriften an. Sie haben allerdings nur Empfehlungscharakter. Auch die Versicherer dort engagieren sich stark bei der Schadenprävention und beraten ihre Kunden dabei. In Frankreich gibt es Überlegungen, die Deckung von Subsidence (innerhalb der Naturgefahrenversicherung) wegen der negativen Schadenerfahrung zu limitieren.

In der Folge der globalen Erwärmung werden wir häufiger den Boden unter den Füßen verlieren

Die globale Erwärmung und ihre regionalen Ausprägungen werden das Problem in Zukunft sicherlich noch verschärfen. Grund dafür ist vor allem, dass die Wahrscheinlichkeit für trockene Sommer in den mittleren Breiten zunimmt. Trotz Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall ist das Risiko infolge geologisch bedingter Bodensenkung insgesamt gut abzuschätzen. Dadurch lässt sich auch gezielt Schadenprävention betreiben.

[Text basiert auf Quellen der Münchener Rück, Autor: Anselm Smolka]

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