Der Tag fängt gut an … eigentlich hätte ich es wissen müssen. Was soll einen schon erwarten, wenn man ein Buch mit dem Titel "Die Bank als Gegner. Vorsorge und Gefahrenabwehr gegenüber der eigenen Bank" (BusinessVillage, Göttingen 2005) in die Hand nimmt. Nun ja, den Autoren geht es wohl weniger um eine fundierte Informationsvermittlung, sondern um scharfe Polemik, die „sich bewusst von der ansonsten üblichen bankfreundlichen Darstellung des Kreditbereichs abgrenzen soll“ (S. 7). Ziel des Generalangriffs sind – wie sollte es anders sein – die Banken. Die Erkenntnis, dass Kreditgeschäfte in der Regel zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern getätigt werden und beide Parteien zwingend aufeinander angewiesen sind, ist den Autoren offenbar fremd: "Der Kreditnehmer ist der Unterlegene, und schnell wird die Bank zum Gegner. Der Konflikt zwischen Gegnern lässt sich jedoch nicht mehr allein durch betriebswirtschaftliche Beratung zu Gunsten des Kreditnehmers regeln" (S. 13), dozieren sie. Vielmehr bedürfe der Kreditnehmer anwaltlicher Beratung mit rechtlichen Spezialkenntnissen, so dass die Auseinandersetzung auch gerichtlich zu Gunsten des Kreditnehmers entschieden werden könne.
Welch' Glück für den armen Bankkunden, dass all drei Autoren Partneranwälte einer Kanzlei aus Hannover sind und sich nach eigenem Bekunden auf Bankrechtsthemen spezialisiert haben. In Wahrheit disqualifizieren sich die "Spezialisten" allerdings selbst, denn das Buch ist voll von Fehlern und Fehlinterpretationen, die wohl einen Keil zwischen die Kredit-Vertragspartner treiben sollen und beim Leser den Gedanken an die breite Palette eines Gruselkabinetts hinterlassen.
Längst überwunden geglaubt war eigentlich die Vorstellung vom Mittelstand als Opfer von Basel II und dem hieraus folgenden Rating. Nicht jedoch in diesem Buch. Kostprobe gefällig? "Es gilt die Regel, dass Banken die Kreditvergabe gerade dann besonders restriktiv handhaben, wenn der Bedarf an Fremdkapital besonders hoch ist. Oder anders formuliert: Wer Geld braucht, der bekommt keins. Diese Situation hat sich insbesondere seit der Vorbereitungsphase für Basel II verschärft" (S. 19). Hierbei habe der Bundesverband der Deutschen Banken (sic!) die Meinungsführerschaft gestellt, wobei die Sparkassenorganisationen und die der deutschen Volksbanken nicht mithalten konnten, da sie nicht im internationalen Geschäft tätig seien. Infolge dessen seien die Interessen der deutschen mittelständischen Kreditnehmer weitgehend unter den Tisch gefallen, obwohl diese den Motor der europäischen Wirtschaftsentwicklung darstellten. Statt dessen müssten die Unternehmen sich den Regeln von Rating-Prozessen unterwerfen, die auf die Kapitalaustattung amerikanischer Großunternehmen ausgerichtet seien.
Richtig ist genau das Gegenteil, denn vor allem den deutschen Verhandlungsführern ist der so genannte "Mittelstandskompromiss" zu verdanken gewesen, der bei der Eigenkapitalunterlegung der Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) spürbare Verbesserungen bei den Baseler Regelungen brachte. Von den Sparkassenorganisationen und den kreditgenossenschaftlichen Verbänden sind die Inhalte ausdrücklich begrüßt worden. Wichtigste Voraussetzung für den Mittelstand ist, dass das Kreditvolumen eine Millionen Euro nicht überschreitet. Ist eine Zuordnung zur Retailklasse möglich, so profitieren die Kreditnehmer von den gegenüber der Klasse "Unternehmen" deutlich geringeren Eigenkapitalanforderungen. Nach Auswertung der deutschen Umsatzsteuerstatistik können fast 95 Prozent der deutschen Unternehmen Nutznießer dieser günstigen Regelung sein. Angenommen wird dabei, dass ein Unternehmen maximal die Hälfte des Jahresumsatzes als Kredit erhalten kann.
Den Autoren geht es jedoch nicht um Fakten, sondern um bloße Panikmache. So kritisieren die Autoren in einer pauschalen Form den Zinseszins. Obwohl es doch eigentlich logisch ist, dass der Zins, sofern er nicht abgetragen wird oder werden kann, auf die Schuld aufgeschlagen wird und wie diese mitverzinst wird. Dass ein Kontokorrentkredit teurer ist als der Zinssatz für ein langfristiges Darlehen ist eine Binsenweisheit. Zur Welt des Bösen gehören dabei auch die Unternehmensberater. Es sei sogar nicht selten, heißt es auf Seite 28, "dass Berater in die Businesspläne bewusst Fehler einbauen, weil sie den Interessen der Banken oder der Konkurrenz näher stehen als ihrem Auftraggeber". Die Autoren gehen sogar soweit, den Bankmitarbeitern bewusste Korruption und niedere Beweggründe zu unterstellen: „Es winken ein schönes Haus oder die Verlagerung fauler Risiken auf einen bis dahin solventen Kunden. Manchmal schien es auch so, als hätte der Bankberater ein paar zusätzliche Provisionen aus der Vermittlung von an den Kredit gekoppelten Geldanlagen gut gebrauchen können. Oder der Banker wollte sich für eine vermeintliche Schmähung durch den Unternehmer rächen” (S. 28). Im Grunde genommen könnte man den Band als populistisches Marketing-Instrument einer Anwaltskanzlei abtun, die offenbar an lukrative neue Mandate gelangen möchte – wäre da nicht das Problem, dass erneut bewusste Fehlinformationen in ohnehin verunsicherte Unternehmen hineingetragen werden.
Fazit: Investieren Sie Ihr Geld und Ihre Zeit lieber in einen spannenden Roman!
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