"Game of Thrones" – unter dem Titel der bekannten US-amerikanischen Fernsehserie steht die jüngste Wirtschaftsstudie des weltweit tätigen Warenkreditversicherers Euler Hermes. Die Studie identifiziert die weltweiten Krisenherde, die analog zu den sich bekriegenden Königreichen der TV-Serie derzeit oftmals politischer Natur sind. Neben den Entwicklungen in der Türkei steht insbesondere der Ukraine-Russland Konflikt im Fokus der Betrachtung. Die Ökonomen analysieren verschiedene Eskalationsszenarien und die daraus entstehenden möglichen Auswirkungen auf den Handel, die Investitionsströme, die Energiepreise oder die Belastungen für den Bankensektor.
Stagnierendes Wachstum der russischen Wirtschaft
"Wir vergleichen ein moderates und ein eskalierendes Szenario in unserer Analyse und die möglichen Auswirkungen in beiden Ländern sowie auf ganz Europa", sagte Thomas Krings, Vorstand für Risikomanagement bei Euler Hermes. "Der Konflikt hat das Wachstum der russischen Wirtschaft bereits heute beinahe zum Erliegen gebracht. Wir haben selbst bei einem moderaten weiteren Verlauf ohne weitere Eskalationen unsere Prognose für das Jahr 2014 bereits von einem Wachstum von 2,6 Prozent auf 0,7 Prozent gesenkt. Zudem erwarten wir einen massiven Abzug von rund 120 Milliarden US-Dollar an Investitionskapital und die Abwertung der russischen Währung."
Politische Unsicherheit in der Türkei
Im Vergleich zum Konflikt in Russland und der Ukraine bewerten die Analysten die Situation in der Türkei derzeit eher als einen Schluckauf als ein Erdbeben. Negative Effekte auf die Wirtschaft hat die dortige politische Unsicherheit dennoch und Euler Hermes geht von einem Rückgang beim Wirtschaftswachstum von 4 Prozent im Jahr 2013 auf 3 Prozent im laufenden Jahr aus – vorausgesetzt der politische Konflikt im Bosporusstaat weitet sich nicht weiter aus. Grund für den Rückgang sind vor allem die sinkende Binnennachfrage und die schwache Türkische Lira. Auch die Zahlungsmoral der türkischen Firmen wird sich im Jahr 2014 dadurch voraussichtlich negativ entwickeln.
Gegenwind für Exportweltmeister Deutschland
Deutschland bleibt im globalen "Game of Thrones" der Exportweltmeister – während Nachbar Frankreich bei seiner Wirtschaftsstrategie auf das Ankurbeln der Binnennachfrage setzt. Damit stützen die Franzosen zwar die französische und auch die gesamteuropäische Wirtschaft, verfehlen ihr Finanzziel bei der Staatsverschuldung jedoch erneut. Dies führt nach Einschätzungen der Studie in der Eurozone zu Spannungen. Deutschland bleibt mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent weiterhin führend in Europa – allerdings bekommt die Exportmacht durch den starken Euro und steigende Lohnkosten zunehmend Konkurrenz aus den USA und Japan. Im Gegensatz zur Entwicklung des Euro ist der Japanische Yen seit Ende 2012 um 20 Prozent gefallen und die Profitabilität der dortigen Unternehmen durch sinkende Reallöhne deutlich gestiegen.
Brasilien nur mit geringem Wachstum und hoher Inflation
Ein weiterer Akteur, der zunehmend im Fokus der weltweiten Öffentlichkeit steht, ist Brasilien. Das südamerikanische Land tanzt derzeit auf vielen Hochzeiten: Auf den Confederations-Cup im vergangenen Jahr folgen im Sommer die Fußball-Weltmeisterschaft, im Herbst die Präsidentschaftswahlen und im Jahr 2016 die Olympischen Spiele. Ein Kraftakt, der dem Land zu schaffen macht. Die Wirtschaft bekommt von den Großereignissen wenig zu spüren, das Wachstum ist mit prognostizierten 2 Prozent im Jahr 2014 und 2,5 Prozent in 2015 verhältnismäßig niedrig, die Inflation hingegen weiterhin hoch.
Das Hauptproblem Brasiliens sind vor allem fehlende Investitionen. Die Investitionsrate beträgt nur etwa 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) – das ist der niedrigste Wert der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China).
Für eine Rückkehr zu höheren Wachstumsraten müssen nach Ansicht der Analysten grundlegende Strukturreformen her. Nur so kann Brasilien das Ungleichgewicht zwischen guter Binnennachfrage (durch eine unterstützende Finanzpolitik, geringe Arbeitslosenzahlen und steigende Reallöhnen sowie steigende Kapitalzuflüsse von Investoren) und geringem Angebot im Inland (durch fehlende Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Industrie, Infrastrukturdefizite und einem schwachen Geschäftsklima) ausgleichen.
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