Angesichts steigender Rückstellungen für Kreditausfälle und rückläufiger Verbraucherausgaben hat American Express im dritten Quartal einen deutlichen Rückgang beim Nettogewinn verbucht. Der Kreditkartenkonzern veröffentlichte jetzt ein Ergebnis von 815 Mio. US-Dollar. Im Vorjahr waren unter dem Strich noch 1,07 Mrd. US-Dollar geblieben. Der Konzern erhöhte seine Rückstellungen für Kreditrisiken verglichen mit dem Vorjahr um die Hälfte auf 1,37 Mrd. US-Dollar - ein Zeichen dafür, dass die Kunden des Konzerns wirtschaftlich zunehmend unter Druck geraten. Im Heimatland USA galten im dritten Quartal 5,9 Prozent der ausgereichten Kredite als uneinbringlich nach 5,3 Prozent per Ende Juni und 3 Prozent vor einem Jahr. Insgesamt 3,9 Prozent der aktuellen Kreditsumme ist laut American Express mehr als 30 Tage überfällig. Vor einem Jahr lag die Quote noch bei 2,4 Prozent. In den nächsten zwei Quartalen rechnet Finanzvorstand Dan Henry mit weiter steigenden Kreditausfällen. Für die Branche wird allgemein ein zunehmendes Risiko zahlungsgestörter Kredite gesehen. Analysten zufolge könnte das Ausfallrisiko ähnliche Dimensionen annehmen wie im Fall der geplatzten Subprime-Kredite. Die Abwärtsspirale der US-Konjunktur verstärkt die Gefahr eines Totalausfalls bei Kreditkarten-Schulden zusätzlich. Im Falle einer tiefen Rezession und einem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosenzahlen dürften überschuldete US-Verbraucher kaum mehr in der Lage sein, die Rückzahlungen vollumfänglich zu leisten.
Moody's Investors Service senkte das Langfristrating von American Express um eine Stufe auf 'A2' und begründete diesen Schritt mit der zunehmend schlechteren Qualität der Aktiva und dem Engagement auf Märkten wie den USA, wo die Immobilienpreise stark verfallen seien. Kreditausfälle und -abschreibungen haben American Express vergleichsweise spät erreicht. Alle Kreditkartenanbieter leiden seit geraumer Zeit darunter, dass Verbraucher ihre persönlichen Ausgaben reduzieren und mit den Rückzahlungen in Verzug geraten. Doch der US-ameri8kansiche Kreditkartenkonzern ist besonders verwundbar, weil das Unternehmen einer der wenigen reinen Kreditkartenbetreiber ist.
Zum eigenen Schutz hat American Express bereits vor einiger Zeit die Bedingungen für jene Verträge verschärft, bei denen die Kunden einen Teil der Kreditsumme von Monat zu Monat behalten. Jetzt trifft es auch die Kunden jener reinen "Charge Cards", deren Saldo monatlich ausgeglichen werden muss. CFO Henry kündigte weitere "Preismaßnahmen" an. So soll der jährliche Zins für "bestimmte Kundengruppen" um 2 bis 3 Prozentpunkte angehoben werden. CEO Kenneth Chenault erklärte, die jüngsten Finanzmarktturbulenzen hätten American Express in der Einschätzung bestärkt, dass Verbraucher- und Geschäftsvertrauen sich weiter verschlechtern werden und dass es zu einer Abschwächung der Konjunktur bis weit in das Jahr 2009 hinein kommen dürfte. American Express will offenbar mit Kostensenkungsmaßnahmen auf diesen Trend reagieren. Der Konzern erklärte, er stehe kurz vor dem Abschluss eines Planes, der durch eine Senkung der operativen Kosten und eine Verringerung der Belegschaft finanzielle Ressourcen freisetzen werde. Details nannte das Unternehmen mit Sitz in New York nicht. Im vierten Quartal sollen bereits die Kosten des Programms verbucht werden.
Laut der US-Notenbank Federal Reserve macht die Kreditkartenbenutzung etwa 40 Prozent aller Konsumentenkredite in den Vereinigten Staaten aus. Die Mehrheit sind so genannte nicht-revolvierende Kredite (Kredite zum Kauf eines neuen Autos, Finanzierung eines Urlaubs oder Ausbildung), die im August diesen Jahres einen Rückgang von 5,4 Prozent bzw. 7,3 Mrd. US-Dollar auf 1,61 Billionen US-Dollar verzeichneten. Bereits im Sommer des Vorjahres überschritt der Schuldenstand der US-Bürger bei Kreditkarten die Marke von 900 Mrd. Dollar. "Es sind mit Sicherheit nicht alle betroffenen US-Haushalte davon bedroht, die ausstehenden Schulden nicht mehr begleichen zu können. Eine angesichts der steigenden Schuldenlast voraussichtlich restriktivere Kreditkartenausgabe durch die Banken würde jedoch einen zusätzlichen Dämpfer für die US-Konjunktur mit sich bringen", meint Stefan Kooths, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Andererseits sei dieser Schritt mittelfristig ohnehin unvermeidbar, "wird allerdings zu einem für die Wirtschaft denkbar ungünstigen Zeitpunkt erforderlich", unterstreicht der Experte. Hierzulande ist ein ähnliches Szenario allerdings unwahrscheinlich, was auf die vergleichsweise geringe Finanzierung des Konsums durch Kredite zurückzuführen ist. "Konsumkredite sind in Deutschland rückläufig", erklärt Kooths. Neben den Kreditkartenschulden sollen sich in den USA etwa Autokredite mit einem Volumen von rund 100 Mrd. US-Dollar als "faul" erweisen.
Die drohende Rückzahlungsunfähigkeit von Kreditkartenschulden in den USA könne sich - wie im Fall der Hypothekenkredite - auf das gesamte Finanzsystem auswirken. Viele Kreditkartenanbieter und Banken haben ihre Forderungen offenbar ebenfalls gebündelt und weiterverkauft. Wie bei den Subprime-Krediten wurden dabei Risiken verpackt und in strukturierte Finanzprodukte umgewandelt. Nach Angaben der Ratingagentur Moody's beträgt das Volumen der Anlageprodukte, die auf Forderungen aus US-Kreditkarten basieren, bis zu 450 Mrd. US-Dollar. Die Risiken forderungsbesicherter Wertpapiere verschwinden zwar aus den Bilanzen einiger Finanzinstitute, nicht aber aus dem Finanzsystem insgesamt. Ein Platzen der Kredite, die diesen Papieren zugrunde liegen, könne erneut eine gefährliche Kettenreaktion auslösen.
[Text basierend auf RISIKO-MANAGER.com]
Kommentare zu diesem Beitrag